Wegen Volksverhetzung: 18-Jähriger muss Anne Frank lesen

23.4.2015, 15:42 Uhr
Wegen Volksverhetzung: 18-Jähriger muss Anne Frank lesen

© Anne Frank Zentrum Berlin

Er muss vier Tage Jugendarrest absitzen, sich für ein halbes Jahr einem Erziehungsbeistand unterstellen, regelmäßig bei der Jugendgerichtshilfe antreten und "Das Tagebuch der Anne Frank" lesen. Das Amtsgericht Weißenburg hat einen 18-Jährigen wegen Volksverhetzung verurteilt.

Mit der Leseaufgabe will Richter Christian Eichhorn dem Heranwachsenden das "historische Hintergrundwissen“ vermitteln. Peter K. (Name geändert) soll so begreifen, wie die Verhältnisse im Dritten Reich tatsächlich waren. Denn ein echtes Bild der schrecklichen Ereignisse unter dem Naziregime fehlen dem jungen Mann ganz offensichtlich, wie seine Antworten auf die Fragen des Richters deutlich machten. Dass er die Geschichte der Anne Frank tatschlich gelesen und verstanden hat, muss Peter K. gegenüber der Jugendgerichtshilfe in einem Gespräch nachweisen.

Ein Hitlerbild und den Spruch "Einfach vergasen“ hatte Peter K. auf der Facebookseite der Weißenburger CSU hinterlassen, als diese einen Artikel aus dem Weißenburger Tagblatt über die Asylbewerberunterkunft am Richterfeld verlinkte. Große Teile der Diskussion dort liefen auf einem fragwürdigen Niveau mit tumben ausländerfeindlichen Parolen ab. Doch Peter K. ging noch deutlich weiter.

Es sollte "Schwarzer Humor" sein

Die CSU löschte den Kommentar nicht nur, sie erstattete auch Anzeige wegen Volksverhetzung. Staatsanwalt Daniel Hader sprach in seinem Plädoyer von einer „unerträglichen“, "nicht hinnehmbaren“ Tat. Vor Gericht räumte der 18-Jährige den Sachverhalt ein. "Schwarzer Humor“ habe das sein sollen, sagte er. "Es sollte lustig sein.“ Er gehöre keinem politischen Lager an, behauptete Peter K. und die beiden bekannten Vertreter aus der rechten Szene Weißenburgs, die den Prozess als Zuhörer verfolgten, kenne er nicht.

Die Tragweite seines Facebook-Kommentars war dem arbeitslosen jungen Mann damals nicht bewusst. Und sie scheint es auch jetzt noch nicht zu sein. Vor Gericht zeigte er sich wortkarg, antworte meist nur mit "Ja“ oder "Nein“. Staatsanwalt Hader und Richter Christian Eichhorn erklärten beide, dass sie das Geständnis zu schätzen wüssten, aber dass sie keine echte Reue bei dem Angeklagten erkennen könnten.

Hilfe statt Strafe

Dass bei Peter K. Reiferückstände vorliegen und er deshalb nach Jugendstrafrecht zu verurteilen war, stand für beide außer Frage. Der Angeklagte hatte keinen Rechtsbeistand und vertrat sich selbst. Mit dem Erziehungsbeistand und den regelmäßigen Gesprächen mit der Jugendgerichtshilfe wolle das Gericht den jungen Mann nicht bestrafen, sondern ihm helfen, erklärte Eichhorn in seiner Urteilsbegründung.

Ein vom Gericht verordneter Erziehungsbeistand hat ein anderes Gewicht. Arbeitet der Jugendliche, oder in diesem Fall Heranwachsende nicht mit, schaltet das Jugendamt das Gericht ein und dieses kann dann nach einer Anhörung einen Arrest anordnen.

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