Weißenburger Firma presst 2500 Liter Saft in einer Stunde

26.9.2020, 06:22 Uhr
Weißenburger Firma presst 2500 Liter Saft in einer Stunde

© Foto: Jan Stephan

Nach dem ersten Wagen aber kam ein zweiter Wagen und nach dem zweiten Wagen eine erste Halle und nach der ersten Halle vielleicht eine zweite? Billing wiegt den Kopf: "Vielleicht nächstes Jahr. Mal sehen." Wie viel Hektoliter Saft in einer Saison durch seine Pressen gehen, muss er nicht unbedingt in der Zeitung stehen haben. Aber die Leute stehen im Moment Schlange. Die Abfüllanlage schafft rund 2500 Liter in der Stunde. Gewerbliche Großkunden kommen schon mal mit 100 Tonnen Obst und einem Lastwagenzug Äpfeln. Kurz umgerechnet: 100 Tonnen, das sind 100 000 Kilo oder ungefähr eine halbe Million Äpfel.

Aber es sind nicht nur Äpfel oder Birnen, die ihren Weg in die Billing‘schen Pressen im Weißenburger Gewerbegebiet West finden. Man presst für größere Kunden auch Kirschen, Johannisbeeren, Quitten oder Holunder. Und man versetzt die Äpfelsäfte auch mit Mangomark, Aronia oder Erdbeersaft, um andere Geschmacksnuancen hineinzubekommen. Das Saftgeschäft ist längst eines für Feinschmecker geworden.

Nicht nur deswegen wollen Eddi und seine Frau Angi bald auch eine Brennerei auf dem Gelände betreiben. "Das ist einfach noch eine Art mehr, wie man Obst verwenden und haltbar machen kann", erklärt er. Die Anlage hat man bereits angeschafft, bald soll sie auch aufgebaut werden.

Permanentes Wachstum

Obwohl man größer wird, will man eigentlich nicht unbedingt wachsen. "Darum geht es ihm nicht", sagt Angi über ihren Mann. "Die ganzen Neuerungen kommen meistens daher, dass er es perfekt machen will." Ihr Mann nickt ein bisschen ertappt: "Das ärgert mich dann was, und man überlegt, wie man es besser hinkriegen könnte . . ." Und schon hat man einen zweiten Wagen, eine erste Halle oder eine neue Flaschenabfüllung gekauft.

Letzteres ist die große Innovation für das Jahr 2021. Im April soll die Anlage aufgebaut werden und damit die Produktionsflächen mehr als verdoppeln. Satte 800 000 Euro ist die Investition schwer, die sich viele kleinere Mostereien nicht leisten. "Das ist ein großer Schritt für uns", stellt Eddi Billing fest. Einer, der schon in die Zukunft reicht. "Die Kinder zeigen Interesse und könnten das mal übernehmen."

Es gären Ideen und Fruchtwein

Damit ist in rund 15 Jahren aus einem Garagenprojekt ein generationenübergreifender Wirtschaftsbetrieb geworden, der Arbeitsplätze schafft. Nicht nur für die Familie, wie Eddi Billing stolz betont. Denn man beschäftigt nicht mehr nur Saisonarbeitskräfte, sondern ist inzwischen auch Ausbildungsbetrieb. Eine gelernte Gartenbauingenieurin hat sich bei den Billings und der entsprechenden Berufsschule zur Fachkraft für Fruchtsafttechnik ausbilden lassen. Sie bleibt auch nach Abschluss ihrer Lehre in der Firma.

Deshalb gären nicht nur manche Ideen, sondern zum Beispiel auch Fruchtwein in Fässern auf dem Hof. "Das ist ein Versuch", lacht Angi Billing. Grundsätzlich ist alles ein Thema, was man aus den Früchten der Region so machen kann. Auch Cider und Seccos sind eine Überlegung. Allerdings genau wie beim Saft nicht unbedingt unter eigenem Namen hergestellt.

Kunden bis aus Bamberg

"99 Prozent machen wir als Lohnmoster", stellt Billing fest. Nur ein sehr kleiner Anteil der Mostproduktion wird auf eigene Rechnung verkauft. Überwiegend sind es Privatleute, die die Erträge des eigenen Gartens oder der privaten Streuobstwiese in die Richard-Stücklen-Straße fahren. Aber längst nicht mehr nur aus dem Landkreis. Bis aus Nürnberg, Erlangen, ja gar Bamberg kommen die Kunden mittlerweile.

Auch, weil man in der Mosterei wirklich genau den Saft bekommt, der aus den angelieferten Früchten gepresst worden ist. Allerdings aktuell nur in Fünf- oder Zehnliterbeuteln, was dem ein oder anderen ein bisschen zu viel für den privaten Konsum ist. Hier soll die Flaschenabfüllung helfen, die ab kommendem Jahr die Abgabe des Saftes dann auch in Literflaschen möglich macht.

Das ist für viele Privatkunden eine Option, die sich dann vielleicht über ein Gutschrift-System alle zwei Wochen einen Kasten holen, aber es ist auch im Hinblick auf gewerbliche Kunden eine interessante Sache. Die Mosterei wurde zuletzt immer wieder von Obstbauern aus der Umgebung mit größeren Mengen angefragt. Der Knackpunkt war dabei immer die fehlende Flaschenabfüllung. "So mussten wir jemandem absagen, der uns 200 Tonnen angeboten hat, die er auf Flaschen gezogen im Selbstvertrieb absetzt", erklärt Billing.

Warten auf die Eisheiligen

Weißenburger Firma presst 2500 Liter Saft in einer Stunde

© Foto: Mosterei Billing

Ein wenig mehr Gewerbekunden würden dem Familienunternehmen auch wirtschaftlich helfen, das Geschäft etwas planbarer zu machen. Denn im Moment ist das finanzielle Wohl und Wehe seines Unternehmens vor allem eine Frage des Wetters. "Ich weiß am 16. Mai, wie das Jahr für mich wird", stellt Billing fest. Da sind die Eisheiligen vorbei, die mit knackigen Frösten ganze Ernten ruinieren können. 2019 erfroren schon die Blüten am Baum und es war ein fürchterliches Obstjahr. Eines, von dem man mehrere in Folge kaum überstehen würde. Billing: "Das zehrt an den Reserven."

Mehr gewerbliche Kunden könnten da mehr Sicherheit geben, weil große Obstbauern ihre Bäume bei drohendem Frost beregnen, damit sich eine schützende Eisschicht bildet und die Blüte heil bleibt. Sie sorgen so für eine stabile Grundlast auch in schlechten Obstjahren.

Für die Anschaffung der Flaschenabfüllung bekam man sogar einen Zuschuss von 200 000 Euro über das Leader-Förderprogramm der EU, der vor Ort von der Lokalen Aktionsgruppe Altmühlfranken verwaltet wird. Der Grund: Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Landschaftsformen. Man hat aber festgestellt, dass sie nur wertgeschätzt und gepflegt werden, wenn sie auch in Nutzung bleiben. Das Pressen von Saft aus den Streuobstäpfeln ist die beliebteste Form dieser Nutzung.

Die beste Umweltbildung

"Im Prinzip ist das beste Umweltbildung", sagt Billing, wenn er von den Familien erzählt, die jedes Jahr gemeinsam die Äpfel für die Jahresration Saft aus den Bäumen holen. In Zukunft will er auch Führungen über Streuobstwiesen und durch den Betrieb anbieten. Eine Art umweltpädagogisches Erlebnisangebot. Denn den Billings geht es bei allen Ausbauplänen immer noch um den ursprünglichen Ansatz. "Wir wollen auf keinen Fall industriell arbeiten. Bei uns darf und soll der erste Saft des Jahres auch anders schmecken als der letzte", erklärt Angi Billing.

Der Umweltgedanke steckte auch hinter den eigenen Pflanzprojekten der Mosterei. Drei Hektar Streuobstwiesen hat man selbst schon angelegt. Zum Teil auf eigenen Flächen um Holzingen, zum Teil auf langfristig gepachteten an anderen Stellen des Landkreises.

Die Flächen sollen demnächst sogar auf dann fünf Hektar wachsen. Natürlich werden die Früchte dann eines Tages auch in der Billing‘schen Presse landen. "Aber ich werde da nicht mehr viele Äpfel ernten. Bis die richtig tragen, dauert das 20 Jahre", lacht Eddi Billing. Für ein Familienunternehmen, das über Generationen denkt, ist das aber kein großer Zeitraum.

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