Weißenburger Friseur: Zwischen Verständnis und Frust

20.2.2021, 18:00 Uhr
Weißenburger Friseur: Zwischen Verständnis und Frust

© Foto: Miriam Zöllich

  Für Arben Lumi, Inhaber des Herrensalons Schneider in Weißenburg, und viele seines Berufsstandes war und ist die Situation eine deprimierende Geduldsprobe – noch bis zum 1. März. Dann dürfen die Scheren wieder über die Köpfe fliegen. "Ich hab‘ schon das Gefühl, dass sich die Politik nicht für uns interessiert", gibt Lumi mit Blick auf die vergangenen Wochen zu. Und zusätzliche Probleme machen dann ausgerechnet noch die Kunden.

Natürlich nicht alle. Doch immer wieder bekommen Arben Lumi und seine Mitarbeiter Anrufe und Nachrichten, ob sie nicht doch mal schnell vorbeikommen können. "Aber das mache ich nicht", sagt Lumi. Auch nicht ausnahmsweise, auch nicht für gute Bekannte. "Natürlich fällt mir das schwer", gibt der 37-Jährige zu. Da ruft etwa ein älterer Herr an, der sich selbst die Haare nicht mehr ordentlich waschen und richten kann und bittet um Hilfe. Oder ein Kunde, der zu einem wichtigen Geschäftstermin muss und gepflegt aussehen möchte. "Natürlich würde ich diesen Menschen gerne helfen – und ich möchte ja arbeiten. Aber ich darf nicht."

Eine Art Vorbildfunktion

Dabei denkt Lumi nicht nur an die rechtlichen Konsequenzen oder Bußgelder, die ihn oder seine Mitarbeiter treffen könnten, sollten sie beim widerrechtlichen Haareschneiden erwischt werden. "Ich möchte ja auch kein Risiko sein, zum Beispiel für ältere Menschen, die ich zu Hause besuchen würde. Und ich will den Salon auch nach dem Lockdown erfolgreich weiterführen und mir meinen guten Ruf bewahren, den ich mir erarbeitet habe. Lieber ein paar Euro weniger in der Tasche, dafür aber keine Anzeige am Hals."

Mittlerweile 21 Jahre arbeitet der gebürtige Kosovare beim traditionsreichen Herrenfriseur Schneider in der Rosenstraße, den es schon seit rund 120 Jahren gibt. Seit acht Jahren ist Arben Lumi selbst Inhaber und damit auch Chef von fünf Angestellten. Deswegen, und auch als Mitglied der Friseurinnung und nicht zuletzt als Familienvater hat er auch eine Art Vorbildfunktion, findet Arben Lumi.

Manche haben trotzdem professionell geschnittene Haare

Zuletzt ist da noch die Sache mit der Solidarität gegenüber den anderen aus seinem Handwerk. Regelmäßig telefoniert Lumi mit Kolleginnen und Kollegen anderer Friseursalons in Weißenburg man tauscht sich über die Sorgen und Nöte aus. Hintenrum Aufträge anzunehmen, fände er unfair all jenen gegenüber, die sich an die Regeln halten. Das kann man schon auch als Seitenhieb verstehen in Richtung derjenigen, die es nicht so ernst nehmen mit dem Haarschneideverbot. Denn nicht nur Fußballprofis in München umgehen die Regelungen, sondern auch ganz normale Menschen in Weißenburg. "Ich erkenne es ja bei den Leuten, die mir hier auf der Straße begegnen, dass bei manchen die Haare oder ihr Bart trotz Lockdown professionell geschnitten sind", sagt der Friseur.


Schwarzarbeit im Lockdown


Natürlich weiß der 37-Jährige aber auch um die finanziellen Nöte seiner Kolleginnen und Kollegen. Für Angestellte bleibt derzeit durch das Kurzarbeitergeld gerade einmal 60 Prozent des ohnehin schon geringen Lohns, die Trinkgeldeinnahmen fallen komplett weg. Auch als Chef eines Salons hat man finanziell ganz schön zu knabbern derzeit, von den Hilfspaketen der Regierung ist seit Beginn des zweiten Lockdowns noch nichts bei Arben Lumi angekommen. "Ich hab‘ doch meine Steuern auch immer pünktlich gezahlt", sagt er enttäuscht. "Stattdessen kostet nun der Steuerberater zusätzlich Geld, der die Anträge für die Hilfen ausfüllen muss." Der Steuerberater kann freilich auch nichts dafür, weiß Lumi. Es ist nur einfach frustrierend.

Zwischen Verständnis und Frust

Überhaupt scheint der Inhaber des Herrenfriseursalons immer hin- und hergerissen zwischen Verständnis und Frust. Kein Wunder: Das vergangene Jahr war für die Arben Lumi und alle in der Branche ein Auf und Ab. Von Anfang an hat der 37-Jährige Corona sehr ernst genommen: Schon eine Woche vor dem offiziellen ersten Lockdown im März hat er seinen Laden geschlossen. "Es sind sehr viele Kunden gekommen, die geniest oder gehustet haben – dabei hatte ich ein sehr mulmiges Gefühl", gesteht er. Zum Schutz seiner Mitarbeiter und deren Angehörigen habe er daher erst einmal zugemacht.

Lumi stand aber auch hinter dem Hygienekonzept, mit dem im Mai die Friseursalons wieder öffnen durften. Und er hat viel Geld in Einweg-Umhänge oder Desinfektionsmittel investiert. Die Mitarbeiter haben Schicht gearbeitet, um die Anzahl an Personen im Laden zu reduzieren. Dass sein ganzer Berufszweig nun trotzdem seit Wochen wieder auf Eis liegt, scheint ihn sehr zu belasten – auch in Bezug auf die Langzeitfolgen. Schon nach dem ersten Lockdown hat er gemerkt, dass weniger Kunden kamen als zuvor. Das lag vermutlich an der umständlichen Abwicklung mit strenger Terminvergabe, aber auch an einer allgemeinen Unsicherheit.

"Keiner hört uns"

Ein wenig unsicher geworden ist durch das alles auch Arben Lumi selbst zu Beginn. "Natürlich hab‘ ich mich gefragt: Hab‘ ich vielleicht immer zu knapp kalkuliert?" Andererseits weiß er: "Ich habe eigentlich eine gesunde Firma." Enttäuscht ist der Friseur auch darüber, wie wenig selbst die Innung als Vertretung tatsächlich ausrichten kann. Was die Politik betrifft, so hat er das Gefühl: "Keiner hört uns."

Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, hat Arben Lumi begonnen, seinen Salon etwas zu renovieren. Wände streichen, aussortieren, lackieren: Hauptsache eine Beschäftigung. Das half, die Zeit der Ungewissheit zu überbrücken. Er hofft inständig, dass es beim 1. März bleibt mit der Wiedereröffnung.

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