Die Broschüre "Tachles" ist fertig

Das jüdische Leben in der Region auf 80 Seiten

1.8.2021, 07:26 Uhr
Das jüdische Leben in der Region auf 80 Seiten

© Foto: Miriam Zöllich

„Meinen größten Respekt, diese Broschüre ist landesweit ein leuchtendes Beispiel“, sagte Spaenle, der auch Schirmherr des Projektes ist. Rund zwei Jahre haben Pappenheim, Thalmässing und Georgensgmünd an dem interkommunalen Projekt gearbeitet – und zwar mit Hilfe von zahlreichen ehrenamtlichen Kräfte.

Entstanden ist dabei nicht nur die knapp 80 Seiten starke Broschüre, die sich mit dem Leben und Sterben des Landjudentums beschäftigt. Konzipiert wurden auch Infotafeln, die an geschichtsträchtigen Orten aufgestellt werden, sowie eine „klingende Landkarte“ mit Hörbeiträgen zur jüdischen Geschichte.

Ein Projekt mit viel Herzblut

Den Stein ins Rollen gebracht hat der ehemalige Pappenheimer Bürgermeister Uwe Sinn 2018. Damals bestand bereits eine Leader-Förderung der LAG Monheimer Alb-AltmühlJura für das Friedhofs-Projekt in Pappenheim. Sinn nahm Kontakt mit der LAG Erlebnisland Roth auf und fragte an, ob nicht Interesse an einem gemeinsamen Projekt bestünde. Schließlich sind auch Thalmässing und Georgensgmünd reich an jüdischer Geschichte. Und so traten die drei Kommunen und die LAGs zum gemeinsamen Arbeitskreis „Tacheles“ zusammen. „Es stecken viel Herzblut und Recherche drin“, stellte Sina Mixdorf von der LAG Erlebniswelt Roth fest.

Aus Pappenheim waren Renate Prusakow, die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins, und Hartmut Hildebrand im Arbeitskreis beteiligt. Doch dies ist nicht der einzige lokale Beitrag aus der Pappenheimer Umgebung. Prof. Dr. Joachim Grzega, der ehemalige Leiter des Europäischen Hauses, steuerte eine sprachwissenschaftliche Betrachtung über jüdische Wörter und Redewendungen bei. Und Dr. Martin Röper, der Leiter des Solnhofener Bürgermeister-Müller-Museums, ergänzte die Broschüre um sein Wissen zum Solnhofener Plattenkalk, der bei den jüdischen Grabsteinen verwendet wurde.

Stolze Wegbereiter: Rund zwei Jahre arbeiteten die Kommunen Pappenheim, Thalmässing und Georgensgmünd gemeinsam an dem Leader-geförderten Projekt.

Stolze Wegbereiter: Rund zwei Jahre arbeiteten die Kommunen Pappenheim, Thalmässing und Georgensgmünd gemeinsam an dem Leader-geförderten Projekt. © Miriam Zöllich, NN

Die Broschüre ist querformatig DIN-A-5 und knapp 80 Seiten stark. Doch von Textwüsten keine Spur: Das Layout ist ansprechend, reich bebildert, und immer wieder aufgelockert durch Zitate und jüdische Sprichwörter. Die Texte sind niederschwellig und dennoch höchst informativ und befassen sich mit der jüdischen Geschichte Mittelfrankens im Allgemeinen, sowie mit den jeweils drei Kommunen Pappenheim, Georgensgmünd und Thalmässing.

Einzugsgebiet bis Regensburg

So wird etwa erklärt, welche Totenwege die Juden einst mit ihren Verstorbenen zurücklegen mussten, um zum nächstgelegenen Friedhof zu gelangen. Dabei mussten sie zahlreiche Gebiete und Herrschaftsgrenzen meiden, wo sie erniedrigend hohe Zölle hätte entrichten müssen. Das Einzugsgebiet des Pappenheimer Friedhofs, der übrigens seit etwa 1372 besteht und damit der älteste in ganz Mittelfranken ist, reichte bis nach Regensburg.

Zu allen drei Kommunen finden sich Informationen über die Anfänge, die Entwicklung und auch das Ende der jüdischen Gemeinden – bis hin zu den Camps der „Displaced Persons“ nach dem zweiten Weltkrieg. Diese Holocaus-Überlebenden warteten auf die Ausreise nach Israel oder in die USA und waren oftmals die letzten größeren jüdischen Gruppen in der Region.

„Vielen Menschen hier bei uns und unserer Umgebung, ist das in diesem Umfang gar nicht bewusst“, sagte Pappenheims Bürgermeister Florian Gallus in Hinblick auf dieses jahrhundertelange, gemeinsame Zusammenleben zwischen Juden und Christen. „Diese Broschüre soll einen Beitrag dazu leisten, jüdische Geschichte zu vermitteln und deutlich machen, dass Jüdinnen und Juden nicht nur damals ein Teil unserer Gesellschaft waren, sondern auch heute noch sind.“

Auch Dr. Ludwig Spaenle hob noch einmal die Bedeutung des Projekts für die Gegenwart hervor. Vor allem angesichts der Corona-Pandemie und den Verschwörungstheorien, die sich oftmals antisemitischer Motive bedienen, sei die Vermittlung von Wissen die beste Möglichkeit, dem Judenhass etwas entgegen zu halten. Und Werner Baum als stellvertretender Landrat ergänzte, die Broschüre sei nicht nur für Einheimische interessant, sondern auch für Besucher. „Wir sind schließlich eine Tourismusregion.“

Die Broschüre ist bei den beteiligten Städten und Gemeinden erhältlich.

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