Wie Astronauten in Bayern für ihre Mond-Missionen trainierten

7.3.2021, 20:01 Uhr
Im Steinbruch Otting bei Treuchtlingen lernte eine Gruppe US-Astronauten, darunter die späteren Mond-Flieger Alan Shepard, Eugene Cernan und Edgar Mitchell viel über Gesteinskunde. Das Training sollte dabei helfen, die richtigen Steine vom Mond zur Erde zu bringen.

© Otto Hahn Im Steinbruch Otting bei Treuchtlingen lernte eine Gruppe US-Astronauten, darunter die späteren Mond-Flieger Alan Shepard, Eugene Cernan und Edgar Mitchell viel über Gesteinskunde. Das Training sollte dabei helfen, die richtigen Steine vom Mond zur Erde zu bringen.

Herr Hölzl, im August 1970 trainierten vier amerikanische Astronauten im Nördlinger Ries für ihre Mond-Missionen. Alan Shepard und Edgar Mitchell standen schon wenig später, am 5. Februar 1971, auf dem Mond, Eugene Cernan folgte Ende 1972 mit „Apollo 17“, der letzten bemannten Mond-Mission. Was konnten die Astronauten im Ries für den Mond lernen?

Stefan Hölzl: Das waren damals ja Testpiloten, quasi Cowboys und Abenteurer. Nicht wie heute ein Alexander Gerst, der auch Geowissenschaftler ist. Damals war vieles unklar. Man wusste ja gar nicht, ob die Krater auf dem Mond durch Einschläge oder durch Vulkanismus entstanden sind. Im Ries hat man den Astronauten beigebracht, welche Steine sie aufsammeln und zur Erde mitbringen müssen. Sie mussten lernen, die Strukturen richtig zu erkennen.


So heftig war der Asteroiden-Einschlag von Nördlingen


Ist das heute auch noch nötig?

Hölzl: Heute haben die Astronauten viel mehr Fachkenntnisse. Solche Trainings sind aber immer noch wichtig. Erst vor zweieinhalb Jahren war die Europäische Weltraumorganisation ESA hier und hat trainiert. In ein paar Monaten soll wieder ein Team kommen. Das sind dann Astronauten, aber auch Mitarbeiter an wichtigen Schaltstellen am Boden. Die müssen ja eine gemeinsame Sprache finden, um sich während der Mission gut verständigen zu können.

Weitere Trainings in Südtirol und auf Lanzarote

Wie sieht so ein Training im Rieskrater aus?

Stefan Hölzl ist seit dem Jahr 2013 Leiter des Rieskrater-Museums in Nördlingen und des Zentrums für Rieskrater- und Impaktforschung Nördlingen (ZERIN). Außerdem ist er seit 2004 Außerplanmäßiger Professor am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort hatte der in Augsburg geborene Diplom-Geologe auch studiert.

Stefan Hölzl ist seit dem Jahr 2013 Leiter des Rieskrater-Museums in Nördlingen und des Zentrums für Rieskrater- und Impaktforschung Nördlingen (ZERIN). Außerdem ist er seit 2004 Außerplanmäßiger Professor am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort hatte der in Augsburg geborene Diplom-Geologe auch studiert. © Martin Müller

Hölzl: Sie haben eine Woche lang geballten theoretischen Unterricht in Impaktgesteinskunde, Geologie und Planetologie. Dafür räumen wir in unserem Zentrum für Rieskrater- und Impaktforschung ein ganzes Stockwerk frei und die Astronauten könnten sich auch unsere Gesteinsproben und das Isotopenlabor ansehen. An etwa drei Nachmittagen geht’s ins Gelände zu Aufschlüssen und Steinbrüchen. Die Astronauten schickt man nacheinander in den Rieskrater, in die Bletterbachschlucht in Südtirol, wo man die Ablagerungen toll sehen kann, und nach Lanzarote. Dort sehen sich die Astronauten vulkanische Strukturen an.

Auch für die derzeitige Mars-Mission „Perseverance“ der NASA war das Ries wieder interessant. Weshalb?

Hölzl: Bei „Perseverance“ will man Spuren von Leben finden. Und wenn man Fossilien sucht, geht man in Seen, da hat sich über die Jahrmillionen was angereichert. Deshalb geht man auf dem Mars jetzt gezielt in Deltas, weil man hofft, dass sich da was angesammelt hat. Im Ries gab es ja auch zwei bis drei Millionen Jahre lang einen Kratersee.

Ries-Gestein hilft der NASA

So wie die Astronauten nicht wahllos Gestein mitnehmen können, kann auch der Mars-Rover nicht wahllos bohren. Er kann nur 43 Bohrkernproben zu je 15 Gramm entnehmen. Worauf er bei der Probenentnahme achten muss, haben Forscher des Bayerischen Landesamtes für Umwelt durch Gesteinsproben aus dem Ries herausgefunden. Die Daten hat die NASA nun zur Vorbereitung ihrer Mission genutzt.

Hölzl: Der Rover muss nach erhöhtem Stickstoff- und Kohlenstoffgehalt im Gestein suchen. Das macht er mit einem Massenspektrometer. Richtig gut untersuchen kann man das Gestein dann aber erst auf der Erde.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Spuren von Leben gefunden werden?

Hölzl: Es wäre schon fast ein Wunder, wenn es da kein Leben gegeben hätte. Leben gibt es abseits der Erde sicher häufiger. Aber das ist eben einfaches Leben. Für komplexes Leben braucht es aber unglaubliche viele Glücks- und Zufälle. Aber es wäre schon mal wichtig, einmal konkret nachweisen zu können, dass es nicht nur uns auf der Erde gibt.

Warum will man überhaupt noch Menschen in den Weltraum schicken, wenn Maschinen das scheinbar so perfekt können – und gleichzeitig niemand dadurch gefährdet wird?

Hölzl: Menschen sind einfach viel flexibler und kreativer. Roboter können nur das, was man programmiert hat. Menschen sind der künstlichen Intelligenz immer noch weit überlegen. Und heute schickt man auch keine Cowboys mehr hoch, sondern gezielt Familienväter und Fachleute. Man braucht keine Helden da oben, sondern Leute, die auch wieder zurückkommen. Ein Fehler während der Mission kann Milliarden kosten.

Mondlandung war großes Risiko

Diese Cowboys waren ja immerhin die ersten Menschen auf dem Mond.

Hölzl: Ja, aber heute würde man keinen Dackel mehr unter diesen Bedingungen in den Weltraum schicken. Die Amerikaner wollten den Russen einfach zeigen, wo der Hammer hängt, und sind dafür hohe Risiken eingegangen. Sie haben die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Mission selbst auf nur 30 Prozent geschätzt. Die Trauerreden waren schon vorbereitet. Sie hatten einfach riesiges Glück.

Im September 2018 ließ sich ein Team der ESA eine Woche lang in Nördlingen in Geologie, Planetologie und Gesteinskunde schulen. Hier sind (von links) Sergei Kud-Sverchkov (russischer Kosmonaut), Aidan Cowley (Science Officer ESA) und Thomas Reiter (ESA-Astronaut) zu sehen.

Im September 2018 ließ sich ein Team der ESA eine Woche lang in Nördlingen in Geologie, Planetologie und Gesteinskunde schulen. Hier sind (von links) Sergei Kud-Sverchkov (russischer Kosmonaut), Aidan Cowley (Science Officer ESA) und Thomas Reiter (ESA-Astronaut) zu sehen. © Stefan Hölzl

Es kommen ja nicht nur Astronauten zu ihnen, sondern auch Forscher, die Erkenntnisse über den Weltraum gewinnen wollen.

Hölzl: Ja, Forscher der TU Braunschweig haben sich bei uns Suevit-Gestein geholt, das durch den gewaltigen Druck und Temperaturen von bis zu 30.000 Grad beim Aufprall des Asteroiden entstanden ist. Sie wollen erforschen, wie man aus Mondgestein Ziegel herstellen kann.

Wozu das denn?

Hölzl: Wenn man sich länger auf dem Mond aufhalten will, muss man sich so schnell wie möglich vor der kosmischen Strahlung schützen. Sonst bekommt man sehr schnell Krebs. Man muss sich also sofort eingraben und Häuschen bauen. Von der Erde kann man dafür kein Material mitnehmen. Deshalb muss man 3D-Drucker mitnehmen und mit dem Material vor Ort arbeiten.

Neuer Ausstellungsteil im Rieskrater-Museum

Ihr Museum hat ja jetzt schon lange für Besucher geschlossen. Wie nutzen Sie die Zeit?

Hölzl: Wir waren so produktiv wie noch nie und haben viel aufgearbeitet. Wir planen außerdem einen neuen Ausstellungsteil, in dem wir die Wichtigkeit neuer Fälle und Forschungen zeigen. Alles, was wir sonst zeigen, ist ja entweder extrem lang her oder sehr weit weg. Da fällt manchen der Zugang schwer. Aber den neuen Ausstellungsteil wollen wir dann natürlich auch möglichst bald Besuchern zeigen können.

Keine Kommentare