Wie gefährlich sind die neuen Corona-Mutationen?

16.1.2021, 05:54 Uhr
Dass Viren mutieren ist normal. Doch bei den neuen Coronvarianten häufen sich die Mutationen.

© imago images/Christian Ohde Dass Viren mutieren ist normal. Doch bei den neuen Coronvarianten häufen sich die Mutationen.

Viren brauchen einen Wirt. Der Erreger dockt an eine Körperzelle an und zwingt sie, neue Viren herzustellen, die sich dann wieder neue Zellen suchen. Alleine sind Viren aufgeschmissen. Sie haben keinen Stoffwechsel, sie können keine Energie produzieren und sich nicht vermehren. Deshalb ist es eigentlich dumm von Viren, ihren Wirt umzubringen.

Aber Viren sind flexibel. Sie verändern sich ständig und sichern so ihr Überleben. Wenn eine neue Variante auftaucht, erkennt die körpereigene Abwehr sie nicht und die Erreger kommen leichter an ihr vorbei. Deshalb sorgen mutierte Viren gerade für Diskussionen über noch härtere Lockdown-Maßnahmen.


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Eine Variante des Sars-Cov-2-Virus, die sich derzeit vor allem in Großbritannien stark ausbreitet, bringt gleich mehrere Mutationen mit. Besonders interessant ist dabei eine Veränderung des Spike-Proteins, des Stachels auf der Hülle der Viren, mit dem sie in die Zellen eindringen. Das führt dazu, dass sich diese Form nach ersten Schätzungen bis zu 50 Prozent schneller ausbreiten kann. Die Mutation bringt dem Virus also einen entscheidenden Vorteil in seiner Evolution.

Eine zweite Variante, die bislang vor allem aus Südafrika bekannt ist, trägt die gleiche Mutation. Darüber hinaus hat sie es geschafft, sich so zu verändern, dass das Immunsystem im Körper ihr anscheinend weniger anhaben kann.

Zehn bis 15 Mal mehr Mutationen

„Diese beiden Varianten zeichnet aus, dass sie in einem kurzen Zeitraum viele Mutationen aufgesammelt haben, ungefähr zehn bis 15 Mal mehr, als man es sonst erwarten würde“, erklärt Richard Neher. Der Professor leitet die Forschungsgruppe „Evolution von Viren und Bakterien“ am Biozentrum der Universität Basel in der Schweiz. Seit Jahren analysieren er und sein Team, wie sich verschiedene Krankheitserreger ausbreiten und entwickeln, seit einem Jahr auch beim neuen Coronavirus.

Dass Viren mutieren, ist völlig normal. „Wir beobachten, dass bei Sars-Cov-2 generell ungefähr zwei Mutationen pro Monat zusammenkommen, das passiert in vielen unabhängigen Linien, die nach und nach Kopierfehler einsammeln“, erklärt Neher. „Aber hier haben wir eine bemerkenswerte Konstellation von ganzen Paketen an Mutationen.“

Erste Proben der aus Großbritannien bekannten Variante, die Forscher B.1.1.7 getauft haben, sind im September aufgetaucht. Aus Südafrika ist die Version namens B.1.351 seit Oktober bekannt. Ihr Erbgut zeigt, dass sie unabhängig voneinander entstanden sind. Einen gemeinsamen Vorfahren hatten sie wohl zuletzt Anfang 2020.


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„Die Tatsache, dass man diese Varianten gerade in diesen Ländern entdeckt, hat vor allem damit zu tun, dass es dort ausgezeichnete Beobachtungssysteme gibt“, erklärt Neher. „Dort werden sehr viele Viren sehr zeitnah analysiert.“ Künftig sollen auch in Deutschland öfter und schneller Virengene der Viren entschlüsselt werden und nicht mehr nur wie bislang in bestimmten Verdachtsfällen.

Auch in Japan sind Anfang des Jahres neue Mutationen aufgetaucht, die sich aktuell vor allem in Südamerika ausbreiten. Was Wissenschaftlern Sorgen bereitet, ist, dass die neuen Formen in kurzer Zeit so stark zunehmen.

Neue Formen dominieren

„Und das in einer Situation, in der sowieso schon sehr viel Übertragung in der Bevölkerung stattfindet – das ist ungewöhnlich“, sagt Isabella Eckerle. Die Professorin leitet die Forschungsgruppe für Virusentwicklung an der Uni Genf. „Normalerweise hat man immer eine Mischung aus verschiedenen Varianten, aber dass eine plötzlich die anderen derart dominiert und in einem größeren Raum überhandnimmt, das ist besorgniserregend.“

Die Virologen wollen möglichst schnell mehr wissen: Werden die neuen Viren in höheren Mengen übertragen? Sind sie länger ansteckend? „Es dauert einfach eine Zeit, diese Daten zu erheben“, erklärt Eckerle. „Wir müssen die Viren im Labor züchten und Experimente durchführen, da vergehen Wochen bis Monate, bis man verlässliche Ergebnisse hat.“

Das bisherige Wissen beruht auf Beobachtungen und Modellen am Computer. Sie zeigen, dass sich die mutierten Viren besser übertragen. „Wenn sich diese Variante auch bei uns durchsetzt, hätten wir ein Problem“, sagt die Professorin. „Wir kommen ja im Moment schon nicht gut zurecht und schaffen es nicht, die Fälle einzudämmen.“ Die gute Nachricht ist: Es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass die neuen Varianten ein anderes Krankheitsbild erzeugen. „Das heißt, für die individuelle Person macht es wahrscheinlich keinen Unterschied, womit sie sich infiziert.“

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