Demonstrieren mit Nazis

Wie radikal und rechts sind die Corona-Demos in Franken?

15.12.2021, 05:55 Uhr
An der "Querdenken 911"-Demonstration Anfang Oktober in Nürnberg nahm auch NPD-Funktionär Jens Janik teil (vorne im schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck "Ungeimpft"). Links ist Peter Meidl zu sehen (blaue Jacke und blaue Jeans), ein Mann, der in der Vergangenheit bei der Neonazipartei "Die Rechte" aktiv war.

© Birgit Mair An der "Querdenken 911"-Demonstration Anfang Oktober in Nürnberg nahm auch NPD-Funktionär Jens Janik teil (vorne im schwarzen T-Shirt mit dem Aufdruck "Ungeimpft"). Links ist Peter Meidl zu sehen (blaue Jacke und blaue Jeans), ein Mann, der in der Vergangenheit bei der Neonazipartei "Die Rechte" aktiv war.

Neumarkt, am 4. Dezember: 2000 Menschen. Ansbach, am selben Tag: 1500. Eine Woche später, Neumarkt und Fürth, 2000 beziehungsweise fast 3000. Am Montag dann noch einmal 2000 in Nürnberg.

Keine Frage: Die Demonstrationen von Impfgegnern, Maßnahmenkritikern und Querdenkern erfahren auch bei uns in der Region starken Zulauf. Insbesondere kleinere Städte haben zuletzt für ihre Verhältnisse ungewohnt große Aufzüge erlebt.

Neu sind die Corona-Demos aber nicht. Mal werden sie, wie zuletzt in Neumarkt, von der querdenkernahen Partei "Die Basis" organisiert, mal vom sogenannten Team Menschenrechte – oder, wie vor zwei Monaten, von "Querdenken 911".

Damals, am 9. Oktober, liefen in Nürnberg laut den Beobachtungen von Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung auch Rechtsradikale mit. Zum Beispiel Jens Janik, NPD-Funktionär, oder auch Peter Meidl, der in der Vergangenheit bei der Neonazipartei "Die Rechte" aktiv war und schon mal für die Freilassung des verurteilten Holocaustleugners Gerd Ittner demonstriert hat.

Auch bei den jüngsten, nicht von "Querdenken911" organisierten Demonstrationen, gab es entsprechende Vorfälle. In Neumarkt etwa waren Neonazis der Kleinstpartei "III. Weg" zugegen, ein Plakat mit der Aufschrift "Holocaust 2.0" wurde gezeigt. Zudem berichten Journalisten immer wieder von Einschüchterungsversuchen – in mindestens einem Fall ist ein solcher auch von einem Aufzug des "Team Menschenrechte" in Nürnberg dokumentiert, das sich offiziell von jeglichem Extremismus distanziert.

Mair zufolge stünden hinter dem "Team Menschenrechte" nahezu dieselben Leute wie bei "Querdenken 911". Wie sie erklärt, werde mit "Team Menschenrechte" Augenwischerei betrieben, um das negativ behaftete Querdenker-Label zu vermeiden.

Bereits 2020 hatte Mair gemeinsam mit dem Nürnberger Bündnis Nazistopp den Einfluss Rechtsradikaler analysiert. Keineswegs alle Teilnehmer seien stramm rechts, hieß es damals, es gebe aber eine große Offenheit dorthin. Daran hat sich nichts geändert: "Immer noch beteiligt sich das ,Who is Who‘ der extremen Rechten an den Querdenker-Demonstrationen", sagt Mair heute.

Innenminister besorgt

Innenminister in Sorge Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht "die Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung der Querdenker-Szene". Er beobachte mit Sorge, "dass ein kleiner, aber wachsender Teil aus dem rechtsextremistischen Bereich, aus Reichsbürgern und Antisemiten" die Demos zu vereinnahmen versucht. Manchen gehe es darum, die "Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen", etwa durch Sabotage und Gewaltaufrufe.

Eine der Zielscheiben: Impfzentren. Dem bayerischen Landeskriminalamt wurden 2021 bislang 55 Straftaten gemeldet, darunter Sachbeschädigungen, Bedrohungen, Beleidigungen und zwei Körperverletzungen gegen Mitarbeiter.

Auf den Demonstrationen selbst stellt etwa das Polizeipräsidium Mittelfranken "immer wieder" provokantes Verhalten fest. Tätliche Übergriffe hätten sich in den vergangenen Monaten "jedoch eher auf Einzelfälle" beschränkt. In Oberfranken seien die Aufzüge abgesehen von "verbalen Entgleisungen und Provokationen" weitestgehend störungsfrei verlaufen. Das Oberpfälzer Präsidium meldet vereinzelte Auflagenverstöße, zum Beispiel solche des Infektionsschutzes.

Alle drei Polizeipräsidien betonen, dass die Teilnehmer der Demonstrationen heterogen seien. Ein geschlossenes Auftreten oder ein dominanter Einfluss Rechtsradikaler sei nicht feststellbar, heißt es aus der Oberpfalz und aus Mittelfranken. Laut der oberfränkischen Polizei sei ein "Querschnitt der Gesellschaft, wie beispielsweise Aktivisten von Stay Awake, bekannte Querdenker und Impfgegner, aber auch kritische Bürgerinnen und Bürger" vertreten.

Seit Anfang September verzeichneten die Polizeipräsidien rund 270 Versammlungen mit Corona-Bezug. Mehr als die Hälfte fand in Mittelfranken statt, in der Oberpfalz war ihre Zahl zuletzt stark angestiegen. Am Sonntag, 19. Dezember, kommt in Nürnberg eine weitere dazu. Unter dem Motto "Keine Spaltun2g – kein Impfzwang" ruft die AfD um 14 Uhr zu einer Demonstration auf.

Gegenproteste sind angekündigt, so beispielsweise vom Bündnis Nazistopp (13.30 Uhr, Willy-Brandt-Platz) sowie vom Antifaschistischen Aktionsbündnis gemeinsam mit der Organisierten Autonomie (13 Uhr, Plärrer).

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