Wilderei in der Region: Naturschützer starten Infokampagne

23.7.2020, 05:50 Uhr
Wilderei in der Region: Naturschützer starten Infokampagne

© Foto: privat

Nur in seltenen Fällen können die Täter überführt werden, deshalb haben der Landesbund für Vogelschutz und die Gregor-Louisoder-Umweltstiftung das Projekt "Tatort Natur" gestartet. Auf einer Internet-Plattform können Zeugen Fälle von Wilderei melden.


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Vergiftete oder verstümmelte Greifvögel, erschossene oder erschlagene Luchse und Biber. Jedes Jahr werden in Bayern zahlreiche geschützte beziehungsweise gefährdete Wildtiere getötet, und bisher ist die Aufklärungsquote gleich null. Eine neue Initiative von Naturschutz-Verbänden will das ändern.

"Tatort Natur" heißt die Informations-Plattform, die vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) und von der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung (GLUS) ins Netz (www.tatort-natur.de) gestellt wurde. Zeugen von Wilderei und Tierfrevel können den beiden Naturschutzorganisationen dort ihre Beobachtungen melden.

"So kann jeder mithelfen, etwas gegen Naturschutzkriminalität zu tun", sagt Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent des LBV, der in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Tiertötungen dokumentieren musste. Unter anderem wurde der LBV-Zentrale in Hilpoltstein eine steigende Zahl von getöteten Greifvögeln aus einigen bayerischen Regionen gemeldet, die allermeisten wurden das Opfer von Gift.

Zahlreiche Luchse verschwanden

Angesichts einer extrem hohen Dunkelziffer tun sich die Fachleute schwer mit offiziellen Zahlen zur illegalen Tötung von Tieren im Freistaat, aber in den vergangenen fünf Jahren registrierten die Behörden, dass alleine 19 Luchse unter verdächtigen Umständen verschwunden sind. Bei fünf Tieren ergab die Untersuchung der Kadaver eindeutig, dass sie vorsätzlich getötet wurden. Die Tiere wurden erschossen, erdrosselt oder verhungerten, weil sie aufgrund einer Verletzung nicht mehr jagen konnten.


Mehrere Luchse im Bayerischen Wald getötet und zerstückelt


Bei weiteren 14 Luchsen gibt es nach Einschätzung des Landesamts für Umwelt Indizien für eine "illegale Verfolgung". Sie verschwanden plötzlich aus ihren Revieren, ihre Körper wurden bislang aber nicht gefunden. Eindeutig nachgewiesen wurden hingegen die Tötungen von zwei Ottern und einer Wildkatze. Mit 63 Opfern gehören geschützte Greifvögel zu den am meisten gewilderten Tieren. Laut Statistik wurden in Bayern seit 2015 unter anderem 15 Rotmilane, 26 Mäusebussarde und sieben Uhus illegal getötet. Die unbekannten Täter benutzen dafür Gewehre, Giftköder und Fallen.

Diese Zahlen stammen aus einer Antwort der Bayerischen Staatsregierung auf eine Landtagsanfrage des SPD-Abgeordneten Florian von Brunn. Bei den zusammengestellten Fällen handelt es sich mit Sicherheit aber nur um die Spitze des Eisbergs, ist sich Claus Obermeier, Vorsitzender der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung, sicher. Unter anderem weil viele Täter nach Überzeugung von Kai Frobel vom Bund Naturschutz nach dem Prinzip der drei S – "Schießen, Schaufeln, Schweigen" – verfahren. Kadaver von getöteten Tieren werden nur zufällig gefunden, und die Wilderer dann mithilfe von gerichtsfesten Beweisen überführen zu können, sei extrem schwer. So wurden in 25 Fällen seit 2015 nur drei Täter in Bayern zu Geldstrafen zwischen 900 und 2600 Euro verurteilt.

Die niedrige Aufklärungsquote liegt nach Ansicht der Naturschützer aber auch daran, dass in den meisten Fällen die Polizei zu spät aktiv werde. Oft vergingen Tage, bis sich Ermittler den Tatort anschauen – "und dann ist es nahezu unmöglich, noch verwertbare Spuren zu sichern", erklärt Andreas von Lindeiner.


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Der mangelnde Ermittlungsdruck ist nach Ansicht des Artenschutzreferenten jedoch nicht auf fehlendes Engagement der Ordnungsbehörden, sondern eher auf mangelndes Knowhow beim fachgerechten Umgang mit solchen Straftaten zurückzuführen. "Polizisten wissen genau, was bei einer Wirtshausschlägerei oder einem Verkehrsunfall zu tun ist", erklärt von Lindeiner – bei einem vorsätzlich getöteten Wildtier seien viele Beamten jedoch unsicher, wie sie damit verfahren sollen.

Bevölkerung sensibilisieren

Der LBV und der Bund Naturschutz bieten der bayerischen Polizei deshalb fachliche Unterstützung an, und diese Kooperation hat in den vergangenen Jahren erste Früchte getragen. In einigen Landstrichen in der Oberpfalz und in Niederbayern, in denen besonders viele Fälle von Naturschutzkriminaltität dokumentiert wurden, gibt es nun speziell geschulte Ermittler. Auch im Polizeipräsidium Nürnberg steht inzwischen ein Fachmann bereit.


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Florian von Brunn fordert außerdem eine personelle Verstärkung der entsprechenden Abteilung im Landeskriminalamt, damit die örtlichen Polizeidienststellen bei ihren Ermittlungen intensiver unterstützt werden können. Zudem müsse über Informationskampagnen die Bevölkerung mehr für das Problem "der gewissenlosen Tierquäler und Umweltstraftäter" sensibilisiert werden.

Dass die Menschen durchaus Anteil an Tierschutzkriminalität nehmen, das zeigten zuletzt die tödlichen Schüsse auf zwei Jungstörche in Spalt (Landkreis Roth). Viele Spalter Bürger sind nach wie vor fassungslos über diese Tat eines Unbekannten. Der LBV hat Strafantrag gestellt und die von der Stadt ausgesetzte Belohnung für Hinweise auf den Täter von 500 auf 1000 Euro aufgestockt.

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