Nach Wirbel um AstraZeneca-Impfstoff: Impfwillige und Pflegekräfte sagen Impftermine ab

18.2.2021, 08:39 Uhr
Um den AstraZeneca-Impfstoff ist in Deutschland eine Diskussion entfacht.

© Danny Lawson, dpa Um den AstraZeneca-Impfstoff ist in Deutschland eine Diskussion entfacht.

In Deutschland ist eine Diskussion um den Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca entfacht - und das aus zweierlei Gründen.

Zum einen verunsichern Berichte über die teils starken Nebenwirkungen des Impfstoffs Impfwillige. Auslöser sind unter anderem die Vorfälle in zwei schwedischen Provinzen. Die Behörden stoppten in dortigen Kliniken die Impfung von Pflegekräfte, nachdem ein Viertel von ihnen wegen grippeähnlichen Nebenwirkungen nicht zur Arbeit erschien.

Diskussion um AstraZeneca-Impfstoff in Deutschland entfacht

Auch in Deutschland häufen sich die Fälle, in denen Pflegepersonal und Rettungsdienst-Mitarbeiter nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ausfallen - so etwa in Emden, im Landkreis Minden-Lübbcke, aber auch in Franken.

Der zweite Grund ist, dass die Wirksamkeit des Impfstoffes als umstritten gilt. Der AstraZeneca-Impfstoff hat eine Wirksamkeit von 70 Prozent. Das sind rund 20 Prozent weniger als das Pendant von Biontech/Pfizer, aber dennoch ähnlich viel wie etwa die jährliche Grippeschutzimpfung.

Weltärztepräsident rät Pflegekräften von AstraZeneca-Impfstoff ab

Außerdem darf er in Deutschland nicht an Über-65-Jährige verimpft werden, weil er in dieser Altersgruppe zu wenig getestet wurde. Die Schweizer Behörden haben das AstraZeneca-Vakzin gleich gar nicht erst zugelassen.


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Der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery selbst hatte Pflegekräften empfohlen, sich nicht diesen Impfstoff verabreichen zu lassen. Die geringere Wirksamkeit sei nicht wegzudiskutieren, sagte er.

Das hat offenbar viele Pflegekräfte verunsichert. Aus ganz Deutschland gibt es Berichte, dass Impfwillige ihre Termine platzen lassen, wenn sie erfahren, dass sie mit AstraZeneca geimpft werden sollen.

AstraZeneca-Impfung: Termine würden "massenhaft" abgesagt werden

Aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums heißt es laut Business Insider, dass sich viele Ärzte und Impfwillige fragen würden, ob das Mittel auch wirke. Impftermine würden demzufolge "massenhaft" abgesagt.

Bei einem Impftermin für Pflegekräfte im Saarland seien über die Hälfte ohne Entschuldigung nicht erschienen, kritisiert die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann gegenüber n-tv.


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Wie der RBB berichtet, sind in Berlin von den eingetroffenen 30.000 AstraZeneca-Dosen gerade einmal 1000 verimpft worden. In der Hauptstadt können sich auch Unter-65-Jährige den Impfstoff aussuchen, die Mehrheit der Ärzte und Pflegekräfte entscheiden sich demnach gegen das umstrittene Vakzin.

In Münster haben vergangene Woche laut Westfälischer Nachrichten rund 30 Prozent der zu Impfung angemeldeten Mitarbeiter im Rettungsdienst und der ambulanten Pflege ihre Termine verstreichen lassen.

Behörden sind skeptisch: Weniger als ein Zehntel der AstraZeneca-Dosen verimpft

Nach Recherchen des Business Insider sollen deutschlandweit seit 7. Februar gerade einmal 50.000 der gelieferten 737.000 AstraZeneca-Dosen verimpft worden sein. Die Behörden seien skeptisch und würden den Impfstoff nur sehr zurückhaltend einsetzen, heißt es.

Unter anderem Deutschlands Top-Virologe Christian Drosten versucht, der Skepsis entgegenzuwirken: Alle verfügbaren Impfstoffe seien extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. "Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe, und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf", sagt er.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bestärkt Pflegekräfte, ihre Impftermine wahrzunehmen. Man müsse ein bisschen aufpassen, dass man sich als Gesellschaft nicht "in etwas hineinrede".

Experte: Wer Impfstoff anzweifelt, "macht sich mitschuldig"

Drastischere Worte wählt der Präsident des Virchowbundes der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich: "Wer aus Gründen des Populismus und der Selbstdarstellung den Impfstoff von Astrazeneca schlechtredet, indem er die Wirksamkeit anzweifelt (...), macht sich mitschuldig daran, wenn der Lockdown länger dauert als nötig und gerade die älteren Menschen weiter an Covid-19 sterben", erklärt er der Deutschen Presse-Agentur.

Jeder Unter-65-Jährige, der nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werde, nehme einem Über-80-Jährigen aktuell das Vakzin von Biontech oder Moderna weg. "Weil diese dadurch ein höheres Sterberisiko haben, wird damit billigend in Kauf genommen, dass Über-80-Jährige nach Infektionen durch das Coronavirus vermehrt sterben", sagt er.

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