Gerichtsverhandlung gegen einen Weißenburger

Zehn Polizeieinsätze in drei Monaten verursacht

18.10.2021, 16:12 Uhr
Ein Weißenburger musste sich nun vor Gericht verantworten, weil er mit einem Tierabwehrspray drei Polizisten attackiert hat. Er litt unter einer Psychose, die er durch Drogen und Alkohol ausgelöst hatte.

© Roland Fengler, NN Ein Weißenburger musste sich nun vor Gericht verantworten, weil er mit einem Tierabwehrspray drei Polizisten attackiert hat. Er litt unter einer Psychose, die er durch Drogen und Alkohol ausgelöst hatte.

Zum einen hat er an einem Nachmittag im Februar die Wohnungstür eines Bekannten eingetreten. Er klaute drei Apple-Telefone, eine Armbanduhr und mehrere Bankkarten. Dass er die Sachen über seinen Vater wieder zurückgeben ließ, änderte nichts daran, dass es sich juristisch um einen Privatwohnungseinbruchdiebstahl handelte.

Die zweite Tat ereignete sich Anfang April im Bereich des Weißenburger Plerrers. Arturo L. (Name geändert) tauchte mitten in der Nacht bei seinem Bruder auf, klingelte ihn aus dem Bett und begann damit, Sachen aus der Garage des Bruders auf die Straße zu räumen. Als eine Polizeistreife mit drei Beamten eintraf, versuchten die zunächst ihn zu beruhigen. Doch die Situation eskalierte. Arturo L. zog ein Pfefferspray (später stellte sich heraus, dass es sich um Tierabwehrspray handelte) aus der Tasche und sprühte damit in Richtung der Polizisten. Einen erwischte er minimal an der Lippe, aber einen echten Schaden gab es nicht. Dennoch läuft das als tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in drei Fällen. Dabei versteht die Justiz wenig Spaß. Das Strafmaß liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft.

Was nach jeder Menge krimineller Energie klingt, hat seine Ursache in Drogen, wie Psychiatrie-Facharzt Peter Sauer in seinem Gutachten attestierte. Es lief alles nicht so gut im vergangenen Jahr für Arturo L. Seine Freundin hatte ihn verlassen, die Wohnung wurde gekündigt, der Job war weg. Er besorgte sich Amphetamin und kombinierte die Drogen mit Alkohol. Ein fataler Fehler. Arturo L. hat damit eine drogeninduzierte Psychose ausgelöst, stellte Sachverständiger Sauer fest.

Auf Umwegen landete er schließlich in Weißenburg. Und konsumierte hier weiter Amphetamin und trank viel Alkohol. Arturo L. unterstellte seiner Familie, sie sei Schuld am Scheitern seiner Beziehung, hörte Stimmen im Kopf, führte Selbstgespräche.

Mehrere Vorstrafen

In der Aprilnacht am Plerrer wurde Arturo L. festgenommen. Nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle, landete er letztlich auf Dauer in Haft, weil er von einer früheren Strafe mit den Zahlungen im Verzug war. Ersatzfreiheitsstrafe nennen das die Juristen.

Überhaupt zeigte sich die Liste der Vorstrafen klar als negativer Aspekt bei der Urteilsfindung. Ein gutes halbes Dutzend Einträge gibt es im Bundeszentralregister, einer davon wegen Alkohol am Steuer. Auch der fehlende Job und die fehlende eigene Wohnung standen am Ende des Tages auf der Negativliste.

Wegen der Psychose war er bei den Taten allerdings nur vermindert schuldfähig, wie Sachverständiger Sauer ausführte. Positiv machte sich auch sein Geständnis bemerkbar. Er räumte die Taten ein, selbst wenn er sich nur noch bruchstückhaft erinnerte. Auch die Familie signalisierte Rückhalt und die Bereitschaft, Arturo L. trotz der Vorkommnisse wieder aufzunehmen. Das war es auch was er selbst in seinem Schlusswort heraus stellte. Er entschuldigte sich bei seiner Familie und betonte, es sei ihm das Wichtigste, dass sich das Verhältnis wieder normalisiere.

Eine günstige Sozialprognose wollte Staatsanwalt Felix Stiklorus dennoch nicht sehen. Er plädierte auf eine Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung. Die beiden Taten seien schließlich schwerwiegende Vergehen.

Eine Therapie soll helfen

Rechtsanwalt Alexander Seifert aus Nürnberg wollte hingegen, dass das Gericht die gesundheitliche Situation seines Mandanten berücksichtigt. Zum Wohnungseinbruch kam es demnach nur, weil Arturo L. glaubte, sein Bekannter hätte ihn bei der Familie seiner Ex-Freundin angeschwärzt. Auch einen echten Widerstand gegen die Polizisten wollte der Anwalt nicht sehen, weil sein Mandant mit dem Spray nicht wirklich gezielt, sondern wahllos in die Luft gesprüht habe.

Der Verteidiger kam deshalb zum Schluss, dass ein Jahr Haft ausreichend wäre und auch auf Bewährung ausgesetzt werden könne. Er hatte gleich zu Beginn des Prozesses bereits um ein Rechtsgespräch gebeten mit dem Ziel, sich auf eine Bewährungsstrafe zu einigen. Doch dazu kam es nicht.

„Wichtig ist, dass er ein Korsett bekommt“, stellte Seifert in seinem Schlussplädoyer fest. Damit meinte er eine verhängte Drogentherapie. Denn es sei sehr wahrscheinlich, dass ein Rückfall auch die Psychose wieder auslösen würde. In diesem Punkt stimmten auch Staatsanwalt Stiklorus, Richterin Wind und ihre beiden Laienrichter mit ihm überein.

Keine Bewährung

Was die Höhe der Strafe anbelangt, blieb das Gericht deutlich näher beim Staatsanwalt. Ein Jahr und zehn Monate lautete das Urteil unter Berücksichtigung der genannten positiven und negativen Punkte. Eine Bewährung ist nach Ansicht des Gerichts aufgrund der Sozialprognose nicht denkbar.

Richterin Wind gab dem Angeklagten mit auf den Weg, dass er unbedingt die Therapie durchziehen sollte. „Andernfalls ist die Gefahr groß, dass wieder ähnliches passiert.“ Sie zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass das gelingen kann: „Ich bin guter Hoffnung, dass das einen Schlussstrich zieht. Gehen Sie diesen Weg weiter.“

Dieser Weg, das ist nun die Suche nach einem Therapieplatz. Da wird vermutlich ein paar Monate dauern. Sobald Arturo L. diesen hat, kann er die mehrmonatige Therapie angehen. Zieht er diese erfolgreich durch, stehen seine Chancen gut, dass dann der Rest der Haftstrafe auf Bewährung ausgesetzt wird.