Zornedinger Pfarrer gibt nach rassistischen Anfeindungen auf

7.3.2016, 15:57 Uhr
Zornedinger Pfarrer gibt nach rassistischen Anfeindungen auf

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Es ist eine alte Pfarrei - uralt sogar. Schon vor tausend Jahren stand eine Kirche in dem 20 Kilometer von München entfernten Dorf Zorneding. Die heutige Barockkirche St. Martin wurde Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut. Stürmische Zeiten dürften die Gläubigen also öfter erlebt haben. Doch was sich seit vergangenem Herbst in der Pfarrgemeinde abspielt, übertrifft alle bisherigen Widrigkeiten. Trauriger Höhepunkt einer rassistischen Hetzkampagne übelster Sorte gegen den Pfarrer: Der katholische Priester Olivier Ndjimbi-Tshiende tritt nach mehreren Morddrohungen entnervt zurück.

Die Kirchgänger hatten sich längst daran gewöhnt, dass Sonntag für Sonntag ein Gottesmann mit schwarzer Hautfarbe im weißen Gewande vor ihnen stand, ihre Kinder taufte und die Toten beerdigte. Als der heute 66-Jährige vor vier Jahren als Pfarrer ins Amt eingeführt wurde, nahm in die Gemeinde "gut und freundlich auf", wie Ndjimbi-Tshiende rückblickend selbst sagt.

Doch als mit der Flüchtlingskrise im vergangenen Herbst immer öfter rassistische Töne in Deutschland angeschlagen wurden, geriet auch der aus dem Kongo stammende Priester ins Visier von Ausländerhassern. Als die Ex-CSU-Ortsvorsitzende Sylvia Boher im Partei-Mitteilungsblatt schrieb, Bayern werde von Flüchtlingen überrannt, und gar von einer Invasion sprach, verurteilte Ndjimbi-Tshiende die Äußerungen.

CSU-Politiker beschimpft Pfarrer als "Neger"

Dies hinderte Bohers Stellvertreter Johann Haindl freilich nicht daran, den Pfarrer als "Neger" zu beschimpfen, der aufpassen müsse, "dass ihm der Brem (früherer Pfarrer von Zorneding) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt". Boher und Haindl mussten den Vorsitz der Zornedinger CSU daraufhin abgeben. Ihr Gemeinderatsmandat behielt Boher freilich, Haindl legte es hingegen nieder.

Damit war die Sache für den asketisch wirkenden Pfarrer aber längst nicht ausgestanden. Seit November vorigen Jahres landeten im Briefkasten des blitzgescheiten Professors der Philosophie mehrere Morddrohungen. "Der Inhalt ist eindeutig beleidigend und nimmt Bezug auf die Hautfarbe des Adressaten", weiß Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Der Absender ließ nicht einmal die Ermordung von mehr als einer Million Juden im Vernichtungslager Auschwitz der Nazis unerwähnt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung gegen unbekannt.

Am Sonntag zog Ndjimbi-Tshiende die Konsequenzen und verkündete im Gottesdienst einer erschütterten Pfarrgemeinde seinen Rücktritt. Er sprach von einer für ihn "sehr belastenden Situation", fühle sich nun aber erleichtert, da er seinen Entschluss öffentlich gemacht habe. Der 66-Jährige wird die Pfarrei spätestens Ende des Monats verlassen. Wo er künftig seinen Dienst für das von Kardinal Reinhard Marx geführte Erzbistum München-Freising versieht, ist nach Aussage von Ordinariatssprecher Bernhard Kellner noch offen.

Mit Wut im Bauch

"Unser Pfarrer tritt zurück", titelte Zornedings Kirchengemeinde im Internet und fügte hinzu: "Wir sind schockiert und traurig über diese Drohungen." Wut im Bauch spürte am Montag auch die Fraktionschefin der bayerischen Landtags-Grünen. Vor allem ärgerte sie sich über das vermeintliche Schweigen der CSU in der Causa Zorneding. "Horst Seehofer muss sich mit dem Pfarrer solidarisieren", appellierte Margarete Bause an den CSU-Chef. Er müsse Ndjimbi-Tshiende öffentlich beistehen, "sonst feiern Rassisten hier letztlich mit Billigung der CSU einen Erfolg, den es in Bayern niemals geben darf". Auslöser der Affäre sei schließlich eine "abstoßende, rassistisch motivierte Privatfehde von CSU-Funktionären mit dem Geistlichen" gewesen.

Am Nachmittag reagierte die oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende Ilse Aigner. "Wir bedauern den Rücktritt von Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende zutiefst und verurteilen die Umstände, die dazu geführt haben, auf das Schärfste", schrieb die Wirtschaftsministerin in einer gemeinamen Erklärung mit dem CSU-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Thomas Huber. "Diejenigen, die solche Drohungen aussprechen, müssen mit aller Härte des Gesetzes verfolgt und bestraft werden."

Ausländerfeindlichkeit und jede Form von Rassismus dürften nicht toleriert werden, heißt es weiter. Aigner verwahrte sich aber auch gegen Unterstellungen, die CSU stehe mit den Drohungen gegen den Pfarrer in irgendeiner Verbindung: "Einen solchen Zusammenhang herzustellen, ist böswillig."

In der Münchner Schaltzentrale von Kardinal Marx ärgert man sich derweilen über das Gerücht, die rassistische Hetze gegen den dunkelhäutigen Priester sei nicht der wahre Grund für den Rücktritt. Der 66-Jährige sei vielmehr mit der Verwaltung seiner Pfarrei überfordert gewesen. "Fakt ist, dass es mehrere Morddrohungen und übelste rassistische Beleidigungen gab", sagt Bistumssprecher Kellner dazu. Und fügt hinzu: "In jeder Pfarrei gibt es Gespräche über den richtigen Weg." Überall werde über Sachfragen diskutiert. Mit dem Rücktritt des Pfarrers habe dies aber nichts zu tun.

Dieser Artikel wurde am 7. März um 15.57 Uhr aktualisiert.