Genuss aus Franken

Zum Saisonstart: Darum hat der Karpfen die beste Ökobilanz von allen Speisefischen

30.8.2021, 06:00 Uhr
Zum Saisonstart: Darum hat der Karpfen die beste Ökobilanz von allen Speisefischen

© Patrick Pleul/dpa

Der Karpfen sei der einzige Fisch weltweit, dessen Verzehr von den Umweltorganisationen WWF und Greenpeace als ökologisch unproblematisch eingestuft werde, betont Martin Oberle von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Stromfressende Pumpen und UV-Lampen zur Umwälzung und Desinfizierung des Wassers, Antibiotika oder andere Medikamente sowie über weite Strecken transportiertes Futter - all das ist bei der Aufzucht von Cyprinus carpio in Franken und der Oberpfalz nicht nötig. Im Gegensatz zur Massenproduktion in modernen Aquakulturen wird die Karpfenteichwirtschaft in Bayern nach wie vor sehr extensiv betrieben.

Ein seit Jahrhunderten bewährtes Konzept, denn im Gegensatz zu anderen Speisefischen deckt der Karpfen den Großteil seines Nahrungsbedarfs durch Kleinstlebewesen wie Wasserflöhe und Mückenlarven. "Dadurch wird er mit wichtigen tierischen Aminosäuren versorgt, und man benötigt kein aus Fischmehl bestehendes Tierfutter als Eiweißträger", erklärt Oberle, der sich für seine vor über 25 Jahren geschriebene Doktorarbeit mit den Einflüssen der verschiedenen Futtermittel auf die Qualität des Speisekarpfens auseinandergesetzt hat.


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Auch nach dieser langen Zeit ist dem Leiter der LfL-Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft die Begeisterung für das Objekt seiner Forschungen deutlich anzumerken. "Sagen Sie bitte Bescheid, wenn ich zu sehr ins Detail gehe", bittet der Karpfen-Experte lachend, bevor er auf die Auswirkungen der verschiedenen Fütterungsmethoden auf den Fettgehalt des Lieblingsfischs vieler Franken eingeht. Der kann nämlich enorm steigen, wenn ein Teichwirt zu viel Getreide zufüttert - und dann hält sich später der kulinarische Genuss in Grenzen.

Geräte messen den Fettgehalt

Oberle und seine Mitarbeiter in der am Ortseingang von Höchstadt an der Aisch gelegenen Forschungsstelle untersuchen deshalb unter anderem, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, damit die Bewirtschaftung der Karpfenteiche noch nachhaltiger abläuft. Außerdem soll ihre Arbeit gewährleisten, dass die Qualität der in der Region gezüchteten Fische auf einem durchgängig hohen Niveau ist.


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Zu diesem Zweck wurden in den vergangenen Jahren zum Beispiel Diagnosegeräte angeschafft, um den Fettgehalt der in Höchstadt und Umgebung produzierten Karpfen zu messen. "Zehn Prozent ist die Obergrenze, ab dann ist es kein Aischgründer Karpfen mehr", erklärt Oberle. Seit November 2012 ist dies eine nach EU-Recht geschützte geographische Angabe - und dadurch kann der Verbraucher nicht nur sicher sein, dass der verzehrte Karpfen aus dem Aischgrund stammt, sondern dass er auch gewisse Qualitätsstandards erfüllt. So dürfen nicht mehr als 800 Setzlinge pro Hektar Teichfläche eingesetzt werden, damit die Karpfen viel Platz haben und auf genügend natürliche Nahrungsquellen zurückgreifen können.

In den 30 Versuchsteichen der LfL-Außenstelle wird auch untersucht, wie sich die Teichwirtschaft auf die biologische Vielfalt im Wasser und im Umfeld der Gewässer auswirkt. "Wir haben zum Beispiel Urzeitkrebse entdeckt, die als ausgestorben galten", erzählt Oberle. Das zeitweise Ablassen des Wassers käme dieser Spezies und auch anderen Tieren entgegen. Zudem seien manche Vogel- und Libellenarten im Aischgrund häufiger zu beobachten als in geschützten Flussauenlandschaften.

Inzwischen auch immaterielles Kulturerbe

Auch deshalb hat die Unesco im Frühjahr die traditionelle Karpfenteichwirtschaft in Bayern zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Die kleinteiligen Teichlandschaften, die zum größten Teil bereits im Mittelalter entstanden sind, haben gerade in Franken und der Oberpfalz eine artenreiche Kulturlandschaft entstehen lassen. Tausende von Familienbetrieben - die meisten davon im Nebenerwerb - produzieren pro Jahr rund 6000 Tonnen Karpfen als reines Naturprodukt, das überwiegend direkt in der Region verzehrt wird.

Das ist laut Martin Oberle ebenfalls ein großer Unterschied zu den meisten anderen Speisefischen, die oft über Tausende von Kilometern per Lkw, Schiff oder gar per Flugzeug zum Endverbraucher transportiert werden. Auch in anderen Ländern sei der Karpfen trotz der Globalisierung ein regionales Produkt geblieben, berichtet der Wissenschaftler, der sich unter anderem die Karpfenzucht in Vietnam angesehen hat. "Dort wird aber auf Masse produziert, die Besatzdichte ist um ein Mehrfaches höher als in Bayern", erklärt Oberle. Und das Verrückte sei, dass der Karpfen zu ähnlichen Preisen wie in Deutschland verkauft wird. "Die verdienen dort so richtig Geld damit."

"Eigentlich viel zu billig"

Die Teichwirte in der Region dagegen dürfen sich ihren Stundenlohn nicht ausrechnen, für die meisten ist die Karpfenzucht nur ein Zubrot. "Rein betriebswirtschaftlich gesehen ist der Karpfen viel zu billig bei uns", sagt der Leiter der Höchstadter Forschungsstation. Umso mehr freut er sich über die steigende Wertschätzung umweltbewusster Verbraucher. Viele haben festgestellt, dass ein regionaler Qualitätsfisch nicht nur eine ausgezeichnete Ökobilanz, sondern auch ein sehr gutes Aroma hat. Laut Oberle hat bei Testessen schon so mancher ursprüngliche Karpfen-Skeptiker ein geschmackliches Aha-Erlebnis gehabt.

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