Zwei Drittel in zehn Jahren geschmolzen: Bayerns Gletscher bald weg

29.4.2021, 13:14 Uhr
Die bayerischen Gletscher schrumpfen immer weiter. Auch auf der Zugspitze werden sie schon bald komplett verschwunden sein. 

© Sven Hoppe, dpa Die bayerischen Gletscher schrumpfen immer weiter. Auch auf der Zugspitze werden sie schon bald komplett verschwunden sein. 

Alle 30 Sekunden verwandelt sich ein Würfel bayerischen Gletschereises mit einer Kantenlänge von 63 Zentimetern in Wasser. 250 Liter fließen in diesem kurzen Zeitraum im Schnitt die Berge hinab und gehen den fünf verbliebenen bayerischen Gletschern verloren - wohl für immer.

Denn der nun veröffentlichte zweite Bayerische Gletscherbericht prophezeit dem Freistaat eine Zukunft ohne Eis. Und diese Zukunft könnte viel früher kommen als gedacht. Ging man bislang davon aus, dass Bayern um das Jahr 2050 seinen letzten Gletscher verloren hat, könnte es nun schon in zehn Jahren so weit sein, wie Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bei der Vorstellung des Berichts verdeutlichte.

Ein Drittel weniger Gletscherfläche

70,4 Hektar groß waren die bayerischen Gletscher noch, als im Jahr 2012 der erste Gletscherbericht publiziert wurde. Nun sind es nurmehr 44,6 Hektar und damit 37 Prozent weniger. 1850 waren noch vier Quadratkilometer in den bayerischen Alpen von Gletschern bedeckt.

Und noch mehr als das: Noch viel stärker als die Fläche ist das Volumen der einzigen Eisriesen geschmolzen. Von 10,3 Millionen Kubikmeter im Jahr 2009 ging es bis 2018 auf 3,95 Millionen Kubikmeter zurück, das entspricht einem Verlust von 62 Prozent.

"Die Tage unserer bayerischen Gletscher sind gezählt", sagt Umweltminister Glauber deshalb. Der seit den 1980ern zunehmende Temperaturanstieg im Sommer lasse den Winterschnee innerhalb kürzester Zeit schmelzen, kein neues Eis könne sich bilden.


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Weil die dunklen Flächen in Form etwa von Geröll in und um den Gletscher zunehmen, nimmt die Umgebung immer mehr Energie und damit Wärme auf, der Prozess beschleunigt sich. "Die Gletscher sind Fieberthermometer für den Zustand unseres Klimas", veranschaulicht Glauber - und dieses Thermometer steigt immer mehr in den tiefroten Bereich.

Zwei Grad wärmer in den Alpen

Durch die Klimaerwärmung, die in den Alpen mit zwei Grad gegenüber global einem Grad noch deutlich ausgeprägter ist, können Gletscher nurmehr ab einer Höhe von 3500 Metern bestehen. Da die bayerischen Alpen bekanntlich bei knapp 3000 Metern enden, sind die Gletscher zum Sterben verurteilt.

Das geschieht unterschiedlich schnell. Der Südliche Schneeferner auf der Zugspitze hat seit dem letzten Bericht 80 Prozent seines Volumens verloren und wird wohl schon im Jahr 2025 nicht mehr zu sehen sein. Der Höllentalferner schwindet durch seine schattige Lage dagegen deutlich langsamer.

In der Vergangenheit hatten die Gletscher eine wichtige Funktion als Langzeitspeicher von Wasser. "Gerade dann, wenn andere Ressourcen ausfallen, also im Hochsommer, liefern sie am meisten Wasser", sagt Christoph Mayer, Glaziologe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die den Bericht gemeinsam mit dem Umweltministerium erstellt hat.

Weniger Wasser für Bayerns Gebirgsbäche

In Zukunft wird es aber immer weniger werden, bis schon bald der Strom endgültig versiegt ist. Der Zeitpunkt, zu dem die bayerischen Gletscher am meisten Wasser abgegeben haben, ist laut Mayer bereits überschritten. Schon bald werden Bayerns Gletscher gar keinen Nachschub mit kühlem Wasser für die Gebirgsbäche mehr liefern. Und auch die Bergflanken werden durch den Verlust des Permafrosts deutlich labiler.


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Laut Umweltminister Glauber will Bayern mit einem an den jüngsten EU-Beschluss angepassten CO2-Reduktionsziel von 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 und mit dem gerade entstehenden Klima-Paket II gegensteuern. Dieses soll vor allem den Erhalt und die Wiedervernässung von Mooren fördern und dazu beitragen, dass möglichst viele bayerische Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden.

Den Komplettverlust der bayerischen Gletscher wird das aber wohl nicht mehr aufhalten können. Dafür kommt das Engagement zu spät. Natürlich nicht nur in Bayern.

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