Geht es mit oder ohne Schuhe besser?

26.2.2019, 18:45 Uhr
Geht es mit oder ohne Schuhe besser?

© Foto: Christiane Krodel

Raphael Schwendner klappt seinen Laptop auf und klickt sich durch eine Reihe von Ordnern. Wo ist nur die Datei, die er sucht? Gefunden! Ein Video startet. Zu sehen ist ein drahtiger Läufer, der mit gewaltigen Schritten über eine Straße sprintet. Eine Kamera hält dabei jede Bewegung fest. Während viele Menschen bei dieser Laufgeschwindigkeit bereits um Luft ringen würden, scheint sie für ihn keine besondere Herausforderung zu sein.

Der Mann, ein Äthiopier, heißt Haile Gebrselassie. Bis vor wenigen Jahren war er einer der besten Langstreckenläufer der Welt. Gebrselassie stellte über 20 Weltrekorde auf. Viermal gewann er den Berlin-Marathon.

Gebrselassie ist Schwendners Vorbild. Der nur 1,64 Meter große afrikanische Läufer hat nämlich eine fast ideale Lauftechnik. Je besser die Technik, desto weniger Energie benötigt ein Läufer und desto schneller ist er.

Auch Schwendner läuft. Zwar kann er es nicht mit Gebrselassie aufnehmen, doch dürfte der 19-Jährige die meisten Hobbyläufer um Längen schlagen. Früher, vor dem Abitur- stress, hat der Schüler regelmäßig an Wettkämpfen teilgenommen. Für sechseinhalb Kilometer benötigt der Schüler gerade einmal 25 Minuten.

2017 begann Schwendner damit, Laufstile von Langstreckenläufern zu analysieren. Er wollte seine Leistung verbessern und auch die Schmerzen in seinem Körper lindern, die aus dem Laufen resultierten. Deshalb stellte er sich grundlegende Fragen: Wie sieht effektives Laufen genau aus? Braucht es überhaupt einen Laufschuh oder ist es besser, barfuß zu laufen? Immerhin wachsen viele Kenianer barfuß auf. Und das Land bringt einige der besten Läufer weltweit hervor. Vielleicht, so Schwendner, würde hier ein Zusammenhang bestehen.

Der Schüler suchte sich zehn Probanden, die sich auf dem Laufband von einer Hochgeschwindigkeitskamera filmen ließen: Männer, Frauen, junge und ältere. Für die Analyse markierte der 19-Jährige einige Stellen am Körper – etwa am unteren Rücken, seitlich am Knie, den Waden und Füßen. Auch in der Wissenschaft wird auf diese Weise gearbeitet, um bestimmte Winkel zwischen den Punkten, die beim Laufen entstehen, zu untersuchen.

Auf seinem Laptop öffnet Schwendner ein neues Video. Dieses Mal ist eine Frau von der Seite zu sehen. Das Video stoppt. Der Mittelfuß der Frau setzt auf dem Laufband auf. Es scheint, als würden in diesem Moment Fuß und der Referenzpunkt seitlich am Knie eine Linie bilden.

Eine eingeblendete Grafik zeigt jedoch: Die Abweichung beträgt drei Grad. Bei einem perfekten Laufstil würde der Wert bei null liegen, sagt Schwendner. Denn dann setzt der Fuß fast exakt unter dem Körperschwerpunkt auf. Bei einer Abweichung entsteht nämlich eine Kraft, die entgegen der Bewegungsrichtung wirkt. Der Läufer bremst sich quasi selbst.

Mit jedem Läufer besprach der Schüler anschließend die Ergebnisse und empfahl Übungen, um etwa den Rumpf zu stabilisieren. Denn auch das war Schwendners Ziel: Er wollte Verletzungen, die bei einem falschen Laufstil entstehen können, minimieren.

Raphael Schwendner fand heraus, dass die Probanden viel effektiver laufen, je höher die Schrittfrequenz war – und offensichtlich auch, wenn sie keine Schuhe trugen.

Das hat den 19-jährigen Forscher überzeugt. Er läuft jetzt nur noch mit sogenannten Barfußschuhen. Tatsächlich ist er auch schon ein bis zwei Minuten schneller geworden. Das klingt nicht viel – in der Welt der Läufer ist diese Zeitersparnis jedoch enorm.

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