Logopäden fordern Entscheidung

3.3.2020, 18:08 Uhr
Logopäden fordern Entscheidung

© Foto: J. Tepass, Deutscher Bundesverband für Logopädie

Wenn Kinder sich schwer tun, sprechen zu lernen, hilft ihnen ein Logopäde. Auch Sänger, deren Stimmlippen überbeansprucht sind, können sich helfen lassen. Oder Schlaganfallpatienten, die ihre Gesichtsmuskeln neu trainieren. "Der Beruf ist toll, weil er so vielfältig ist", schwärmt Anne Linnenbecker. "Viele wissen gar nicht, was wir alles machen." Das will die 26-Jährige ändern. Sie studiert im siebten Semester Logopädie in Erlangen. "Wir wollen auf uns aufmerksam machen und ein Zeichen setzen, damit die Regierung in Berlin unsere Argumente in ihre Entscheidung mit einbezieht." Gesundheitsminister Jens Spahn muss bestimmen, wie es mit dem Beruf weitergeht.

Von der Ausbildung zum Studium

Hebammen demonstrieren, Pflegekräfte und Erzieherinnen machen auf ihre schwierigen Bedingungen aufmerksam. Von den Logopäden war bislang wenig zu hören. Dabei ist auch bei ihnen seit Langem eine Akademisierung im Gespräch. 2009 hat die Bundesregierung entschieden, dass aus der Ausbildung ein Studium werden soll. Seit 2011 gibt es fünf sogenannte Modellstudiengänge in Deutschland – einen davon in Erlangen. Dafür arbeiten Universitäten und Hochschulen mit Berufsfachschulen, die die Ausbildung anbieten, zusammen.

"Die erste Auswertung vor drei Jahren hat gezeigt, dass das gut klappt und einen Mehrwert bietet", sagt Sabine Degenkolb-Weyers. Sie leitet die Staatliche Berufsfachschule für Logopädie in Erlangen seit 1996. Dazu ist sie von Beginn an die Koordinatorin des Studiengangs an der Uni. "Ich bin die Schnittstelle zwischen beiden Welten." Sie ist dafür, dass diese Welten endlich zusammenwachsen.

"Aktuell sind die Studenten geknechtet zwischen Ausbildung und Studium, ihnen bleibt keinerlei Zeit zur Vertiefung", erklärt Degenkolb-Weyers. Dabei war die Doppelbelastung ursprünglich nicht der Sinn der Sache. "Wir brauchen eine Vollakademisierung", fordert sie. Alle Logopäden sollen studieren – so wie das in allen anderen Ländern in Europa bereits der Fall ist. "Dann könnten wir Praxis und Theorie besser aufeinander abstimmen."

Der Gesundheitsminister sieht das anders. Unter ihm werde es keine Vollakademisierung geben, sagt Spahn. Stattdessen solle es weiterhin Logopäden geben, die eine Ausbildung absolvieren und andere, die studieren. Die Modellstudiengänge sollten eigentlich nur bis 2017 laufen und dann entweder verstetigt oder abgeschafft werden. Doch das Gesundheitsministerium hat die Entscheidung auf 2021 verschoben – und die Unis ratlos zurückgelassen. "Es gibt keine eigenen Professuren und keinen anschließenden Master in Erlangen, all das lässt sich erst einrichten, wenn wir ein regulärer Studiengang sind und die Finanzierung langfristig sicher ist", sagt Degenkolb-Weyers. Aus ihrer Sicht mache es überhaupt keinen Sinn, weiter zweigeteilt zu verfahren. "Wir brauchen eine Entscheidung und zwar schnell."

Es braucht ein neues Berufsgesetz

Anne Linnenbecker bringt das nichts mehr. Nach dem sechsten Semester hat sie ihr Staatsexamen gemacht und die Ausbildung beendet. Dazu hat sie neulich ihre Bachelorarbeit abgegeben und steht kurz vor dem Studienabschluss. "Ich würde es sofort wieder so machen", sagt die 26-Jährige. Trotzdem sei die Zeit durchaus ein "Spagat" gewesen zwischen Praxis und Theorie. "Natürlich brauchen wir beides, deshalb würde ich mir ein neues Berufsgesetz wünschen, damit man das Studium besser organisieren kann."

Nach dem Studium will Linnenbecker in einer Klinik arbeiten, um zunächst Berufserfahrung zu sammeln. Danach will sie noch einen Master anschließen, den es in anderen Bundesländern gibt. "Wir brauchen die Forschung, um neue Wirkungsnachweise zu erbringen", sagt sie. "Diese Bewertung und damit Weiterentwicklung der Therapien kann nur die Wissenschaft leisten."

Am Samstag, 7. März, lädt die Logopädie in Erlangen zum Forschungssymposium ein. Erwartet werden mehr als 100 Gäste aus ganz Deutschland, die neue Erkenntnisse austauschen. Für die Mittagspause haben sich die Studenten eine Aktion ausgedacht. Unter dem Motto "Uns geht die Luft nicht aus" blasen sie Ballons auf und haben Plakate gemalt, um gemeinsam ein Zeichen Richtung Berlin zu senden.