Mehr Verständnis statt immer wieder Zoff

8.7.2013, 16:31 Uhr
Mehr Verständnis statt immer wieder Zoff

© Lehrstuhl Schulpädagogik

Ali macht seine Hausaufgaben nicht. Seine Lehrerin ist wütend. Sie ruft bei Alis Mutter daheim an und verlangt, dass Ali endlich seine Hausaufgaben macht. Es ändert sich nichts, auch nach sechs, sieben Anrufen nicht. Schließlich geht Alis Mutter schon gar nicht mehr ans Telefon, wenn sie die Nummer der Lehrerin erkennt. Die Lehrerin wird immer wütender. Aber Ali macht deswegen noch lange keine Hausaufgaben.

Wer als Referendar frisch von der Uni kommt, ist in solchen Situationen meisten ziemlich rat- und hilflos. Er hat im Studium nicht gelernt, darauf sinnvoll zu reagieren.

Genau an dieser Stelle setzt der Studiengang „Lehramt an Haupt-/Mittelschulen“ an der Uni Erlangen-Nürnberg an. Er zielt darauf, „universitäre Lehre und schulische Realität in verschiedenen Kontexten zu verknüpfen“, sagt Prof. Thomas Eberle, Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik mit Schwerpunkt Hauptschule.

Ein wesentliches Element des Studiengangs ist das Modul „Fördern, Forschen, Lernen“. Dabei sind jeweils acht Studierende zwei Semester lang an insgesamt 13 Kooperationsschulen in Nürnberg/Fürth/Erlangen aktiv. Dort lernen sie schon während des Studiums den schulischen Alltag kennen und können Erfahrungen im Umgang mit Mittelschülern sammeln.

Grenzen werden überwunden

„Die Studierenden stoßen dabei zeitweise an Grenzen“, erklärt die Projektmanagerin Elvira Kühn. „Aber sie können diese Situationen sowohl in einem projektbegleitendem Seminar an der Uni als auch in Einzelgesprächen mit den Kooperationslehrern an der Schule aufarbeiten. Dadurch lernen sie eine Menge für ihre spätere Berufstätigkeit“.

Ein zweiter Aspekt innerhalb des Projektmoduls „Fördern, Forschen, Lernen“ ist die sogenannte Einzelarbeit: „Die Studierenden begleiten einen bestimmten Schüler ein Schuljahr lang“, erklärt die Diplompädagogik Elvira Kühn. „Sie legen mit ihm zusammen konkrete Ziele fest und versuchen mit klaren Methoden und Arbeitsschritten, diese Ziele zu erreichen“.

Bei dieser Einzelarbeit im Projektmodul „Fördern, Forschen, Lernen“ hat die Lehramtsstudentin Fiona den Fall Ali zum Beispiel selbst erlebt. Sie entschloss sich, der Sache auf den Grund zu gehen und besuchte Alis Familie im 7. Stock eines Hochhauses. Dort fand sie heraus: Ali hat noch vier kleine Geschwister, darunter ein neugeborenes Baby. Alis Mutter hatte schlicht und einfach keine Zeit, um sich auch noch um die Hausaufgaben ihres Ältesten zu kümmern.

Für ihre Lehrerlaufbahn hat Fiona aus diesem Beispiel gelernt. „Es kann nie schaden, wenn man das soziale Umfeld und die familiäre Situation eines Schülers kennt. Dann tut man sich wesentlich leichter, wenn es Probleme gibt.“ Das mag selbstverständlich klingen, ist es aber durchaus nicht. Viele angehende Hauptschullehrer hat keine Ahnung vom Lebensumfeld (problematischer) Hauptschüler. „Woher auch?, fragt Fionas Kommilitone Christoph, „eine Reihe von Leuten in unserem Studiengang kommt direkt vom Gymnasium an die Uni“.

Christoph selbst ist einen anderen Weg gegangen: Hauptschule, kaufmännische Ausbildung, 2. Bildungsweg. Doch selbst er sagt: „Die Hauptschule von heute kann man nicht mehr vergleichen mit der Hauptschule von vor zehn Jahren. Die Arbeit dort ist sehr viel schwieriger geworden.“

Zwei Kommilitonen von ihm haben das Studium Hauptschullehramt deshalb während des Projektmoduls hingeschmissen. Dem einen war die Klientel Hauptschüler einfach zu anstrengend, der andere wollte doch lieber nur Mathe unterrichten als sich um die privaten Sorgen seiner Schüler zu kümmern.

„Mit Hilfe des Projektmoduls“, sagt Elvira Kühn, können wir auch ein bisschen dazu beitragen, dass solche Studenten später nicht im Lehramt scheitern.“ Die bayerische Wirtschaft vbw ist sich der Bedeutung einer berufsfeldorientierten Lehrerbildung bewusst und finanziert die Stelle der Projektmanagerin für „Fördern, Forschen, Lernen“.

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare