Undercover unter Nazis - Interview mit Peter Ohlendorf

3.8.2013, 00:00 Uhr

Wie kam es dazu, dass Sie mit Thomas Kuban diesen Film drehten?

Peter Ohlendorf: Ein Freund erzählte mir, dass er jemanden kennt, der undercover in der Szene drin ist. Und da sind meine Ohren natürlich bis an die Decke gewachsen. Thomas Kuban lebt sehr zurückgezogen, sozusagen inkognito. Aber so konnte ich den Kontakt herstellen.

Welchen Job haben Sie als Regisseur?

Ohlendorf: Mein Job ist, die Geschichte rund um Thomas Kuban zu erzählen. Es geht um Fragen wie: Was wollen wir wie von Kubans Material verwenden. Thomas hat weit über 100 Stunden undercover auf Rechtsrock-Konzerten gefilmt. Auch die Finanzierung gehört zu meinem Job.

Sie haben niemanden gefunden, der Ihren Film finanzieren wollte. War Ihnen vorher klar, dass es so kommt?

Ohlendorf: Nein! Ich bin beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen gut aufgestellt. Aber es war kein Thema. Nur ganz am Rande lief noch ein bisschen was zum Thema Neonazis. Das war erschütternd. Auch die Kollegen haben kaum mehr was verkauft. Bis heute konnte ich die Öffentlich-Rechtlichen nicht ins Boot holen — trotz NSU. Seit ein Münchner Journalist den Mitteldeutschen Rundfunk kritisierte, wie da mit dem Material von Thomas Kuban seit langem umgegangen wird, gibt es jetzt Verhandlungen mit dem MDR. Aber auch sehr zäh.

Das heißt, „Blut muss fließen“ ist bald auch im TV zu sehen?

Ohlendorf: Es ist ein zäher Prozess mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich spüre kein wirkliches Wollen. Doch der Film wird jetzt auf urdemokratische Weise in die Gesellschaft getragen. Hier organisieren die beiden Erlanger Lehrerinnen den Aktionstag. Und so kommt Publikum. Das spricht sich rum. Das übt Druck auf Sender aus. Irgendwann werden wir auf Sendung sein. Aber nicht um Mitternacht! Da werden wir mitreden!

Haben Sie keine Angst vor den Neonazis und vor Morddrohungen?

Ohlendorf: Der Film hat freilich mein Leben verändert, mehr Sicherheitsvorkehrungen und so. Aber es ist klar, dass ich und unser kleines Team Gesicht zeigen. Unser Gefahren-Potenzial ist zudem viel kleiner als das von Thomas. Wir müssen Signale in die Gesellschaft bringen. Wenn viele zum Ausdruck bringen: „Ihr kriegt uns nicht mit eurer Angstmacherei!“, dann ziehen sich die Nazis zurück.

Finden noch Konzerte statt?

Ohlendorf: Der Verfassungsschutz zählte 80 Nazikonzerte, aber es sind wohl mehr. Zum Vergleich: 2011 haben wir 180 gezählt, der Verfassungsschutz 120. Es hat sich kaum was geändert. Es wird nur schwieriger, die Wege dorthin zu finden. Die Nazis haben eine neue Strategie: Sie suchen sich jetzt auch kleinere Räume, zum Beispiel im Kleingartenverein oder Probenräume. Die Naziszene ist extrem beweglich wie ein Aal. Nazis gleiten einem schnell durch die Finger — und veranstalten wie im Film Schnitzeljagden zu den Konzerten. Nur über verdeckte Ermittler wie Thomas Kuban kommt man effizient an sie ran, nicht über V-Leute.

Dreht Thomas Kuban weiter?

Ohlendorf: Nein, er hat definitiv aufgehört. Zehn Jahre da drin reichen! Leider gibt es keinen Nachfolger. Das ist für die Naziszene ein dickes Plus.

Welche Ziele verfolgen Sie mit „Blut muss fließen“?

Ohlendorf: Wir wollen die Leute wachrütteln: „Wir haben ein Problem, schaut alle hin!“ Appell des Films ist: Wir müssen Hand in Hand gehen und sagen, dass wir keine Nazis wollen! Das sollte Konsens sein quer durch alle demokratischen Parteien.

Sie touren mit dem Film durch Deutschland und diskutieren mit Schülern und Erwachsenen. Welche Reaktionen haben Sie nach Filmvorführungen erlebt?

Ohlendorf: Es tauchten immer wieder spannende Fragen auf, etwa: „Was können wir machen?“ Auch im Nachhinein bekomme ich mit, dass sich viele junge Leute engagieren, zum Beispiel bei Bündnissen gegen rechts. Ein Bündnis musste nach der Vorführung unseres Films noch Wochen später an Schulen neue Aufnahmeformulare auslegen. Das Thema blieb! Das freut uns.



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