Vom Fahrradladen in Peking zum Winterball

15.1.2015, 17:18 Uhr
Vom Fahrradladen in Peking zum Winterball

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Ines, bitte erklären Sie uns das: Wieso kommen Sie aus Peking zum Winterball nach Nürnberg? Und was haben Sie mit der Uni Erlangen-Nürnberg zu tun?

Ines Brunn: Ich bin in Herzogenaurach und in den USA aufgewachsen und habe von 1995 bis 2001 in Erlangen Physik studiert. Nach meiner Diplomarbeit wusste ich zwei Dinge: 1. Ich will nicht Wissenschaftlerin werden und 2. Es macht mir Spaß, mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen zu arbeiten. Deshalb habe ich nach dem Studium bei einer Firma für Kommunikations- und Messtechnik gearbeitet und wurde auf eigenen Wunsch nach Peking entsandt.

Und dort sind Sie hängengeblieben, aber offenbar nicht als Physikerin.

Ines Brunn: 2009 habe ich mich in Peking mit dem Geschäft „Natooke“ selbstständig gemacht. Dort verkaufe ich sogenannte Fixies, das sind Fahrräder ohne Freilauf und mit nur einem Gang. Meine Firma hat 13 Mitarbeiter, und wir bauen pro Jahr etwa 600 Fixies ganz nach Kundenwunsch zusammen.

Warum gerade in Peking?

Ines Brunn: Ich habe selbst miterlebt, wie sich Peking immer mehr zu einer Autostadt entwickelt hat. In China steht heute das Fahrrad für Armut, und Autos gelten als Statussymbole. Die führen gerade in Großstädten wie Peking regelmäßig zu gesundheitsschädlichem Smog. Das tut mir in der Seele weh. Ich bin überzeugt, dass moderne, wohnliche Städte eine gute Infrastruktur für das Fahrrad haben müssen. Also habe ich vor sieben Jahren eine „Fixed Gear Bike“-Gruppe gegründet. In großen Metropolen nutzen Fahrradkuriere diese Fixies, die keinen Freilauf und nur einen Gang haben – und gelten als hip. Ein Freund meinte zu mir, wenn ich wirklich die Einstellung der Menschen ändern möchte, dann müsste ich einen Fahrradladen eröffnen, damit die Leute an diese stylishen Fahrräder kommen.

Welchen Bezug haben Sie denn zu Fahrrädern?

Ines Brunn: Ich habe schon mit 13 Jahren mit dem Kunstradfahren angefangen. Glücklicherweise hatte ich auch während des Studiums so viel Freiraum, dass ich diesen Sport intensiv betreiben konnte. 1998 bin ich übrigens bei „Wetten dass . . .?“ Wettkönigin geworden. Ich habe meine Wette gewonnen, bei der ich auf dem Lenker meines Fahrrads stehend einen Pfannkuchen gebacken habe.

Zurück zu Ihrem Physikstudium. Welche Bedeutung hat es für Ihr heutiges Berufsleben?

Ines Brunn: Das Studium hat mir sehr viel gegeben. Ich habe als Physikerin gelernt, Probleme von weiterer Entfernung zu betrachten und mir Lösungen für das Ganze zu überlegen. In meinem Job in der Firma waren fast alle direkten Kollegen Elektroingenieure. Ich bin an Probleme ganz anders herangegangen als sie, und das hat unserem Team und dem Geschäft viel gebracht. Diese Herangehensweise hilft mir auch heute als Unternehmerin. Und natürlich bringt technisches Verständnis etwas beim Design eines neuen Fahrradrahmens und bei der Frage, welche Materialien man für welche Teile verwenden kann. Ich habe es nie bereut, Physik studiert zu haben.

Welche Tipps haben Sie für andere Studierende, die sich selbstständig machen möchten?

Ines Brunn: Egal, was man studiert hat – es ist gut, etwas zu tun, was einem wirklich Freude macht. Ich mache jetzt das, was ich liebe. Und man sollte sich nicht davor scheuen, sich in einem fremden Land selbstständig zu machen. Das ist gar nicht viel schwieriger als in Deutschland.

Was vermissen Sie in China am meisten?

Ines Brunn: Ich vermisse das eigenständige strukturierte Arbeiten, den Fokus auf die Details und manchmal auch etwas Rücksicht. Als Unternehmerin wäre es mir sehr recht, wenn meine chinesischen Mitarbeiter selbstständiger arbeiten würden. Auch wird meist nicht so genau auf Details geachtet, wie ich das als Deutsche gerne hätte. Und die meisten Chinesen versuchen, sich in einen Fahrstuhl oder in die U-Bahn zu drängen, obwohl die anderen Leute noch nicht ausgestiegen sind.

Und was vermissen Sie gar nicht?

Ines Brunn: Zum Beispiel das Planen. Selbst mit Freunden muss man sich in Deutschland Wochen vorher verabreden. Hier geschieht alles spontaner. Das gilt teilweise auch für Geschäftsmeetings, die aber deswegen nicht qualitativ schlechter sind. Diese Spontanität geht oft einher mit pragmatischen Lösungen. Es sind vielleicht nicht die perfektesten Lösungen, doch beheben sie das Problem häufig viel schneller.

Zu guter Letzt noch die Frage: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an Ihr Studium in Erlangen zurückdenken?

Ines Brunn: Vor allem zwei Dinge: Ich saß damals in einer Vorlesung, die hieß „Unternehmerisches Denken für Physiker“. Da konnte ich noch nicht mal ahnen, dass ich eines Tages einen eigenen Laden haben würde, noch dazu in einem ganz anderen Land. Außerdem fällt mir ein, dass Physiker und Biologen zusammen im Südgelände sitzen – eine gute Idee, denn es mangelt bei den Physikern oft an Frauen und bei Biologen oft an Männern.

 

Karten für den Winterball der Hochschulen am 24. Januar in der Nürnberger Meistersingerhalle kosten für Studierende 20 Euro. Weitere Informationen stehen auf www.winterball.uni-erlangen.de

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