Schnöde Schlüssel waren früher

26.7.2020, 17:49 Uhr
Schnöde Schlüssel waren früher

© Foto: Thomas Tjiang

Wenn jemand mit Johann Hanek über Haustüren, Schlösser und Schlüssel spricht, kommt der Experte in ihm durch: Schlüssel und Schloss finden sich in alten Keller- oder auch Dachbodentüren, moderne Haustüren haben Schließzylinder, erklärt er. Hanek ist einer der beiden Geschäftsführer des Nürnberger Fachbetriebes Meusel & Beck.

Lange Zeit war der "Schlüsselladen" am Celtisplatz hinter dem Hauptbahnhof eine gute Adresse für Schließzylinder, Beschläge und Notdienstleistungen. Nun ist die Firma in ihren Neubau an der Fürther Stadtgrenze umgezogen. Das moderne Gebäude mit einer Fläche von rund 1200 Quadratmetern illustriert gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des Betriebes.

QR-Code am Handy öffnet Türe

Schnöde Schlüssel waren früher

© Foto: Thomas Tjiang

Die Schlüsselfirma hat sich längst zu einem Spezialisten für Sicherheitstechnik und Zutrittskontrollen entwickelt und entsprechende Lösungen verbaut. Videokameras etwa haben die Zufahrt und Parkplätze im Visier, Haneks Geschäftsführer-Kollege Norman Wurzer kann bei Bedarf an seinem Smartphone die Kamerabilder verfolgen. Angemeldete Besucher können auch einen QR-Code auf das Handy geschickt bekommen, damit sie sich am Türscanner selbst Zutritt verschaffen können.

Den guten alten Haustürschlüssel gibt es natürlich auch noch. In der jetzt vergrößerten Werkstatt sind Schlüssel an Schlüssel aufgereiht, es findet sich auch eine Auswahl für Wohnzimmerschränke und Rohlinge für Autos. Dort lassen sich verlorene Schlüssel an der Schlüsselfräse nachmachen, Ersatzstücke für Schließanlagen können an modernen computergesteuerten CNC-Maschinen reproduziert werden.

Wohin die Reise bei neuen Sicherheitskonzepten für Gebäude geht, zeigt der nun mehr als doppelt so große Showroom. Gerade für Unternehmen, Behörden oder auch Pflegeeinrichtungen finden sich Hightech-Lösungen, um die jeweiligen Wünsche zu erfüllen. Dabei geht es um mechatronische Schließanlagen, die mechanische und elektronische Elemente kombinieren.

Damit würden, so berichtet Wirtschaftsingenieur Hanek, beispielsweise an Nürnberger Schulen die Hausmeister entlastet, die nicht mehr morgens und nachmittags ihre Runden zum Auf- und Zusperren drehen müssten. Stattdessen öffne eine Software zu einer bestimmten Uhrzeit etwa die Klassenzimmer.

Auf dem Vormarsch in Büros sind statt Schlüssel elektronische Transponder mit einem sogenannten RFID-Chip. Damit können nach dem Prinzip "Wer darf wann wo rein?" auch die Zutrittsrechte geregelt werden. Das Ganze lässt sich mittlerweile über eine Datencloud steuern. Ändern sich Zutrittszeiten oder geht mal ein Transponder verloren, passt man das einfach in der Datenbank an.

Für Kaffee und Strom

Schnöde Schlüssel waren früher

© Foto: Thomas Tjiang

Im neuen Stammsitz von Meusel & Beck beispielsweise erlaubt der Transponder auch die Nutzung der E-Ladesäule auf dem Parkplatz, die Zeiterfassung oder die Nutzung der Kaffeemaschine. Das Geschäft von Meusel & Beck, das bereits 1901 als Metallwarenfirma in Nürnberg gegründet worden ist, hat sich entsprechend verändert.

Aus dem "früheren Schlosserbetrieb ist heute eine Firma mit Netzwerkspezialisten" geworden, berichtet Betriebswirt Wurzer. Unter den 38 Mitarbeitern finden sich auch Techniker für die Inbetriebnahme sowie Kaufleute und Ingenieure. Außerdem wird der Notdienst für sieben Tage die Woche sichergestellt.

Das Smartphone bekommt eine immer wichtigere Rolle. So kann beispielsweise ein Boardinghaus neue Mieter über eine App den Zugang zu Haus wie Zimmer ermöglichen. Für ambulante Pflegedienste bietet sich bei Hausbesuchen ein aktualisierter Zahlencode für die Haustür an oder eine Fernbedienung, um von innen ohne aufzustehen zu öffnen.

Kopien aus dem 3D-Drucker

Der Wettlauf der Betriebe mit Einbrechern um mehr Sicherheit fordert immer neue Lösungen. Bei mechanischen Systemen bestehe mittlerweile die Gefahr von "Schlüsselkopien aus dem 3D-Drucker", ergänzt Projektmanager Patrick Leitzmann. Darauf hätten Hersteller wiederum mit beweglichen Teilen am Schlüssel reagiert. Leitzmann kombiniert als Spezialist für elektronische Schließsysteme deshalb die Konzepte unterschiedlicher Hersteller für den individuellen Bedarf. "Kunden wollen immer weniger eine Lösung von der Stange."

Fingerscanner seien in der Praxis jedoch nicht weit verbreitet. Sicherer als diese Technik sei ein Handvenenscanner, der zugleich eine "Lebendprüfung" vornimmt, so die Experten von Meusel & Beck. In der Branche der Luftfracht seien indes Kontrollen à la "Wer war wann wie lange drin?" eine Minimalanforderung. Theoretisch wäre ein implementierter Chip zwischen Daumen und Zeigefinger denkbar.

"Planen, einbauen, schulen und warten können die vielen kleinen Schlüsseldienste nicht bieten", hebt Hanek hervor. Mit seiner Positionierung sei Meusel & Beck in Nordbayern einzigartig. Deshalb hofft der Geschäftsführer – trotz Corona – für dieses Jahr auf einen Umsatz von etwas über fünf Millionen Euro. Damit wäre das Vorjahresniveau erreicht.

Rund 90 Prozent des Geschäfts machten Unternehmen, Behörden und andere öffentliche Einrichtungen aus; der Rest entfalle auf Privatkunden, die mit Alarmanlagen, Videotechnik und Smart-Home-Lösungen ihr Eigentum besser schützen wollen. Wurzer sieht das Unternehmen am neuen Standort gut aufgestellt. In einem vergrößerten Lager finden sich dort rund 6000 Artikel. Einzig die Suche nach dem neuen Grundstück hat ihm zu lang gedauert: Fünf Jahre gingen dafür ins Land.

Keine Kommentare