Seid umschlungen Millionen

1.1.2019, 19:05 Uhr

Und immer wieder diese Frage: Mit welchem Werk kombiniert man Beethovens sinfonischen Schluss-Strich? Diesmal fiel die Wahl auf das motettenartige "Schicksalslied" von Johannes Brahms, das eine sehr eigentümliche Entstehung hat, aber sich wirklich als gute Ergänzung zur Schillerschen Ode eignet.

Brahms begann im Sommer 1868 mit der Arbeit am "Schicksalslied" als er seinen Freund Albert Dietrich, seinerzeit Hofkapellmeister in Oldenburg, besuchte. In Dietrichs persönlicher Bibliothek entdeckte er Friedrich Hölderlins Gedicht "Hyperions Schicksalslied". Schon während eines gemeinsamen Ausflugs nach Wilhelmshaven, wo Brahms unbedingt den neuen Marinehafen kennenlernen wollte, machte er sich an die Komposition. Er steckte so voller Ungeduld, dass eine anschließende Visite im Neuenburger "Urwald" ausfiel und Brahms sofort in die Hamburger Komponierstube eilte.

Dem LGV und den Symphonikern gelang unter Kahchun Wong eine delikate, gänzlich unpathetische Wiedergabe der Hölderlin-Vertonung, die neben dem "Deutschen Requiem" in ihrer Melodie- und Harmoniefindung den Höhepunkt in Brahms’ Chorschaffen darstellt.

Ganz anders geriet die d-moll-Sinfonie. Hier ging es dem Dirigenten eindeutig darum, Beethoven als Ausschöpfer der Extreme und auch vokalen (Un-)Möglichkeiten zu zeigen. Eine Musik, die sich nicht mehr am Machbaren, sondern am Gewollten orientiert. In den ersten drei Sätzen fügen sich die Motivpartikel zusammen, die das berühmte "Freuden"Thema bilden, das den Komponisten bereits so viele Jahre beschäftigte.

Beethoven mit geballter Faust

Offenbar ging es Wong auch darum, den Kampf und das Ringen darzustellen, aus dem die sinfonische Anlage geboren wurde. Selten habe ich einen Dirigenten gesehen, der Beethoven so anhaltend mit geschlossener Faust lenkt, wie der Mann aus Singapur. Er legte die Architektur des Stückes frei, allerdings bei Verlust des emotionalen Gehalts.

Im Finale wurde es ganz massiv: Die Solisten hatten Mühe, sich gegen die orchestrale Wucht zu behaupten, machten aber das beste daraus. Sopranistin Corinna Schreiter war äußerst kurzfristig für die erkrankte Susanne Bernhard aus der Zionshalle in Gunzenhausen herbeigeeilt und rettete so mit Rebecca Martin (Alt), Philip Carmichael (Tenor) und Thomas Jesatko (Bass) die Aufführung.

Der verstärkte LGV zeigte in diesem Chormarsch beachtliches Stehvermögen und Klangkultur (was für die Arbeit von Tarmo Vaask spricht, der heuer auch den Nachfolge-Chor der Bamberger Symphoniker übernimmt). Angesichts dieser aufgetürmten Klangmassen nahmen sich die geschmacklosen Blumengebinde, die das Podium flankierten, noch mickriger aus.

Keine Kommentare