Vergewaltigung oder Verführung?

So wird der Stuttgarter "Tatort" an Neujahr

31.12.2021, 05:55 Uhr
Kim Tramell (Ursina Lardi) steht im Mittelpunkt der Ermittlungen der Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, l) und Sebastian Bootz (Felix Klare)

© Benoit Linder, dpa Kim Tramell (Ursina Lardi) steht im Mittelpunkt der Ermittlungen der Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller, l) und Sebastian Bootz (Felix Klare)

Weihnachtsfeier in einem Stuttgarter Versicherungskonzern: Beste Stimmung mit Alkohol, Karaoke und Flirts. Am nächsten Morgen liegt einer der Mitarbeiter, Idris Demir (Ulas Kilic), tot im Foyer. Für Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klahre) geht es fortan um die Frage, wer ihn umgebracht hat. Dabei spielt ein „Videobeweis“ (so der Titel der Folge am Neujahrstag, 20.15 Uhr, ARD) eine entscheidende Rolle. Nur ist die Frage, wie man den interpretiert. . .

Und nein, dabei geht es nicht um Fußball, sondern um Sex – zwischen Konzernchef Oliver Jansen und seiner Mitarbeiterin Kim Tramell. Im Büro. Nach der Weihnachtsfeier. Wurde sie vergewaltigt, wie sie behautet? Oder er verführt, wie er angibt? Wer ist Täter, wer Opfer? Und wer wollte wen erpressen? Demir jedenfalls, der mit Tramell um eine zu vergebende Führungsposition konkurriert, hat das Ganze gefilmt.

„Siehst du da eine Vergewaltigung?“: Wieder und wieder sichten die Kommissare das Video, spekulieren über weibliches Sexual- und Karriereverhalten und sind heilfroh, mit der jungen Praktikantin wenigstens eine Frau im erweiterten Team zu haben.

Dieser Metoo-„Tatort“ nimmt sich der Problematik differenziert an, zeichnet die Hauptfigur mit einer selbstbewussten Frau in den Wechseljahren alles andere als klischeehaft und sät Zweifel in die eine wie in die andere Richtung bei der Frage, wem zu glauben ist. Ursina Lardi ist eine starke Besetzung in der Hauptrolle, und Oliver Wnuk kann als Oliver Jansen zeigen, dass er nicht nur tapsige Typen spielen kann (wie in „Nord Nord Mord“)

En passant wird in dem sehenswerten Fall der Personalmangel bei der Polizei, die neuerdings begrenzten Aufstiegschancen von alten weißen Männern, die Folgen von Dauer-Homeoffice auf Paare und der Kampf der Jugend um das Klima angerissen. Ein Krimi also, der sich bewusst nah am Zeitgeist zeigt, der die Zuschauer zwingt, ganz genau hinzuschauen und die Spannung hält. Guter Jahresauftakt für die „Tatort“-Reihe!

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