Ein Nothelfer für Nürnberg

"14.000 Informationen in zehn Stunden": So will Weinzierl den Club aus der Krise führen

Andreas Pöllinger

Sport-Redaktion

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4.10.2022, 15:15 Uhr
"Sehr geiler Verein" sagt der neue Trainer Markus Weinzierl über seinen neuen Verein. Links FCN-Sportvorstand Dieter Hecking, rechts Pressesprecher Christian Bönig.

© Daniel Löb, dpa "Sehr geiler Verein" sagt der neue Trainer Markus Weinzierl über seinen neuen Verein. Links FCN-Sportvorstand Dieter Hecking, rechts Pressesprecher Christian Bönig.

Kurz schien Markus Weinzierl unsicher ob des aktuellen Tabellenstandes seines neuen Arbeitgebers. Wie auch immer. Es gelte nun, den Club "zu stabilisieren, zu verbessern und Schritt für Schritt nach vorne zu bringen". Die große Aufmerksamkeit, die bei dieser Unternehmung auf ihm liegt, konnte Weinzierl am Tag seiner Vorstellung schon wahrnehmen. Der kleine Presseraum am Valznerweiher? War ebenso gefüllt wie der digitale Raum, über den zugeschaltete Sportjournalisten erste Auskünfte von Nürnbergs Krisenmanager verlangten.

Leicht wird's nicht

Eine Vorstellung davon, wie der 47 Jahre junge Fußballlehrer die akute Formschwäche des auf Platz 14 des Zweitliga-Klassements abgerutschten Altmeisters beheben möchte, vermittelte Weinzierl am Neuen Zabo dann auch prompt. Auch wenn die Aufgabe, die der gebürtige Straubinger in Nürnberg angenommen hat, nach dessen Einschätzung "keine einfache ist".

Club-Kapitän Christopher Schindler hatte nach der besorgniserregenden 0:3-Niederlage in Karlsruhe, die Weinzierl-Vorgänger Robert Klauß letztlich den Job kostete, ein Mentalitätsproblem ausgemacht. "In einer normalen Spielwoche danach eine Mannschaft zu übernehmen, ist schwer". Er selbst, sagte Weinzierl, habe am Dienstag "die Jungs aber als positiv und offen kennengelernt". Aufgrund der nicht vorhandenen Konstanz in den vergangenen Wochen wären diese freilich enttäuscht. Die vorhandene Qualität und einen neuen Erfolgshunger gelte es nun "herauszukitzeln, einzufordern, vorzuleben und in Trainingsformen zu fördern", erklärte Weinzierl. Angekommen ist der neue Coach des Altmeisters dabei bereits mit einer kurzen Ansprache. "Wenn man vom Feld geht mit dem Gefühl, 110 Prozent gegeben zu haben, gibt es normalerweise auch das das richtige Ergebnis", gab der Neu-Nürnberger einen Auszug aus dieser.

"Kein Ruhmesblatt"

Markus Weinzierl – in Regensburg und Augsburg einst Shootingstar der deutschen Trainerszene, auf Schalke und in Stuttgart gescheitert und nach seiner erfolgreichen Rettungsmission im vergangenen Sommer in Augsburg nicht willig, den Fuggerstädter weiter zu helfen – sieht seine Rolle bei den Rot-Schwarzen natürlich erst einmal als Nothelfer. Er müsse sich schnell "ein Bild machen und Lösungen finden". Am Sonntag, wenn der nun von ihm angeleitete FCN im Heimspiel gegen Kiel die Kurskorrektur schaffen will, müsse jeder anpacken. "Ein Trainerwechsel ist kein Ruhmesblatt, das nagt auch an den Spielern. Jeder einzelne ist beim Club nun gefordert, dass wir es zusammen wieder in die richtige Richtung bringen", sagte Weinzierl.

Den schwarzen Club-Sonntag in Karlsruhe, als Nürnberg in die völlig falsche Richtung steuerte, hat Weinzierl nur am Fernseher verfolgt. Auffällig war, sagt er, dass der FCN erneut Probleme hatte, gegen robustere Mannschaften dagegenzuhalten. Dass sie es besser können, steht derweil außer Frage, findet der neue Club-Coach, der noch offenlässt, wer ihm bei der Offenlegung des vorhandenen Potenzials im Trainerstab künftig assistieren wird.

Die T-Shirt-Anprobe folgt

Als Rückschritt empfindet der erstligaerprobte Coach, der 2014 zum Trainer des Jahres gewählt wurde, sein Engagement beim FCN derweil "definitiv nicht". Auch wenn Weinzierl noch kein T-Shirt mit einem Club-Emblem auf der Brust angehabt hat, nennt er Nürnbergs Fußball-Repräsentant einen "sehr geilen Verein, einen Traditionsverein, der lebt". Diesen aus seinem neuerlichen Zweitliga-Tief zu führen, bezeichnet der Niederbayer als "große Herausforderung".

Der Einstieg am Valznerweiher? Wäre trotz oder gerade wegen der allerorten zu spürenden Unzufriedenheit sehr angenehm gewesen. Kannst Du es besser machen? Das habe er sich gefragt, berichtet Weinzierl, und mit Ja beantwortet. Sportvorstand Dieter Hecking hatte auf der Rückfahrt aus Karlsruhe den einstigen Erfolgscoach angerufen. Der sich seinerseits mit Golfschlägern und dem in Nürnberg wohlbekannten Hansi Dorfner auf dem Weg nach Italien befand. Weinzierl bremste. Besprach sich mit seiner Frau. Und entschloss sich umgehend, die "sehr reizvolle Aufgabe" anzunehmen.

Acht Spiele, sieben plus Pokal, hat der nun von Markus Weinzierl trainierte Club bis Weihnachten noch vor der Brust. Nürnbergs neuer Kommandogeber, der am 28. Dezember Geburtstag hat, soll den FCN bis zum Fest zurück in die Spur setzen. "Mit seiner Erfahrung, Gelassenheit und Ruhe der Mannschaft Stabilität einverleiben", sagt Dieter Hecking, dessen einziger Anruf auf der Rückfahrt aus Karlsruhe gleich ein erfolgreicher war. "Die 14.000 Informationen aus den letzten zehn Stunden" gilt es für Weinzierl nun zu kanalisieren.

Knallharter Drahtleger

Nach dem Trainerwechsel wären, so hat es der neue Club-Coach wahrgenommen, "alle sensibilisiert". Die Spieler würden sich auf den neu ausgerufenen Konkurrenzkampf einlassen. "Diese Chance wollen wir nutzen", sagt Weinzierl. Er sei kein Trainer, der ein Spielsystem als neuer Coach über eine Mannschaft stülpen würde. Er wolle vielmehr einen guten Plan entwickeln, den das Team mit 100 oder 110 Prozent umsetzt. "Der Club hat Qualität, die wollen wir herauskitzeln", erklärt Nürnbergs neuer Qualitätskontrolleur, der das Wort "Herauskitzeln" da schon drei oder vier Mal gebraucht hat.

Er selbst? Könne in seinen Entscheidungen "knallhart" sein. Ihm sei es aber auch wichtig, einen Draht zu den Spielern zu haben, beschreibt sich Weinzierl als Trainertyp. Die Aufgabe gegen Kiel, die Zeit zur Vorbereitung ist kurz, benennt Nürnbergs Coach derweil schon spürbar engagiert. Man wolle und werde aus der eigenen Stärke heraus agieren, verspricht Weinzierl, der im Laufe der Saison diese Stärke schon einige Male gesehen haben will.

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