"Wir melden uns vom Abgrund"

Buchpräsentation in Nürnberg: Der Club, der Abgrund und Günther Koch

5.10.2021, 14:33 Uhr
Am Mittwoch feiert die Biografie über Günther Koch "Wir melden uns vom Abgrund" Premiere.

© imago sportfotodienst, imago/Bernd Müller Am Mittwoch feiert die Biografie über Günther Koch "Wir melden uns vom Abgrund" Premiere.

Günther Koch ist besonders. Darüber sind sich auch die, die sich an ihm reiben, seit jeher einig. "50, 70 oder 80 Lobeshymnen" - Günther Koch weiß es selbst nicht genau - finden sich in dem 333 Seiten plus Bildteil starken Buch, das Jürgen Roth über ihn geschrieben hat. Am Mittwoch ab 18.30 Uhr wird es die Stimme Frankens im Restaurant Gutmann unter Berücksichtigung der 3G-Regeln vorstellen. Natürlich mit dem Autor des Buches, das laut Klappentext "ein Mosaik aus Lebensgeschichte, Reportage, Oral History und Medienhistorie" ist. Und eben auch diese 50, 70 oder 80 Lobpreisungen miteinschließt. Aussagen, welche die Reporter-Legende als ein bisschen "peinlich, aber trotzdem schön" empfindet.

"The German Voice of Football" und "den besten Fußballreporter seit Adam und Eva", auch "einen Bilderbuchtor-Rapper" nannte man Günther Koch in (inter-)nationalen Medien und Fanmagazinen etwa. Als "Evangelist, Blaskapelle und Stadionsprecher" bezeichnete die SZ nur allzu gut den inzwischen 79-Jährigen, der Generationen von Club-Fans mit seinen mitreißenden und emotionalen Reportagen an die Radiogeräte fesselte. Sozialisierte. Und dies - wie in der jüngeren Vergangenheit - immer noch tut, auch bei Einsätzen für das altmeisterliche Fanradio, als Stimme Frankens.

Die lila Eckfahne

"Einer, der sich allen Kategorien entzieht", das war und ist - so von der FAZ festgehalten, findet auch GüKo - wohl die beste Beschreibung des Reporters Günther Koch. Der Kult-Kommentator ließ die FCN-Fans über Jahrzehnte hinweg mit ihrem Lieblingsclub jubeln und leiden, malte Bilder ins Radio. Mit einzigartiger Stimm-Modulation, Rhythmus und sprachlicher Virtuosität transportierte er die Spiele in die Wohn- und Kinderzimmer, in die Autos, Garagen und Redaktionsstuben. Koch nahm die Menschen 1989 mit auf den schneebedeckten Rasen des Nürnberger Stadions, als Brunner, Türr, Dusend und Kristl die Bayern einseiften.

Dass das im Kunstmann-Verlag erschiene Buch über Günther Koch "Wir melden uns vom Abgrund" heißt, überrascht nicht. Und bezieht sich auf das andere Extrem des in seiner triumph- und tränenreichen Geschichte ja so oft zwischen Inferno und Paradiespforte wandelnden FCN. Auf die legendäre ARD-Bundesligaschlusskonferenz 1999. Darauf, wie der in Teilzeit beschäftigte Lehrer die Menschen im BR am letzten Spieltag gegen Freiburg mitnahm an den Rand des Fußball-Abgrunds. An die Club-Klippe, über die Nürnbergs Herz- und Schmerzverein beim dramatischsten aller Club-Abstiege dann auch stürzte.

"Ich pack das nicht. Ich halt das nicht mehr aus. Ich will das nicht mehr sehen." Koch sah sich seinen Club nach 1999 noch oft an. Und tut es weiterhin - immer sogar eigentlich. Geboren in Posen und aufgewachsen in Oberbayern ist Koch, wie er selbst einmal sagte, seit vielen Jahren "Überzeugungsfranke". Von 2011 bis 2020 sah sich Koch nicht nur den FCN an, sondern als Aufsichtsrat unmittelbar in ihn hinein. Umtriebig und unbequem. Fordernd, fördernd und so engagiert wie seine Reportagen. Zugewandt, loyal und kritisch. Auf dem Trainingsgelände, bei den Fan-Clubs, beim Journalistenfußball, in den Stadien. Mit Akribie, Arbeitseifer und dem Wissen als Lehrer und Reporter darum, dass Vorbereitung entscheidend ist. Man auch nur dann etwas parat hat, wenn "die Eckfahne lila wird".

"Dann mach's doch im Radio"

Vorbereitet darauf, Fußballreporter zu werden, hatte sich Koch schon früh. Und gleichzeitig, sagt GüKo, hatte er den Fußballreporter schon immer in sich. Lehrer oder Reporter – als "Traumvariante" ging dann beides. Für einen Mann, der beim CVJM in München, in Ferienheimen, in der Schule in Schwabing, eigentlich immer schon Fußballspiele kommentiert hatte. "Dann mach’s doch im Radio", schlug die ältere seiner beiden Töchter, Martina, vor. Und das machte er dann auch. Nach einer mutigen Initiativbewerbung von 1976 an für den Bayerischen Rundfunk.

"Nüchterner, nicht so für den Club", sollte er berichten, sagte man ihm. Er machte es, wie er es machte. Wie er es wollte. "Ich habe mir die Freiheit genommen, so zu reden wie ich will und zu sagen, was mir einfiel", erklärt Koch. Flüsternd, schreiend, verzweifelt. Mit dem richtigen Riecher für überraschende Wendungen und Spielverläufe. Als wortgewaltiger Feuerwerker. "Parteiisch, aber neutral, was widersprüchlich klingt, es aber nicht ist", sagt Koch.

Rund um den Club hat man sich trotzdem oft an ihm gerieben. Auch ein böser Fan-Brief findet sich folglich neben Interviews mit Weggefährten wie Manni Breuckmann oder Fritz von Thurn und Taxis in dem Buch, das Günther Koch und Jürgen Roth am Mittwoch im Gutmann vorstellen werden. Es wird, verrät Koch, Überraschungen geben. Und mindestens einen Strafstoß. An einem sicherlich besonderen Abend.

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