Zengers Taktiktafel beleuchtet die Club-Saison

Die offensive Revolution beim FCN blieb aus

18.5.2022, 15:07 Uhr
Glückwunsch, Torschützenkönig: Um Nürnbergs erfolgreichster Angreifer zu werden, langten Nikola Dovedan (re.) sieben Treffer.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr Glückwunsch, Torschützenkönig: Um Nürnbergs erfolgreichster Angreifer zu werden, langten Nikola Dovedan (re.) sieben Treffer.

In "Bengalische Tiger", jenem Lied seines Lieblingskünstlers Marteria, das Robert Klauß – aufgrund der Rückkehr der Ultras in die Stadien – als Zusammenfassung der Saison wählte, findet sich die Zeile "Evolution wird mit R geschrieben". Ein Textstück, das in gewisser Weise tatsächlich passend für den 1. FC Nürnberg der Spielzeit 2021/22 ist. Denn eine gewisse Evolution fand statt, die Revolution blieb aber aus.

Im Vergleich zur Vorsaison ist der Ballbesitz etwas gestiegen, von 47,5 Prozent auf 48,9 Prozent im Schnitt. Die durchschnittliche Ballbesitzphase ist jetzt 13,3 Sekunden lang, im Vorjahr waren es noch 12,9. Es gab also in dieser Saison mehr Spiele, in denen der FCN den Ball häufiger hatte als der Gegner. Das stellt schon eine gewisse Evolution dar.

Man konnte den Anteil der Ballbesitzphasen, die länger als 15 Sekunden dauerten, leicht steigern, war dafür aber bei Konterangriffen deutlich ungefährlicher. 2020/21 erzielte der Club zehn Kontertore, 2021/22 nur noch eines. Hierfür kann nicht allein die etwas erhöhte Ballbesitzzeit als Erklärung herhalten, und auch, dass der FCN in Folge des leicht dominanteren Ansatzes seltener zum Kontern kam – etwa ein halbes Mal weniger pro Spiel – reicht nicht als Erklärung. Vielmehr fehlte dem Club seit dem langfristigen Ausfall von Felix Lohkemper Tempo in der Offensive, was die Transfers von Shawn Blum und Erik Wekesser womöglich etwas beheben könnten.

Geringe Chancenqualität

Überhaupt bleibt die Offensive die Problemzone des FCN. Die Chancenqualität ist im Vergleich zum Vorjahr kaum besser geworden. Die leicht erhöhte Anzahl von Toren ist allein dem geschuldet, dass der Club häufiger aufs gegnerische Tor geschossen hat. Auch hier liegt also nur Evolution, nicht Revolution vor.

Das größte Manko blieb das Kreieren von Chancen. Von den Teams aus der oberen Tabellenhälfte hatte der Club die geringste Chancenqualität und damit verbunden auch den geringsten expected Goals-Wert. Dabei ist auffällig, dass der Club mit zwölf Fernschusstoren anteilig die meisten Tore aus der Distanz erzielte. Da der Club auch am häufigsten von außerhalb des Strafraums abschloss, überrascht das nicht. 47 Prozent der Abschlüsse waren Weitschüsse, ungefähr so viele wie in der Vorsaison.

Obwohl viele Angriffe des FCN damit vor dem Strafraum endeten, hat er die Anzahl der Ballkontakte im Strafraum im Vergleich zur Vorsaison tatsächlich signifikant und nicht nur evolutionär erhöht. Dennoch kommt man im Ligavergleich noch zu selten im Strafraum an den Ball. 17,2 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum pro 90 gespielten Minuten stellen nur den zehntbesten Wert der Liga dar. Wie wichtig es ist, im gegnerischen Strafraum an den Ball zu kommen, zeigt sich daran, dass die ersten drei der Tabelle auch die ersten drei dieser Wertung sind.

Wo der Club dagegen zu den besten Teams der Liga gehört, ist im Dribbling. Nur Kiel und Regensburg schließen mehr Dribblings erfolgreich ab. Gepaart mit der Tatsache, dass die Pässe für Raumgewinn nicht unbedingt die Stärke des FCN sind, ergibt sich das Bild einer Mannschaft, die gern in entscheidenden Momenten mit dem Ball läuft, der es aber in Strafraumnähe noch an Präzision mangelt.

Wintzheimer weckt Hoffnungen

Ein Manko, das Neuzugang Manuel Wintzheimer tatsächlich beheben könnte. In der abgelaufenen Saison gehörte der 23-Jährige – auch wenn man seine geringe Einsatzzeit als Einschränkung ebenso bedenken muss wie das Hamburger Spielsystem – zu denjenigen in der Zweiten Liga, die auf viele Pässe in den Strafraum kamen und auch mit dem Ball am Fuß in den Sechzehnmeterraum eindringen konnten.

Wenn die Verantwortlichen beim FCN noch eine Schwachstelle verbessern wollen, dann böte sich das Kopfballspiel an. Gerade im Kopfballspiel in offensiven Positionen war nur Absteiger Aue schwächer einzuschätzen.

Damit ist nicht der freie Kopfball im gegnerischen Strafraum gemeint – hier war der Club mit zwölf Treffern (Vorjahr: 13) tatsächlich die viertbeste Mannschaft – sondern das Kopfballduell im Angriffsdrittel mit Rücken zum Tor. Teilweise war das gewollt, weil man den Fokus auf das Erobern des zweiten Balles legen wollte, teilweise war man aber auch einfach unterlegen.

Hier wäre tatsächlich eine Evolution mit R wünschenswert. Dann könnte der Titel des Albums, auf dem "Bengalische Tiger" erschienen ist, auch zum Programm für den FCN werden: Zum Glück in die Zukunft II.

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