"Gehirnerschütterungen sind keine Bagatelle"

Kopftreffer bei Krauß: Sollen Fußballer künftig Helme tragen?

27.10.2021, 11:40 Uhr
Schockmoment hinter Sichtschutz: Ersthelfer kümmern sich um Tom Krauß.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Schockmoment hinter Sichtschutz: Ersthelfer kümmern sich um Tom Krauß.

Im Luftduell krachen der Nürnberger Tom Krauß und Miro Muheim vom Hamburger SV zusammen. Krauß sinkt hart getroffen sofort zu Boden, Muheim hält sich die Stirn. Schiedsrichter Bastian Dankert winkt im DFB-Pokal-Fight am Dienstagabend sofort die Ärzte herbei. Krauß liegt vorübergehend regungslos auf dem Rasen. Erneut sorgt ein Kopftreffer im Fußball für einen Schockmoment und befeuert die Debatte über die Risiken im Luftkampf.

Mit bandagiertem Kopf gab Krauß während seiner Auswechslung kurz nach der Halbzeit noch auf der Trage mit Daumen hoch Entwarnung. "Danke für die ganzen Genesungswünsche. Mir geht es gut", schrieb der 20-Jährige am Mittwochmorgen in den Sozialen Medien.

Nichts Schwerwiegendes?

"Es war ein Schockmoment für die Spieler, die drumherum standen", berichtete am Abend zuvor sein Trainer Robert Klauß, der selber auf den Rasen zu seinem verletzten Spieler gerannt war. Die Spieler hatten während der beängstigenden Szene einen Sichtschutz geformt.

In Sorge: Robert Klauß auf dem Weg zu seinem verletzten Spieler Tom Krauß. 

In Sorge: Robert Klauß auf dem Weg zu seinem verletzten Spieler Tom Krauß.  © Sportfoto Zink / Daniel Marr, Sportfoto Zink / Daniel Marr

Was genau ist Krauß bei dem Zweikampf passiert, der im Fußball keine Seltenheit ist? "Es sieht erst mal nicht aus, als wenn es etwas Schwerwiegendes ist", meinte Klauß in einer ersten vagen Einschätzung nach dem Aus im Elfmeterschießen. Es werde sich aber sicherlich um eine schwerere Gehirnerschütterung handeln.

Zusammenprall nach Schädelverletzung

Solche Fälle kommen immer wieder vor. Erst am Montag hatte sich Felix Götze vom 1. FC Kaiserslautern verletzt. Nach einem Zusammenprall im Spiel gegen den MSV Duisburg erlitt der Bruder von Weltmeister Mario Götze eine Gehirnerschütterung. Es war nicht seine erste Kopfverletzung. Mitte August hatte sich Götze einen Haarriss im Schädel zugezogen und lag zunächst auf der Intensivstation.

"Gehirnerschütterungen sind keine Bagatelle", betitelten Tim Meyer und Thomas Hauser ihren jüngsten Gastbeitrag im Kicker. Meyer ist Vorsitzender der Medizinischen Kommissionen des DFB und der Uefa, seit 2001 ist er auch Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft. Hauser wiederum ist Leiter des Medizinischen Zentrums auf dem DFB-Campus und Mitglied der Medizinischen Kommission.

Anpassungen im Regelwerk?

"Wer mit einer Gehirnerschütterung weiterspielt, riskiert eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion. Außerdem existieren Hinweise, dass bei zu früher Rückkehr auf den Platz weitere Verletzungen drohen, weil die fußballspezifische Koordination eingeschränkt sein kann", schrieben die Ärzte von zwei neueren Erkenntnissen.

Die Regelhüter des Fußballs befassen sich längst mit dem Crash und dem Kopf. So stand beim International Football Association Board (Ifab) am Mittwoch auch eine Studie über Gehirnerschütterungen im Fußball auf der Tagesordnung.

3,5-mal höheres Risiko

Die Deutsche Fußball Liga kennt ebenfalls das sensible und wichtige Thema. Seit der Saison 2019/20 gibt es in beiden deutschen Topligen ein so genanntes Baseline-Screening. Dabei werden vor der Saison neurologische Tests durchgeführt, um bei akuten Verletzungen die mögliche Abweichung vom gesundheitlichen Normalzustand festzustellen.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in Weimar verwies erst vor wenigen Tagen auf eine Studie aus Schottland, wonach Profifußballer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein 3,5-mal höheres Risiko haben, im späteren Leben eine neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln. Das bedeutet, dass Nervenzellen zugrunde gehen. Als Konsequenz wurde daher ein Kopfschutz ins Spiel gebracht.

"Erst, wenn es schon passiert ist"

Es gibt längst Spieler, die einen Helm tragen - allerdings nicht aus Gründen der Vorsorge. Der frühere tschechische Weltklassetorwart Petr Cech hatte sich nach einem Schädelbruch bereits 2006 dazu entschieden, im Einsatz für den FC Chelsea und später FC Arsenal immer einen Kopfschutz zu tragen.

In Deutschland griff Mittelfeldspieler Klaus Gjasula zu einem Helm, weil er sich 2013 bei einem Zusammenprall den rechten Jochbogen gebrochen hatte. Der heutige Profi des SV Darmstadt meinte aber schon vor längerer Zeit: "Der Mensch handelt erst dann, wenn es schon passiert ist, nicht davor."

6 Kommentare