Teil zwei des großen Interviews zum Saisonstart

Wolf: "Junge Spieler werden heute einfach zu sehr verhätschelt"

13.8.2021, 06:01 Uhr
„Wir haben versucht aufzuholen, was aufzuholen war: Andreas Wolf (rechts) und sein Assistent Andy Nägelein.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / OGo „Wir haben versucht aufzuholen, was aufzuholen war: Andreas Wolf (rechts) und sein Assistent Andy Nägelein.

Das heißt: Früher war es schöner?

Wolf: Was heißt schöner? Ich denke, Du wurdest schneller selbstständig. Heute werden die jungen Spieler einfach zu sehr verhätschelt, es wird ihnen zu viel abgenommen. Deshalb brauchen sie auch länger, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln, um zu reifen. Aber natürlich geht es jetzt insgesamt viel professioneller zu als damals.

Ein bisschen old school kann also nicht schaden?

Wolf: Disziplin ist immer wichtig, ob das old school ist oder nicht, kann ich nicht sagen.

Was verstehen Sie unter Disziplin?

Wolf: Wieder einfache Sachen. Dass auf dem Vereinsgelände des 1. FC Nürnberg gegrüßt wird zum Beispiel, dass die Jungs auch an Passanten nicht einfach vorbeilaufen. Dass sie nicht glauben, die Größten zu sein.

Müssen Sie hin und wieder auch mal laut werden, um durchzudringen? Können Sie das überhaupt?

Wolf: Natürlich kann ich laut werden. Es ist aber meine Art, etwas leise zu regeln oder zu erklären. Aber wenn mir der Kragen platzt, dann müssen sich die Jungs schon warm anziehen.

Mussten Sie das lernen? Laut zu werden?

Wolf: Nein, auch als Spieler bin ich auf dem Platz laut geworden, wenn mir irgendetwas nicht gepasst hat. Und so bin ich auch noch als Trainer. Wenn irgendwas nicht passt, müssen die Jungs das natürlich auch mitbekommen. Wenn sie alles geben, alles versuchen, ist es eben manchmal so.

Gibt es in Ihrer Mannschaft Spieler, die noch keinen Berater haben?

Wolf: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Wenn überhaupt, werden es aber nicht viele sein.

Hatten Sie damals einen, mit 18, 19?

Wolf: Ja, da hatte ich schon einen.

Wie finden Sie die Entwicklung? Neulich, gegen Heidenheim, standen erstaunlich viele Berater hinter der Bande. Bei einem Testspiel.

Wolf: Mittlerweile sind es einfach zu viele. Früher gab’s vielleicht eine Handvoll. Grundsätzlich sind Berater ja in Ordnung. Wenn junge Spieler den Sprung nach oben schaffen, brauchen sie auch jemanden, der sich auskennt, der weiß, wie Verträge gemacht werden, welche Zahlen da aufgerufen werden. Es gibt gute Berater, es gibt aber natürlich auch andere.

Sagen Sie das ihren Spielern auch: Passt auf, mit wem ihr euch einlasst?

Wolf: Das muss jeder für sich entscheiden, da mische ich mich auch nicht ein. Wenn irgendeiner irgendwelche Probleme hat, helfe ich. Meine Tür ist immer offen. Die Jungs können immer zu mir kommen.

Von welchem Trainer haben Sie am meisten gelernt? Gibt’s vielleicht sogar ein Vorbild? Wahrscheinlich müssen Sie jetzt Hans Mayer sagen.

Wolf: Klaus Augenthaler war mein erster Trainer bei den Profis. Bei ihm habe ich die Viererkette so richtig gelernt. Ja, man kann schon sagen, dass er mir die Viererkette beigebracht hat. Taktisch waren wir jungen Spieler damals nicht so gut ausgebildet. Trotzdem hatten wir immer Ordnung auf dem Platz. Weil jeder wusste, was er zu tun hatte. Hans Meyer stand für Disziplin, er hat mich gezähmt. Dieter Hecking war für unsere junge Mannschaft damals ein sehr guter Trainer. Thomas Schaaf ließ in Bremen sehr offensiv spielen, mit einer weit aufgerückten Viererkette, damit musste ich auch erst mal klarkommen. Und Claudio Ranieri in Monaco? Taktisch ein typischer Italiener. Ich konnte bei jedem etwas für mich rausziehen.

Wie entsteht die ihre eigene Idee? Welchen Fußball möchten Sie spielen lassen?

Wolf: Zuerst schaue ich mir mal meine Jungs an. Wer kann wo spielen? Daran ausgerichtet wähle ich die Taktik, die sich an den Spielern orientieren muss und nicht umgekehrt. Habe ich viele schnelle in meiner Mannschaft, muss ich natürlich versuchen, oft in die Tiefe zu kommen oder über die Außenbahnen. Wenn ich vorne einen Jan-Koller-Typ habe, versuche ich, ihn so anzuspielen, dass er den Ball erst mal festmacht.

Was für Spieler haben Sie? Der erste Eindruck: Viele kleine, quirlige, schnelle, aber körperlich nicht durchweg robust.

Wolf: Aber sehr giftig! Im Spiel verschwimmen die Systeme sowieso. Für mich ist wichtig, dass wir schnell in die Ordnung kommen, vor allem gegen den Ball. Und dass jede Position besetzt ist. Mir ist es egal, ob ein Innenverteidiger im Sturm auftaucht, solange dann eben der Stürmer als Innenverteidiger aushilft.

Am Samstag geht los: eine Bundesliga-Runde mit sieben Absteigern.

Wolf: Ja, das wird knackig. Gegen jeden Verein haben wir nur ein Spiel, insgesamt also 20, eine einfache Runde. Für uns gilt es, so schnell wie möglich genug Punkte zu holen, um befreit aufspielen zu können, ohne Abstiegssorgen. Außerdem kann ja niemand sagen, wie sich die lange Corona-Pause auswirkt.

Fast ein Jahr kein Wettkampf – merkt man das als Trainer?

Wolf: Das merkt man schon, ja. Wir durften mehr oder weniger ein Jahr durchtrainieren, nur eben ohne Spiele. Für den Kopf war das eines Tages extrem schwierig. Die Jungs fragten sich: Für was machen wir das eigentlich alles? Irgendwann hat auch die Spannung gefehlt. Man trainiert, aber nicht auf ein Ziel hin.

Also waren Sie auch als Mentalcoach gefordert?

Wolf: Natürlich. Dementsprechend freuen wir uns auch jetzt auf den Saisonstart. Wir haben versucht, aufzuholen, was aufzuholen war, hatten viele Vorbereitungsspiele, vielleicht sogar zu viele. Aber da kann ich als Trainer noch einiges lernen.


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