Als Maradona und 20 Freunde zu Puma nach Herzogenaurach kamen

27.11.2020, 06:02 Uhr
Als Maradona und 20 Freunde zu Puma nach Herzogenaurach kamen

© Foto: Helmut Fischer/Puma Archiv

Das Video hat bis heute nichts von seiner Wucht verloren. Man sieht Diego Armando Maradona, 23 Jahre alt, argentinischer Fußballspieler, Sohn eines Fabrikarbeiters, aufgewachsen in einem Elendsviertel am Stadtrand von Buenos Aires, wie er die Stufen der Katakomben des San-Paolo-Stadions in Neapel nach oben steigt. Aber vor allem hört man die Neapolitaner. Über 70 000 von ihnen, die ihn nach draußen auf den Rasen rufen, die Maradonas Namen singen, die tanzen und jubeln.

Es findet kein Fußballspiel an diesem Julinachmittag im Jahr 1984 statt, der SSC Neapel hat (noch) keinen Titel gewonnen. Maradona kommt nach draußen, er winkt und lässt den Ball ein bisschen auf seinem Fuß tanzen. Er ist neu beim SSC Neapel – und das alleine ist der Grund für die Ekstase.

Zwei Jahre später fliegt der Herzogenauracher Helmut Fischer nach Neapel. Fischer ist der Werbechef von Puma, er will eine Gesprächsrunde mit Maradona und Lothar Matthäus auf der Sportmesse Ispo veranstalten. "Das, was ich da in Neapel erlebt habe, war unvorstellbar. Dass man einen Menschen fast auf die Ebene von Gott hebt. Und er stand da ja eigentlich erst am Anfang", erzählt er. Erst später in diesem Jahr wird Maradona Weltmeister, 1987 und 1990 mit Neapel italienischer Meister, 1989 Uefa-Pokalsieger.


FCN-Zaubermaus Zarate trauert um seinen Freund Maradona


Schon 1986 ist er mehr als ein Star. Der Andrang auf der Ispo ist riesig, der Argentinier und Matthäus verstehen sich entgegen mancher Befürchtung gut. Aber nach zwei Stunden hat Maradona genug und will zurück nach Neapel. "Er meinte, so viel Zeit könne er nicht aufwenden", erinnert sich Fischer.

Es wird nicht die letzte Begegnung bleiben. Maradona steht schon seit 1982 bei dem Herzogenauracher Sportartikel-Hersteller unter Vertrag. Auch bei seiner Vorstellung 1984 in Neapel trägt er ein T-Shirt mit buntem Puma-Schriftzug. Es ist, mindestens außerhalb Deutschlands, vielleicht der größte Werbe-Deal, den Puma je geschlossen hat. „Keiner konnte so einen Hype auslösen wie er. Nicht einmal Pele, obwohl auch der unglaublich beliebt war. Nur Boris Becker kam da in Deutschland noch ran", erzählt Fischer.

Ein Tip von César Menotti

César Menotti, argentinischer Weltmeister-Trainer, Kettenraucher und Puma-Berater hatte Unternehmenschef Armin Dassler früh darauf aufmerksam gemacht, dass es da einen Jungen gebe, den er unter Vertrag nehmen müsse. Weil das der kommende Weltstar werden könnte. Dassler nahm das Angebot gerne an. "Maradona hat perfekt in unser Schema gepasst. Wir wollten immer die Nummer zehn haben", sagt Fischer. Der Argentinier passte in die Reihe der kreativen Spielgestalter mit Johan Cruyff, Günter Netzer und später auch Lothar Matthäus.

Fischer erlebt Maradona beim Abendessen und beim Training. Nie ist der Argentinier allein. "Er war ein Riesenstar, das hat man gemerkt. Er hatte immer Leute um sich herum, auch seine Frau war immer dabei. Und er hat sich alles vorbereiten lassen, hat nichts mehr selbst gemacht", erinnert er sich.

"Man musste ihn immer ansprechen"

Dabei habe Maradona, den viele als so extravagant wahrnahmen, eher introvertiert gewirkt. "Er war sehr in sich geschlossen, man musste ihn immer ansprechen." Aber wahrscheinlich, glaubt Fischer, musste Maradona so sein. "Sonst kann man nicht mehr normal bleiben, wenn die Leute einen auf so ein Podest heben."

Doch mit der Zeit scheint Maradona das immer schwerer gefallen zu sein, in den Neunzigern folgt sein Absturz in die Drogensucht. Spätestens seit der ersten Meisterschaft wird er in Neapel verehrt wie ein Heiliger. Bis heute gibt es Schreine mit seinem Antlitz in der Stadt.

Kein Künstler, sondern effektiv

Erklären lässt sich dieser Kult wohl nicht vollständig, aber natürlich hat er damit zu tun, dass Maradona auf dem Rasen Dinge anstellen konnte wie niemand nach ihm. "Ich habe viele Spieler erlebt, einschließlich Pelé. Aber ich habe keinen gesehen, der so viel mit dem Ball machen konnte. Er war kein Künstler, kein Balljongleur. Sondern unglaublich effektiv. Mit einer einzigen Körpertäuschung konnte er drei Leute stehen lassen", sagt Fischer.

"Er wollte den besten Schuh, aber ohne Schnicki-Schnacki"

Am Fuß hat Maradona einen Puma-Schuh. Keine Sonderanfertigung, sondern den klassischen, schwarzen Puma King, der nur in der Größe angepasst wurde. "Er wollte den besten Schuh, aber ohne Schnicki-Schnacki. Er hätte nie in einem bunten Schuh gespielt, niemals", erzählt Fischer.

Nur die Besuche in Herzogenaurach gestalteten sich manchmal ausgefallen. Einmal hatte sich Maradona beim Puma-Chef angemeldet, er wollte etwas aus dem Lager mitnehmen. "Dann stand plötzlich ein Bus an der Würzburger Straße, mit ungefähr 20 Leuten, Maradona-Freunde aus Neapel. Und die wollten auch etwas mitnehmen", erinnert sich Fischer mit einem Lachen.

"Das war unvorstellbar, wie sie die Schuhe und Klamotten aussortiert haben. Ich glaube, sie haben am Ende Sachen für 40 000 Mark mitgenommen." Neben vielen Menschen, die Maradona verehren, gab es welche, die ihm solche Extravaganzen übel nahmen. Helmut Fischer zählt nicht dazu. Er denkt gerne daran zurück.

Verwandte Themen


Keine Kommentare