3:3 nach 0:3

Club-Comeback in Bochum: Als Türr die Tür öffnete

12.5.2021, 10:40 Uhr
Club-Comeback in Bochum: Als Türr die Tür öffnete

© Foto: Herbert Liedel

"Das war eines meiner ersten Spiele in der 1. Liga. Und ein recht erfolgreiches." Frank Türr - mit dem wir über das entsprechende Match vor einigen Jahren redeten - genießt die Erinnerung an den 21. Oktober 1989, an die Castroper Straße. In der 56. Minute zieht Hermann Gerland den Joker. Der im Club-Käfig genervt umhertigernde Gästecoach bringt Nürnbergs Nachwuchstürmer. Die Ausgangslage ist denkbar schlecht: Just vor seiner Einwechslung hat der 19-Jährige an der Seitenauslinie die dritte Bochumer Bude miterlebt. "Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt" ist ein in der Abwehr desolater Club dabei, völlig zu zerbröseln. Der VfL dominiert die Partie im Grönemeyer-Land deutlich. Mit und ohne "Doppelpass".

Kein Nürnberger rechnet damit, dass der FCN sich zurückkämpfen, den eklatanten Rückstand aufholen wird. Auch nicht Türr, der seit der C-Jugend am Valznerweiher auf Torejagd geht. "Nach dem Verlauf und dem Zwischenstand wäre eine Niederlage selbstverständlich gewesen. Für mich ging es darum, mich zu etablieren, in die Mannschaft zu finden. Jede Spielminute war kostbar. Das Ziel war, sich zu empfehlen, in den Vordergrund zu spielen."

Tiger auf Betriebstemperatur

Dies gelingt dem Franken formidabel. In der 62. Minute ist nach seiner Einschätzung allerdings "auch etwas Glück dabei", als er aus 18 Metern beherzt abzieht. Der abgefälschte Schuss saust in die Maschen. Türr verzichtet auf den Torjubel und ist in der 68. Minute bereits wieder im Zentrum des Geschehens. Der jugendliche Angreifer assistiert dem ebenfalls eingewechselten Thomas Kristl, Anschlusstreffer.

"Tiger" Gerland - aufgrund seiner Herkunft, Verdienste und bodenständigen Art ein Synonym für Bochum - ist jetzt endgültig auf Betriebstemperatur. Er zieht seinen Anorak aus, trommelt mit den Fäusten unaufhörlich auf das Dach der Gästebank. Auch Frank Türr will nun mehr. Der Club drängt nach vorne, hat Rückenwind. Das Drehmoment wird immer sichtbarer. "Man bekommt die zweite Luft, gewinnt das Selbstbewusstsein zurück", erklärte der heute 50-Jährige vor einigen Jahre das am Neuen Zabo weitestgehend unbekannte Phänomen. In der 85. Minute ist es natür(r)lich das Sturmtalent, das mit brachialer Schussgewalt das 3:3 erzielt. Ralf Zumdick - die "Katze" im VfL-Kasten - ist chancenlos. Türr und seine Spielkameraden tollen derweil bei Abpfiff über den Rasen. Aus Freude über die Korrektur eines Drei-Tore-Rückstands - über eine für den FCN seit Gründung der Bundesliga ziemlich einmalige Geschichte.

Kargus unter Dauerbeschuss

Umso schöner macht die Geschichte aus fränkischer Sicht, dass Bochum als Angstgegner gilt. Im Mai 1983 etwa hat der Club im Revier kräftige Schelln kassiert. Bester Nürnberger beim derben 0:6 ist Rudi Kargus. Der Schlussmann steht im Ruhrstadion unter Dauerbeschuss. Mit zahllosen Glanzparaden – inklusive eines parierten Foulelfmeters – verhindert er, dass aus dem halben Dutzend ein ganzes wird. Den ersten Sieg gegen den VfL bewerkstelligt der FCN im Februar 1987. Hansi Brunner ist es, der sich in der 88. Minute an der Sechzehnermarkierung ein Herz fasst und das Spielgerät in den Winkel schweißt. 100 Sekunden später ist der Bochum- Bann gebrochen, der erste Auswärtserfolg für das in dieser Saison vor allem heimstarke Höher-Team amtlich.

Ebenfalls für gute Laune sorgen Jahre später die Sportfreunde Ciric, Saenko und Kluge. Vielleicht animiert von Frank Türr werden auch diese im Pott zu Doppelpackern. Nürnbergs Vorzeige-Mazedonier lässt beim 3:0 im Mai 1999 das kurz darauf folgende Abstiegsdrama als wirre Einbildung erscheinen. Ivan Saenko entscheidet im Februar 2007 die Partie mit zwei Treffern spät. Sieben Monate danach bringt Peer Kluge den FCN zweimal in Front. Der Mittelfeldderwisch ist es auch, der mit einer herrlichen Kopfball-Vorlage "Zwetschge" Misimovic an alter Wirkungsstätte den Schlusspunkt ermöglicht.

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