Badminton-Duo aus Franken schnupperte am EM-Finale

24.2.2021, 07:47 Uhr
Badminton-Duo aus Franken schnupperte am EM-Finale

Dass es eine unruhige Nacht werden dürfte, deutete sich für Isabel Herttrich schon vor den entscheidenden Ballwechseln an. Die 29-jährige Hersbruckerin ist im Badminton international schon viel herumgekommen und brauchte nach abendlichen Wettkämpfen länger zum Einschlafen. Das Adrenalin hielt sie noch wach.

Eine besonders aufwühlende Zuspitzung, die nichts mit den für Profisportler zur Routine gewordenen Corona-Testungen zu tun hat, erlebte Herttrich nun am vergangenen Freitag im Halbfinale der Mannschaftseuropameisterschaften. Bis eine halbe Stunde nach Mitternacht deutscher Zeit stand die Doppelspezialistin in der Arena nahe der finnischen Hauptstadt Helsinki auf dem Feld, konnte die knappe 2:3-Niederlage gegen Titelverteidiger Dänemark aber nicht verhindern. "Mir sind danach noch viele Szenen im Kopf herumgegangen. Kleinigkeiten, einfache Fehler, über die man sich hinterher umso mehr ärgert", sagt Herttrich.

Denn die ambitionierte deutsche Auswahl war in den vergangenen Jahren nie näher am Sturz des im Endspiel gegen Frankreich souverän siegreichen Dauerfavoriten, schnupperte bereits im Vorrunden-Duell an einer Überraschung (2:3). Nachdem die Fränkin zwei Tage zuvor mit Ersatzspielerin Stine Küspert nach 1:0-Satzführung die Chance zum benötigten dritten Mannschaftspunkt vergeben hatte, entwickelte sich das zweite Aufeinandertreffen erneut zum Nerven-Krimi. Beide Seiten stellten für das abschließende Damen-Doppel auf ihre vermeintlich stärkste Formation um, wobei Stammkraft Isabel Herttrich nicht mit ihrer verletzten, regulären Partnerin Linda Efler antreten konnte. So kam es anfänglich zu einigen Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Herttrich und Kilasu Ostermeyer.

Emotional aufgeladen

Der deutliche erste Durchgang (11:21) ließ wenig Hoffnung zu, doch die deutschen Frauen steigerten sich. "Wir wussten, dass der Gegner schlagbar ist und waren zu Beginn wohl zu nervös, haben dann besser kommuniziert", sagt Isabel Herttrich, die als erfahrenere Persönlichkeit die Kommandos gab und ihrer Kollegin mit seichten Schlägerklopfern aufs Gesäß immer wieder Mut zusprach. Und nicht nur das. Die von Herttrich als "auf dem Platz sehr emotional" beschriebene Gangart brachte sogar die Skandinavierinnen ins Wanken. Vor den Angaben war bei Herttrich aus dem Schatten ihrer eng zusammengekniffenen Augen die Mischung aus Konzentration und Zerstörungswut selbst zu Hause am Bildschirm erkennbar. In einem spielerisch zunehmend ausgeglichenen Schlagabtausch sicherten sich Herttrich und Ostermeyer Satz zwei (21:18) und holten im dritten Durchgang zweimal einen riesigen Rückstand auf, ehe Dänemark seinen fünften Matchball zum 21:19 verwandelte. "Wir haben bis zum Schluss gekämpft, müssen uns nur vorwerfen, dass wir zwischendurch einen zu großen Abstand zugelassen haben. Das holst du auf dem Niveau schwer auf", sagt Herttrich, deren Widerstandskraft nach sechs Einsätzen an vier aufeinanderfolgenden Tagen schließlich aufgebraucht war.


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Wiewohl ihr Hauptaugenmerk auf den Weltranglisten-Turnieren liegt, möchte die Hersbruckerin die Erlebnisse bei Mannschafts-Veranstaltungen nicht missen. "Der Modus hat seinen eigenen Reiz, weil man eben nicht nur für sich selbst spielt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist traditionell eine Stärke des deutschen Teams." Auch wenn die Geselligkeit unter der eingeschränkten Bewegungsfreiheit im Hotel litt, feuerten Betreuerstab und Ersatzpersonal auf der Tribüne lautstark an, was die Aktiven sogar die fehlende Zuschauerkulisse vergessen ließ.

Fränkische Unterstützung erhielt Herttrich vor Ort von Johannes Pistorius aus Roth, beim TSV Freystadt ausgebildet und inzwischen Vereinskollege in Saarbrücken. "Ich habe total mitgefiebert und wurde heißer, so anstrengend hatte ich mir das nicht vorgestellt. Durch den Austausch im Training oder Beobachtungen der Konkurrenz nehme ich außerdem wertvolle Erfahrungen mit", sagt Pistorius, der sich immerhin gegen Finnland zeigen durfte und perspektivisch auf dem Sprung in die erste Reihe sieht. Isabel Herttrich ist dort schon angekommen. Deshalb wird sie für das im Sommer angepeilte Olympia-Ziel noch so manche unruhige Nacht in Kauf nehmen.

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