Cheerleader in Erlangen: Klischees zum Trotz

18.7.2015, 07:00 Uhr
Cheerleader in Erlangen: Klischees zum Trotz

© Fotos: Katharina Tontsch

Es war Männersport. 1898 stellte eine Universität in Minnesota ein paar Jungs dazu ab, die Fans anzuheizen, um das eigene Team zum Finalsieg zu schreien. Jeder sollte das Stadion atemlos und ohne Stimme verlassen. Das war Cheerleading. Dann allerdings kamen die Mädels und mit ihnen die kurzen Röcke, die Schleifen, der Glitzer und Glamour, kitschige amerikanische High-School-Filme und die Pompons.

Doch Cheerleading ist mehr als das. Es ist Sport pur. Bei den Erlangen Marines Cheerleader ist das nicht anders. Drei Mal pro Woche trainieren die 17 Cheerleader aus dem Seniorteam. Hinzu kommen noch zwei Nachwuchsgruppen für unter 16-Jährige. Sie alle können nicht nur gut tanzen. Cheerleading besteht auch aus anderen Komponenten wie Jumps, Tumbling und Stunts. Die Bezeichnungen sind alle aus dem Amerikanischen übernommen.

Als Jumps bezeichnet man Sprünge, die in der Choreografie beim Tanzen eingearbeitet sind. Unter Tumbling versteht man alle Elemente des Bodenturnens, wie zum Beispiel Handstand, Flickflack, Salto oder Radschlag. Besonders schwierig sind die Stunts, die Hebefiguren. Manchmal werfen die Cheerleader dabei auch Mädchen durch die Luft.

Bis das alles ohne Probleme klappt, braucht es aber viel Übung. Bei den Erlanger Cheerleadern gibt es innerhalb des Teams verschiedene Stunt-Gruppen, die immer zusammen eingeteilt sind und sich blind vertrauen.

„Teamgeist und Mut ist bei uns wichtig“, sagt Sophie Beißmann. Die 23-Jährige ist der Kapitän der Mannschaft. „Am Anfang kostet es große Überwindung, oben zu stehen.“ Nicht umsonst ist Cheerleading eine der gefährlichsten Sportarten der Welt. Die meisten Verletzungen passieren bei Luftsprüngen und Pyramiden, aber auch die Gelenke leiden.

Pompons haben die Marines übrigens keine in der Halle dabei. Glitzer und Glamour verbreitet allein das neue Outfit. „Anfangs haben mich die Vorurteile gestört“, sagt Beißmann. „Aber inzwischen ist es mir egal.“ Die gebürtige Münchenerin kam auch nicht übers Tanzen zum Cheerleading, sondern über American Football. Als sie zum Studieren nach Erlangen kam, hat sie hier bei den Sharks vorbeigeschaut, und die Cheerleader entdeckt. Das war im Jahr 2011. Jetzt ist Beißmann Kapitän.

Im Cheerleading ist das eine wichtige Rolle innerhalb einer Mannschaft. Bei den Marines aber läuft alles eher demokratisch ab. Beißmann gibt keine Choreografie vor, sondern die Stunt-Gruppen wünschen sich einzelne Elemente, die der Kapitän dann für eine Show zusammensetzt.

Im Training geht es deshalb lauter zu, die Mädchen diskutieren einzelne Figuren, überlegen gemeinsam, wie es besser aussehen könnte und probieren das dann einfach aus. Zu sehen gibt es die Shows bei den Heimspielen der Sharks, dem American-Football-Team aus Erlangen. „Diese Auftritte sind uns wichtig“, sagt Beißmann. Aber das ist längst nicht alles.

Vergangenes Jahr waren die Marines zum ersten Mal bei einer Cheerleading-Meisterschaft dabei. In einer Minute geht es dann ums Ganze. Antreten können die Teams als reine Frauen-Gruppe oder mit Männern gemischt. Vor zwei Wochen war die zweite Bayerische Meisterschaft. „Wir sind Dritter geworden“, sagt Beißmann. Aber noch geht es vor allem darum, Erfahrung zu sammeln.

Zum Cheerleading gehört schließlich nicht nur tanzen, klatschen und Pompons wedeln. Kraft, Ausdauer, koordinative Fähigkeiten, Bodenturnen, Stunts, das alles muss ein Cheerleader drauf haben. Vor allem bei den Stunts sollte man voll trainiert sein, um 50 Kilogramm „leichte“ Mädchen durch die Luft wirbeln zu lassen.

Trotzdem müssen gerade die männlichen Cheerleader gegen viele Klischees ankämpfen. Tobias Becker ist aktuell der einzige Mann bei den Marines. „Ich habe früher viel Krafttraining gemacht“, sagt der 27-Jährige. „Cheerleading ist ähnlich, Gewichtheben mit Lebendgewicht.“

Angst, unmännlich zu sein, hat er nicht. „Ich bin hier, um Leistung zu bringen.“ Eine glitzernde Schleife, traditionell Teil der Cheeleader-Outfits, trägt Becker auch. Allerdings nicht im Haar, sondern an den Schnürsenkeln seiner weißen Turnschuhe. Auch das verlangt Mut.

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