Club-Gegner Aue: Männel, Fouls und weite Bälle
19.12.2020, 05:53 UhrDie Grundordnung...
...ist das, was man erwartet, wenn Dirk Schuster an der Seitenlinie steht. Lange Bälle auf einen physisch dominanten Zielspieler, dann mit Tempo hinterher und umschalten. Mit dieser Herangehensweise war Schuster schon in Darmstadt erfolgreich. Nur dass der Zielspieler nun Testroet heißt und nicht Stroh-Engel oder König wie im Darmstädter Aufstiegsjahr in die Bundesliga. 17 Prozent der Auer Pässe sind lange Pässe, der vierthöchste Wert hinter Sandhausen, Regensburg und Braunschweig.
Effizient ist die Herangehensweise dennoch. Bereits sechs Tore hat Aue aus Kontern erzielt, nur ein Team hat gleich viele: der FCN. Auch sind viele andere statistische Werte, wie beispielsweise Pässe für Raumgewinn, angekommene Pässe in Tornähe und Pässe ins gegnerische Verteidigungsdrittel, die das Erreichen der gefährlichen Bereiche beziffern, bei Aue vorzeigenswert.
Noch weniger als die anderen Teams, die auf lange Bälle setzen, baut Aue auf Ballbesitz, auch das ist ein Kennzeichen von Fußball à la Dirk Schuster. Mit lediglich 42,7 Prozent sind die Veilchen dann auch das Schlusslicht der Liga in Sachen Ballbesitz. Im Gegensatz zu einigen anderen Mannschaften, wie beispielsweise Regensburg oder Sandhausen, die auch auf lange Bälle und eher geringeren Ballbesitz setzen, verzichtet Aue aber darüber hinaus auch auf aggressives Pressing. In Sachen Defensivaktionen pro gegnerischem Pass sind sie weit abgeschlagen Letzter, in Sachen Defensivaktionen pro Minute gegnerischen Ballbesitz auf Platz 16.
Das alles lässt auf eine abwartende Haltung aus einer gesicherten Defensive schließen. Auch das passt zu Dirk Schusters Fußballverständnis. In der Frage der Formation ist er flexibler geworden. War Schuster früher auf ein 4-4-2 festgelegt, variiert er in Aue die Grundformation oft und viel. So spielten die Veilchen zu Saisonbeginn oft mit Dreierkette in einem defensiven 3-4-1-2 mit sieben Defensivspielern, doch in den letzten Wochen kamen auch ein 4-4-2 mit Raute und Florian Krüger als zweiter Spitze oder ein 4-4-1-1 mit Jan Hochscheidt als hängender Spitze hinter Pascal Testroet zum Einsatz.
Die letzten Spiele...
...liefen gut, nur einmal in sechs Spielen hat der FCE verloren. Dabei fiel in dieser Saison insgesamt auf, dass Aue deutlich besser dasteht, als man es auf Grund der expected Goals hätte vermuten können. In der Differenz zwischen den eigenen und den gegnerischen expected Goals steht sogar kein Zweitligist schlechter da. Selbst beim 4:1-Erfolg gegen Sandhausen kamen die Sandhäuser auf mehr statistisch zu erwartende Tore als Aue. Allerdings hat Aue schon in der letzten Saison diese statistische Kategorie gesprengt und einige Punkte mehr eingefahren als zu erwarten gewesen wäre. Das liegt zum einen daran, dass Aue in Führung liegend oft gute Gelegenheiten zulässt, was den expected-Goals-Wert der Gegner nach oben triebt.
0:1 beim Tabellenführer! Traumtor schockt den FCN
Zum anderen aber auch darin, dass man in Martin Männel einen Torwart hat, der seit drei Jahren konsequent mehr Bälle hält als statistisch zu erwarten ist. Das liegt auch daran, dass gegen den 32-Jährigen in den vergangenen drei Spielzeiten nur sieben von 13 Strafstößen verwandelt wurden. Von den nicht verwandelten ging nur einer an den Pfosten, die anderen fünf hielt Männel. Eine Erfahrung, die auch der FCN in der vergangenen Saison machen musste. Da hielt der Keeper in der zehnten Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter von Michael Frey.
Die Schwächen...
... liegen einerseits im Tempo der Abwehr. Das ist auch einer der Gründe, warum Aue oft sehr tief steht: Damit die Geschwindigkeitsdefizite der Defensive nicht so zum Tragen kommen. Das führt unter anderem dazu, dass Aue oft in gefährlichen Zonen zum Foul greifen muss. In den sechs Partien vor dem 4:1-Sieg gegen den KSC am Donnerstag griffen die Sachsen ungefähr vier Mal pro Spiel im eigenen Verteidigungsdrittel zum Mittel des Regelverstoßes, um einen gegnerischen Spieler aufzuhalten. Das führte zu vier Strafstößen, 19 Freistößen, sieben Verwarnungen und einem Platzverweis. Gepaart mit der Tatsache, dass Aue nach Würzburg das Team mit den meisten Standard-Gegentreffern ist, liegt hier ein Ansatzpunkt für den FCN.
Jenseits dessen liegen die offensiven Schwächen von Erzgebirge Aue auf der Hand. Spielgestalterisch werden die Sachsen eher selten tätig. Wenn sie es tun müssen, wie beispielsweise nach Rückstand, schaffen sie es trotz dann deutlich höherem Ballbesitz viel seltener zu Toren oder Abschlüssen zu kommen. Sowohl die Zahl der Schüsse als auch die der Tore sinkt, wenn Aue hinten liegt. Sie steigt dagegen, wenn Aue vorn liegt. Eigentlich sollte das kein Problem für den FCN sein, lag er doch in zehn von zwölf Partien in Führung.
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