Stimmung im Dorf

"Das hat weh getan": Wie der Nürnberger Alan Ibrahimagic Olympia erlebt hat

4.8.2021, 17:36 Uhr
"Die Umstände haben schon einen großen Schatten geworfen", findet Alan Ibrahimagic, Assistent von Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl.

© imago images/Camera 4/Dennis Fischer, NN "Die Umstände haben schon einen großen Schatten geworfen", findet Alan Ibrahimagic, Assistent von Basketball-Bundestrainer Henrik Rödl.

Was überwiegt nach dem Ausscheiden im Viertelfinale, Herr Ibrahimagic? Die Enttäuschung oder der Stolz auf einen erfolgreichen Sommer und die Teilnahme an den Olympischen Spielen?

Ibrahimagic: Natürlich waren wir direkt nach dem Spiel enttäuscht, aber mit etwas Abstand überwiegt schon der Stolz und die Freude, es so weit geschafft zu haben. Und dass wir uns auch hier gut präsentiert haben. Gegen Italien hatten wir eine Chance zu gewinnen, wir haben Nigeria geschlagen und gegen Australien, die nun ein überragendes Viertelfinale gespielt haben, lange gut dagegen gehalten. Deswegen: der Stolz.

Zwar hatte Slowenien mit Luka Doncic den aktuell vielleicht besten Spieler der Welt im Aufgebot, trotzdem handelt es sich ja um eine relativ kleine Nation. Was fehlt dem deutschen Basketball, um mithalten zu können?

Ibrahimagic: Es macht schon viel aus, wenn man einen der besten Spieler der Welt in seinen Reihen hat. Man kann gar nicht hoch genug bewerten, was Luka Doncic für Kinder und Jugendliche bedeutet, die sich für eine Sportart entscheiden müssen. Dazu kommt die Euphorie seit dem Gewinn der EM 2017. Der Basketball ist dort hoch angesehen, das ist bei uns leider noch nicht so. Ich finde aber, dass wir uns in den letzten Jahren gut entwickelt haben. Es fehlt etwas an Konstanz, wir müssen noch mehr eine Basketball-Kultur etablieren. Wir haben einen Pool von 20 bis 25 Spielern, die auf hohem Niveau spielen können, und wenn wir den erweitern, glaube ich, dass wir beim ein oder anderen Turnier eine noch größere Rolle spielen können.

In Tokio haben fast alle deutschen NBA-Spieler gefehlt, die Mannschaft wirkte aber trotzdem - oder gerade deswegen - sehr eingeschworen. Ist das ein Modell für die Zukunft?

Ibrahimagic: In diesem Team waren definitiv alle füreinander da. Es war eine sehr gute, im Wortsinne, Mannschaft. Ich glaube aber nicht, dass das am Fehlen der NBA-Spieler lag, das hat sich einfach so entwickelt. Wir wollen natürlich immer die besten Spieler dabei haben, denn man sieht ja am Endergebnis, welch große Rolle das spielt.

Auch wenn die Umstände besondere waren: Wie großartig hat sich das angefühlt, an den Olympischen Spielen teilzunehmen?

Ibrahimagic: Ich bin bei diesem Thema etwas zwiegespalten. Natürlich ist es eine großartige Erfahrung und der Traum eines jeden Sportlers, das live zu erleben. Ich weiß das zu schätzen. Es ist schwer zu beschreiben, wie beeindruckend das alles ist, aber gleichzeitig muss man schon sagen, dass die Umstände einen großen Schatten auf die Spiele geworfen haben: die fehlenden Möglichkeiten, das Olympische Dorf oder die Trainings- und Spielstätten zu verlassen; die Eröffnungsfeier ohne Zuschauer, an der nur Sportler aber keine Trainer teilnehmen durften. Es hat weh getan, dass wir nicht bei anderen Wettkämpfen dabei sein durften, um anzufeuern.

Es gab also kaum Austausch?

Ibrahimagic: Als wir nach unserem Viertelfinal-Aus zurück ins Dorf gekommen sind, sind zeitgleich die deutschen Bahnradfahrerinnen angekommen, die Gold geholt hatten. Andere Sportler hatten dann eine kleine bescheidene Feier vorbereitet. Das war besonders. Die Kantine war im Prinzip der einzige Ort, an dem es Austausch gab. Dort jeden Tag Weltklassesportler in jeder Größe und Form zu sehen, so viele bekannte Gesichter, das war schon speziell und etwas, das ich für immer behalten werde.

Der Moment, der hängen bleibt?

Ibrahimagic:Ich war in der Halle, als Luis Scola (argentinische Basketball-Legende, Anm. d. Red.) zum letzten Mal ausgewechselt wurde und alle Spieler auf dem Feld eine Weile geklatscht haben; genauso beide Bänke und die wenigen Menschen auf der Tribüne. Das war sehr beeindruckend.

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