Das Höchstadter Eishockey-Märchen geht weiter

30.3.2021, 05:58 Uhr
Die Höchstadt Alligators können ihren Erfolg genießen.

© her-hec-20210323-203347_app11_03.jpg, NN Die Höchstadt Alligators können ihren Erfolg genießen.

Als Daniel Tratz auf dem Eis stand und den - schon wieder - größten Erfolg in der Vereinsgeschichte des Höchstadter EC erklären sollte, gab es einen lauten Knall. Und dann noch einen. Der Team-Manager des HEC schien es gar nicht zu registrieren. Er lächelte selig. „Es waren extrem spannende, geile Spiele“, sagte Tratz, während im Hintergrund ein Hupkonzert aufbrandete.

Höchstadt, dieser verschlafene 13.700-Einwohner-Ort an der Aisch, hatte am Sonntagabend kurzzeitig eine entfernte Ähnlichkeit mit Liverpool nach dem Gewinn der Meisterschaft des FC. Vor dem Eisstadion zündeten Fans in FFP2-Masken Bengalische Feuer, durch die Straßen schlängelte sich ein langer Autokorso.

Wahnwitzige Aufholjagd

Kurz zuvor war HEC-Angreifer Anton Seewald von seinen Mitspielern an der Bande des Eisstadions fast zerquetscht worden. Im Hintergrund machten die Zeitabnehmer und Höchstadter Offizielle Luftsprünge. In der vierten Minute der Verlängerung hatte der Playoff-Topscorer der gesamten Oberliga Süd, einen eigentlich harmlosen Schuss seines Kollegen aufgenommen, der von der Bande hinter dem Tor abgeprallt war. Seewald nahm ihn direkt und schoss den HEC zu einem der unwahrscheinlichsten sportlichen Erfolge des Jahres - auch wenn er nach der bereits sehr erfolgreichen Hauptrunde nicht mehr völlig unerwartet kam.


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Unwahrscheinlich, weil die Alligators nach einer halben Stunde gegen den zehnfachen Deutschen Meister Riessersee schon mit 1:4 zurückgelegen hatten. Dieses Mal schien das Team aus Garmisch-Partenkirchen anders als in den beiden Partien zuvor seine Erfahrung und seine Klasse ausspielen zu können.

Doch es kam nicht so, mit einer wahnwitzigen Aufholjagd, die Höchstadts Star-Angreifer Milan Kostourek mit zwei Toren einleitete, gelang dem HEC noch der 5:5-Ausgleich und der Einzug in die Verlängerung.

Witzig bis hitzig

Unwahrscheinlich war der Erfolg aber auch, weil der HEC ganz andere finanzielle Voraussetzungen hat als der ehemalige DEL2-Teilnehmer Riessersee. Den Höchstadtern fielen mit den Angreifern Jari Neugebauer, der wohl weiter fehlen wird, und Ice-Tigers-Veteran Vitalij Aab zudem zwei Leistungsträger aus. Doch Trainer Mikhail Nemirovsky, einer der maßgeblichen Männer hinter diesem Erfolgs, fand mit seinem Team auf jede Herausforderung eine Antwort und stellte seine Reihen auch während der Partie stets flexibel um.


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Angestachelt vom witzigen bis hitzigen Playoff-Geplänkel im Vorfeld wuchsen die Alligators über sich hinaus. „Schnappi, das kleine Krokodil“, hatten die Garmisch-Partenkirchner den HEC-Spielern zum Einlaufen vorgespielt. Doch die Schnappis erwiesen sich als nicht gerade zimperliche Riesenechsen.

Einer der 36 besten Klubs

Als Kostourek von Riessersees Ulrich Maurer umgecheckt wurde und das Blut aus dem Cut über seinem Auge vom Eis gewischt werden musste, stand der Angreifer kurz darauf wieder und spielte mit. Tratz machte sich am Sonntagabend noch Sorgen um seinen Angreifer - doch am Montag gab es Entwarnung. Kostourek wird im Halbfinale spielen können. „Die Undiszipliniertheit hat uns die Serie gekostet“, haderte SCR-Trainer Ron Chyzowski und hatte wohl Recht. Die Kombination aus unnötigen Strafen für sein Team und ein starkes Powerplay-Spiel der Alligators gab in dieser ansonsten engen Serie den Ausschlag.

Das kleine Höchstadt stellt in dieser Saison nun ganz offiziell einen der 36 besten Eishockey-Klubs des Landes. Der Halbfinal-Einzug gegen Riessersee war aber trotz der dreier dramatischen, knappen Spiele kein Glück. Fünf von sechs Partien hatte der HEC in dieser Saison gegen den Aufstiegskandidaten gewonnen. Der Sweep, so nennt man das im Eishockey, wenn der Gegner in einer Playoff-Serie glatt weggefegt wird, war verdient.

Regensburg oder Rosenheim?

Im Halbfinale, das am kommenden Samstag im Zwei-Tages-Rhythmus beginnt, dürfte Höchstadt auf die Eisbären Regensburg treffen, auch wenn die ihre Serie gegen den ECDC Memmingen noch nicht für sich entscheiden konnten. Sollte Regensburg sie verlieren, wäre Rosenheim der Gegner. Beides große Gegner mit DEL2-Ambitionen.

Die hat Höchstadt nicht, die derzeitigen Strukturen mit einem sanierungsbedürftigen Stadion und kurzer Eiszeit geben einen Aufstieg nicht her. Druck haben die Alligators also keinen. Sie können ihr Eishockey-Märchen weiter in vollen Zügen genießen.

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