Das System Keller: So lässt der neue Club-Coach spielen

13.11.2019, 09:40 Uhr
Übernimmt jetzt den 1. FC Nürnberg: Fußballlehrer Jens Keller.

© Patrik Stollarz/AFP Übernimmt jetzt den 1. FC Nürnberg: Fußballlehrer Jens Keller.

Er gilt als echter Fachmann, als erfahrener Trainer, der gerne in aller Ruhe arbeitet - und jetzt leitet er die Geschicke des 1. FC Nürnberg. Seit Dienstag ist klar: Jens Keller ist der neue starke Mann an der Nürnberger Seitenlinie, er unterschrieb einen Vertrag bis 2021 und soll den Zweijahresplan, den Club-Sportvorstand Robert Palikuca einst ausgerufen hatte, weiterverfolgen.

Blickt man auf die Karriere des 48-Jährigen, sind zumindest die bisherigen Referenzen durchaus überzeugend. 2010 übernahm Keller, bis zu diesem Zeitpunkt noch Co-Trainer, die Profis des VfB Stuttgart. Die Schwaben waren nach einem Katastrophenstart Tabellenletzter der Bundesliga, Keller gelang es aber mit fünf Siegen in den ersten sieben Pflichtspielen gleich zu Beginn, den VfB für den Moment wieder auf Kurs zu bringen. Doch dann folgte eine Serie von sechs Spielen ohne Sieg, Stuttgart zog nach einer 1:2-Niederlage in Hannover die Reißleine.

Der Trainer experimentierte taktisch noch viel, in seinen letzten vier Spielen als VfB-Trainer nutzte er vier verschiedene Formationen, allesamt erfolglos. Der Keller-Effekt - er dauerte nur kurz an. Erst als Bruno Labbadia den angeschlagenen Altmeister übernahm, konnte sich Stuttgart dank einer starken Rückrunde vor dem Abstieg retten.

Erfolge auf Schalke

Nachhaltiger war der Erfolg dann bei Kellers zweitem Anlauf in der Bundesliga: Beim FC Schalke 04 erlebte der Ex-Profi wohl seine erfolgreichste Zeit als Trainer: Mit den Knappen war Keller Dauergast in der Champions League, führte S04 zweimal in Folge in die Top 4 der Bundesliga und sogar in die K.o.-Phase der Champions League. In einem modernen 4-2-3-1-System mit hochveranlagten Spielern wie Julian Draxler, Sead Kolasinac, Max Meyer oder Leon Goretzka ließ der Fußballlehrer zudem ansehnlichen Fußball spielen. Nach einem durchwachsenen Saisonstart 2014 musste Keller allerdings gehen - und der FC Schalke sich einmal mehr den Vorwurf gefallen lassen, nicht geduldig genug mit einem Trainer gewesen zu sein.

Es sollte fast eineinhalb Jahre dauern, ehe der einstige Meisterspieler (1992 mit dem VfB Stuttgart, allerdings ohne einen einzigen Einsatz) wieder eine Chance bekam. 2016 übernahm Keller dann Union Berlin, in der Vorsaison immerhin auf Rang sechs in der 2. Bundesliga gelandet. Das Ziel unter dem neuen Trainer war klar: oben angreifen. Und genau das tat der Hauptstadtklub dann auch. Im ersten Jahr verpassten die Köpenicker den Aufstieg nur knapp, weil ihnen im Endspurt die Puste ausging und die Konkurrenten aus Braunschweig und Hannover nahezu fehlerfrei blieben. Die offensive Ausrichtung in einem 4-3-3 mit insgesamt fünf Offensivkräften auf dem Platz sorgte zwar für reichlich Tore, aber eben auch für eine stellenweise anfällige Defensive. Gerade auswärts kassierte Union für eine Spitzenmannschaft schlicht zu viele Gegentore - nur zwei Teams mussten den Ball auf fremdem Platz häufiger aus dem Tor holen.

Löchrige Defensive

In seinem zweiten Jahr in Berlin setzte Keller indes häufiger auf eine zweite Formation. Im bereits aus seiner Gelsenkirchener Zeit bekannten 4-2-3-1 zog er einen zweiten defensiven Mittelfeldspieler hinzu und stellte situativ auf ein 4-1-4-1 um. Das altbekannte Problem, eine vor allen Dingen auswärts löchrige Verteidigung, bekam der Coach aber weiterhin nicht gelöst. Nachdem im November und Dezember 2017 plötzlich auch die Ergebnisse ausblieben, trennte sich Union von seinem Trainer. Und das, obwohl der Kult-Klub auf Rang vier liegend weiterhin auf Tuchfühlung mit den Aufstiegsplätzen war.

Um ein trauriges Kapitel reicher wurde die Karriere des zweifachen Vaters dann beim FC Ingolstadt. Die Schanzer, die in der Saison 2018/19 in der Krise steckten, holten Keller als Feuerwehrmann, nachdem bereits Stefan Leitl und Alexander Nouri an den hohen Ansprüchen scheiterten. Auch beim FCI startete Keller durchaus erfolgreich und konnte im 4-3-3 mit fünf Offensivspielern erste Siege einfahren. Den abstiegsbedrohten Ingolstädtern gelang es häufig aber nicht, ihre Führungen nach Hause zu bringen. Nach fünf Niederlagen in Folge, darunter zwei verspielten Halbzeit-Führungen am Ende, musste Keller beim späteren Absteiger gehen.

Die gleiche Spielidee

Was genau bedeutet das aber für den 1. FC Nürnberg? Keller hat bewiesen, schon früh nach der Übernahme einer Mannschaft Ergebnisse liefern zu können. Der Kader des FCN ist, zumindest auf dem Papier, gut genug, um die vom neuen Trainer präferierten Systeme umzusetzen. Auch Damir Canadi ließ zuletzt häufig im 4-3-3 spielen, mit Dovedan und Hack auf den Flügeln und Geis und Behrens als Antreiber aus dem Mittelfeld. So wirklich funktioniert hat das allerdings nur beim starken 4:0-Sieg in Hannover. Wo Canadi noch auf Lukas Jäger setzte, könnte schon bald wieder die Stunde von Ondrej Petrak oder Patrick Erras schlagen. Beide erfüllen als Abräumer vor der Abwehr die Anforderungen, die Keller an diese Position stellt: Robust im Zweikampf, gute Übersicht.

 

 

 

Insgesamt scheinen sowohl Canadi als auch Keller in taktischer Hinsicht ähnlich gestrickt zu sein. Schnelle Gegenangriffe statt viel Ballbesitz, hoch aufgerückte Außenverteidiger statt Beton anrühren. Hier ist sicher auch die Spielidee des Sportvorstandes zu erkennen, der mit Keller aber einen auf den ersten Blick taktisch flexibleren Coach an den Valznerweiher holt. Was sein Vorgänger in 170 Tagen beim Club nicht schaffte, soll der gebürtige Schwabe nun nachholen. Interessanterweise hat er die erste Chance dazu gleich im Derby, das auch noch an Kellers 49. Geburtstag steigt. Eine gute Chance, nicht nur die Club-Fans, sondern auch sich selbst reichlich zu beschenken.

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