Das traurige Gesicht der Club-Krise: Behrens kämpft weiter

17.12.2019, 06:00 Uhr
Kapitän in der Krise: Hanno Behrens taumelt, und mit ihm der Club.

© Sportfoto Zink Kapitän in der Krise: Hanno Behrens taumelt, und mit ihm der Club.

Um eine Bestätigung zu finden, dass Hanno Behrens beim bitteren 2:2 gegen Holstein Kiel kein besonders gutes Spiel gemacht hat, musste man gestern nur die Noten der lokalen Presse vergleichen. Zwischen ausreichend und mangelhaft pendelten die Bewertungen. Zensuren also, die sich ein Fußballprofi nicht gerade gerahmt an die Wohnzimmerwand hängen würde. Es dauerte trotzdem nicht lange, bis irgendjemand irgendwo im Internet empört herumkrakeelte, Behrens hätte für seinen Vortrag doch sogar die Note 6 kriegen müssen. Mindestens.

So geht das nun schon seit Wochen – und schlimmer. Primitives Behrens-Bashing als willkommenes Ventil für frustrierte Wutfans. Während halbwegs kultivierte Zeitgenossen nur die Verbannung des Kapitäns auf die Bank fordern, war in den sozialen Medien auch schon zu lesen, der Elmshorner solle sich gefälligst aus Nürnberg "verpissen".

Es handelt sich übrigens um denselben Hanno Behrens, der den Club vor zwei Jahren mit 14 Toren in die Bundesliga geführt hatte. Der als unumstrittener Leader dieser Elf galt, als Identifikationsfigur, Sympathieträger und idealer Botschafter eines neu erblühten Clubs. Und über den der damalige Trainer Michael Köllner sagte, er könne hier eine Ära prägen und vielleicht sogar eine Vereinslegende der Neuzeit werden wie Marek Mintal oder Javier Pinola.


Fehler- und machtlos: Elfmeterkiller spricht über den FCN


Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich ist Fußball ein Leistungssport, in dem es keine Erbhöfe geben darf und die Meriten von einst irgendwann aufgebraucht sind, und natürlich gilt es, schlechte Leistungen kritisch zu hinterfragen. Vor allem aber geht es einfach auch um Anstand, Respekt und Fairness gegenüber einem Musterprofi, dessen Einstellung und Loyalität nach wie vor außer Frage stehen. Und der Nürnberg nach dem Abstieg trotz anderer Offerten treu geblieben ist, weil ihm dieser Club ans Herz gewachsen ist und "man schon wissen sollte, was man als Spieler hier hat", wie es Behrens im Sommer formulierte.

Auch gegen Kiel ist der 29-Jährige so viel gerannt wie kein anderer Nürnberger. Stolze 12,27 Kilometer. Behrens’ Passquote ist mit 68 Prozent ordentlich, nur bei der Zweikampfbilanz schneidet er mit 36 Prozent gewonnenen Duellen relativ schlecht (aber keineswegs am schlechtesten) ab. Das Grundproblem ist wohl eher das Gesamtbild, das Behrens derzeit abgibt. Im Bemühen, auf dem Platz alles selbst richten und regeln zu wollen, ist dem Hobbysurfer irgendwann die Balance abhandengekommen. Oft wirkt er seltsam fahrig und verkrampft, Bälle verspringen im letzten Moment, selbst einfachste Pässe finden nicht den Weg zum Mitspieler. Am Sonntag kam ein etwas tollpatschig verursachter, letztlich aber folgenloser Foulelfmeter hinzu.

Am wertvollsten für den Club war Behrens stets, wenn er sich aus dem Mittelfeld nach vorne einschalten konnte und im Abschluss vom exzellenten Timing beim Kopfball profitierte. Inzwischen ist der Dauerläufer meist mit Defensivarbeit ausgelastet, der Zug zum Tor ging dabei verloren. Für einen reinen "Sechser" fehlen aber Tempo und Dynamik, was auch für seine Nebenleute Lukas Jäger oder Johannes Geis gilt. Nürnbergs Spiel mangelt es so oft an Stabilität, Struktur, Handlungsschnelligkeit.

Die Misere des netten Hanno, der für dieses Geschäft manchmal vielleicht sogar zu nett ist, dürfte aber auch mentale Gründe haben. In der Bundesliga stieß der eifrige, aber technisch limitierte Antreiber wie viele andere an seine Grenzen, ein frustrierendes Jahr voller Negativerlebnisse hinterließ Spuren. Die Binde durfte Behrens dann zwar auch unter dem neuen Trainer Damir Canadi behalten, bedingungslos zu vertrauen schien der Österreicher seiner Führungskraft aber nie. Beim kollektiven Grottenkick in Sandhausen musste ausgerechnet der Häuptling zur Halbzeit raus – kein Sakrileg, gewiss, die öffentliche Debatte um den angezählten Kapitän war damit aber eröffnet. Mit drei Treffern und vier Vorlagen gegen Hannover, St. Pauli und Regensburg feierte Behrens eine kleine Auferstehung, es sollte jedoch nur ein Strohfeuer bleiben.

In der Kurve, vor der Presse

Zumindest neben dem Platz geht Behrens weiterhin tapfer voran. Ob im Dialog mit der aufgebrachten Kurve oder bei den ewig gleichen Analyseversuchen vor der Presse – der Capitano stellt sich. "Es tut sehr weh, dass wir in der letzten Sekunde noch das Tor kassieren", gestand er am Sonntag, und wer in sein fahles Gesicht sah, ahnte, dass das nicht nur so dahingesagt war. Ob Behrens persönlich wieder in die Spur findet und dazu ein taumelndes Team auf Kurs bringen kann, bleibt abzuwarten. Dass er alles dafür tun wird, davon darf man aber getrost ausgehen. Und deshalb wird es für den Kapitän wohl so schnell auch keine Note 6 geben.

57 Kommentare