Der Club nach dem HSV-Grauen: Willkommen in der 2. Liga

7.2.2019, 05:24 Uhr
Die gesamte Mannschaft zeigte in Hamburg eine unterirdische Leistung.

© Daniel Marr/Zink Die gesamte Mannschaft zeigte in Hamburg eine unterirdische Leistung.

Michael Köllner hat noch versucht, den Weltuntergang zu verhindern. Findet zumindest Michael Köllner. Geklappt hat das allerdings auch nicht. Der 1. FC Nürnberg, dessen selbstbewusster Trainer Köllner ist, war früh am Dienstagabend damit beschäftigt, sich das Pokal-Achtelfinale beim Hamburger SV zu einem Fiasko zu machen, da reagierte an der Seitenlinie Köllner.


"Scheißspiel": Ein planloser Club erschreckt sich selbst


"43 Mal", sagte Köllner später, hatte er seine Spieler auf dem Platz hin- und hergeschoben. Geändert hatte das rein gar nichts. Egal, wo er sie hingeschoben hat, seine Spieler hatten einfach so weitergemacht in ihrer Überforderung, sich dem Untergang mit jedem falschen Laufweg, jedem Fehlpass und jeder missglückten Abwehraktion ein bisschen weiter angenähert. Am Ende stand eine der erstaunlichsten Niederlagen, die dieser Club in seiner jüngeren Geschichte hat erleben müssen und die dadurch noch erstaunlicher wurde, dass sie sich mit einem sehr schmeichelhaften Ergebnis maskierte.

Souverän wirkt nichts mehr

0:1 (0:0) stand es am Ende. 0:1 kann ein unterdurchschnittlicher Erstligist gegen einen überdurchschnittlichen Zweitligisten natürlich jederzeit verlieren, zumal im Pokal. Dieses 0:1 war aber nur ein seltsamer Witz, den der Fußball-Gott über ein Spiel wagte, das man gar nicht mit Zahlen erklären musste, wenngleich die 20:1-Torschüsse, die am Ende für den Hamburger SV in der Bilanz standen, zumindest einen kleinen Hinweis geben auf das Spielgeschehen.

Der 1. FC Nürnberg war von der ersten bis zur letzten Minute derart überfordert von diesem Fußballspiel, dass allen, die es gut meinen mit diesem Verein, die Angst in die Glieder fuhr. Ein gänzlich neues Gefühl war das nicht für die armen Nürnberger, die in dieser Saison immer mal wieder chancenlos waren gegen die Erstliga-Konkurrenz. Vor diesem 0:1 gegen einen eher nicht vor Kreativität strotzenden HSV aber verblassten selbst die Havarien von Dortmund oder Leipzig.

Wer schuld war? Die Spieler, sagte erstaunlicherweise sehr deutlich Köllner auf die Frage, ob er sich auch Fehler vorwerfen muss. "Wir haben das Tempo gegen den Ball nicht hinbekommen. In der Auswahl der Spieler gab es jetzt auch nicht so große Möglichkeiten. Am Ende hat es viel damit zu tun, dass jeder auf seiner Position seine Aufgaben erledigt, und das haben wir heute auf vielen Positionen nicht geschafft", sagte Köllner, der tatsächlich mit Georg Margreitter und Tim Leibold auf zwei verletzte Stammspieler verzichten musste. Souverän wirkte das nicht mehr, aber an Souveränität hatte der 1. FC Nürnberg an diesem Abend im Volksparkstadion sowieso wenig Interesse – und setzte damit einen Trend der letzten Wochen fest.

Da war zum Beispiel Andreas Bornemann, der Sportvorstand, der so agierte, wie man das von einem Sportvorstand kommunikationstechnisch im schlechtesten Fall erwartet. Nach einem Pflicht-Interview beim Bezahl-Fernsehen verschwand Bornemann wort- und grußlos in der Kabine. Bornemann wirkt von der Kritik an seiner Transferpolitik angegriffen – und gerät nun offenbar selbst ins Schwanken, nachdem er im Interview mit den Nürnberger Nachrichten kürzlich noch betont hatte, dass ein Festhalten an seinem Konzept unumgänglich sei für einen finanziell so schlecht ausgestatteten Verein wie den seinen.

Club sah aus wie normaler Abstiegskämpfer - und austauschbar

Zu diesem Konzept gehörte lange in erster Linie der Trainer Michael Köllner und ein möglicher und sogar verständlicher Abstieg aus der ersten Liga. Dass es nach einem möglichen Abstieg in der zweiten Liga dann aber auch mit Köllner weitergeht, wollte Bornemann jetzt in einem Interview mit der Bild-Zeitung plötzlich nicht mehr als unumstößlich benennen. Wobei sich dann die Frage stellt, warum man sonst bis zum Saisonende Köllner vertrauen sollte? Alles wirkt auf einmal schwankend.

 

Köllner selbst hat derzeit auch Schwierigkeiten, Argumente für seine Weiterbeschäftigung zu liefern. Bei den beiden letzten Bundesligaspielen in Mainz (1:2) und gegen Bremen (1:1) war zwar ein leichter Trend zur Besserung zu erkennen, nur geschah das nicht mehr mit dem Fußball, den sich Köllner eigentlich vorgestellt hat. Köllner wollte sich die neue Liga mit Leichtigkeit zu eigen machen.

"Jetzt müssen wir Samstag die Woche retten" 

Als dieser Ansatz nach anfänglichen Erfolgen nicht mehr griff, orientierte sich Köllner mit Verspätung an denen aus der Mannschaft, die von Beginn an eine destruktivere Spielweise eingefordert hatten. Die Folge: Der Club verlor nun zwar nicht mehr 0:7, sah aber aus wie ein ganz normaler Abstiegskämpfer und austauschbar. Spiele werden nun eben 0:1 verloren oder 1:3.


Chancenlos beim HSV: Die Clubfans schäumen vor Wut


In Hamburg war dann von beiden Ansätzen nichts mehr zu sehen, Michael Köllner wirkte mit seinen Strategiewechseln mindestens so überfordert wie seine Spieler auf dem Platz. Als endlich alles vorbei war, fand Köllner nicht einmal mehr die Kraft für eine seiner sonnigen Spielanalysen, deren beste ihm zum Rückrundenstart nach nach dem Spiel gegen Hertha BSC gelungen war, als er aus einer 1:3-Niederlage kurzerhand Gold gemacht hatte.

Stattdessen kritisierte er seine Spieler und flüchtete sich in Parolen. "Jetzt müssen wir am Samstag die Woche retten", sagte Köllner am Dienstagabend auch noch über das anstehende Spiel beim Letzten aus Hannover. Die Woche ist allerdings nach den Eindrücken von Hamburg das Geringste, das es in Hannover für den Club zu retten gilt.

123 Kommentare