Der wunde Club-Punkt: Elfmeter-Misere wirkt weiter nach

30.4.2019, 05:36 Uhr
Der wunde Club-Punkt: Elfmeter-Misere wirkt weiter nach

© Matthias Merz/dpa

"Wir haben", klärte Boris Schommers nach dem 1:1 gegen den FC Bayern München auf, "einen Pool an Schützen" – und regelmäßig, möchte man ergänzen, geht einer davon baden, wenn er sich den Ball auf dem Elfmeterpunkt zurechtgelegt hat. Der Interimstrainer verzichtet aus Überzeugung darauf, aus besagtem Pool einen festen Schützen festzulegen. Die Suche basiert auf Freiwilligkeit. Es soll sich einer bereit fühlen, die Last auf sich laden wollen. Nach vier Fehlschüssen in dieser Saison lässt sich jedoch leicht behaupten, dass dort, elf Meter vor dem gegnerischen Tor an der weiß markierten Stelle, ein sehr wunder Punkt für den Club liegt.

Mikael Ishak und Hanno Behrens (zweimal) hatten bereits vergeben, nun schloss sich auch Tim Leibold dieser traurigen Riege an. Der Linksverteidiger zielte in der Nachspielzeit beim Stand von 1:1 suboptimal – an den Innenpfosten. Vor allem dieser jüngste Fehlschuss dürfte Konsequenzen haben. Nürnbergs Hoffnungen auf den Klassenerhalt siedeln im kaum mehr messbaren Bereich an.

Nervenkostüm wackelt

Dem ohnehin schon emotional schwer beladenen Rucksack – mit Tränen in den Augen stand Leibold nach der Partie in der Fankurve – wollte von seinen Kollegen keiner zusätzlichen Ballast zufügen. Kritik an einem, "der die Verantwortung" (Lukas Mühl) übernommen hat, ist verpönt. Der Innenverteidiger stellte sich vor den Unglücksschützen. "Er war sich sicher, deshalb hat er sich den Ball geschnappt, und er hat sie im Training ja auch immer verwandelt." Nur ist Training das eine.

Das andere sind Stresssituationen unter realen und eben nicht klonbaren Bedingungen: "Du kannst Elfmeterschießen trainieren so oft, wie du willst, wenn du in der 90. Minute vor 50.000 stehst, ist das ein anderes Gefühl als im Abschlusstraining", verteidigte Mühl, während Rechtsverteidiger Robert Bauer angesichts der nun schon vier vergebenen Elfmeter, bei zwei von Behrens verwandelten Versuchen, "eine Symptomatik" erkannte. Ob sich daraus eine Qualitätsfrage oder doch nur eine nach dem nötigen Nervenkostüm ergibt, darüber schwiegen sich alle aus.

Dem Club bleiben drei Strohhalme

Auch Leibold. Der Schwabe zog sich aus der Affäre und mied die Mikrofone. Vermutlich auch, weil ihn Sky am Spieltag noch einmal intensiv mit dem VfB Stuttgart in Verbindung brachte. Wenige Tage zuvor hatte der Linksverteidiger eine Ankündigung der "Bild", wonach der gebürtige Böblinger auf dem Absprung sei, noch versucht, mit einer Fotomontage, auf der er im Barcelona-Trikot an der Seite von Lionel Messi zu sehen ist, zu konterkarieren.

Eine Hintertür scheint die offensichtlich fest vereinbarte Rückkehr in seine schwäbische Heimat jedoch noch zu haben. Ein Wechsel käme dem Bericht zufolge nur zustande, wenn der VfB die Klasse hält – ergo der 1. FCN nicht ...

Doch noch bleiben dem Club ja drei Strohhalme in Wolfsburg, zu Hause gegen Mönchengladbach sowie beim Saisonfinale in Freiburg, um das so gut wie Unmögliche möglich zu machen. "Ich muss sie nicht aufbauen, sie haben gegen den FC Bayern München ein sehr, sehr gutes Heimspiel absolviert", wollte Interimstrainer Boris Schommers nicht in den allgemeinen Abgesang einstimmen: "Wir waren aus meiner Sicht auf Augenhöhe und haben eigentlich alles richtig gemacht, bis auf den nicht verwandelten Elfmeter. Aber da kann keiner was dafür." Außer vielleicht Tim Leibold oder der Pfosten. Oder das Saisonpech.

Wer schießt den nächsten? Kerk: "Ich"

Für Schommers scheinen ebenfalls nur noch drei Spiele zu bleiben. Während es der neue Sportvorstand Robert Palikuca bei seiner Vorstellung noch tunlichst vermied, die Diskussion um den Trainerposten zu befeuern, sickerte nun der Name eines Kandidaten durch. Nach Informationen des "kicker" steht man im Kontakt mit Damir Canadi.

Der 48-Jährige war bereits in Palikucas Fokus, als er noch in Diensten von Fortuna Düsseldorf auf die Suche nach einem möglichen Nachfolger für Friedhelm Funkel gegangen war. Canadi arbeitet beim griechischen Erstligisten Atromitos Athen. Einen Namen machte sich der Österreicher, weil es ihm regelmäßig gelingt, mit wenig Mitteln Maximales zu erreichen. Der gebürtige Wiener führte den SCR Altach, den er zwischen 2013 und 2016 trainierte, in die Europa League. Gleiches gelang ihm in dieser Saison mit Atromitos Athen. Ein Szenario sieht vor, dass Schommers dann wieder die Rolle des Co-Trainers einnimmt.

Nach einem potenziellen Elfmeterschützen muss hingegen nicht gefahndet werden: "Ich", antwortet Offensivspieler Sebastian Kerk selbstbewusst auf die Frage, wer den nächsten schießt.

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