Derby-Fieber: "Das sind Lebenseinstellungen"

27.11.2020, 18:00 Uhr
Das erste Mal mit fünf und mit dem Opa im Ronhof: Holger Schwiewagner.

© Spielvereinigung Greuther Fürth Das erste Mal mit fünf und mit dem Opa im Ronhof: Holger Schwiewagner.

Ein gebürtiger Nürnberger, ein gebürtiger Fürther – und schon immer Fan des größten Fußballvereins der eigenen Stadt gewesen?
Schwiewagner: Absolut. Mich hat mein Opa mit fünf Jahren das erste Mal mit in den Ronhof genommen. Da bleibt man dann natürlich hängen.

Können Sie uns mal die Rückennummer auf Ihrem privaten Trikot erklären? Die 63?
Schwiewagner: Unser Team ist größer ist als die 25 bis 27 im Kader. Deshalb war es uns wichtig, dass jeder Mitarbeiter eine Rückennummer bekommt und haben das vor zwei Jahren eingeführt. Deren Größe lässt auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit schließen. Man sieht, dass ich schon relativ lange dabei bin. Und Mitglied seit meiner Jugend.


Rossow: Ich bin natürlich auch Mitglied, aber nicht wie der Kollege seit meiner Jugend. Aber glühender Fan seit meiner Kindheit. Ich glaube, das haben wir gemeinsam. Dass unsere Vereine von Generation zu Generation übergeben werden. Der Club und die Spielvereinigung, das sind Lebenseinstellungen.


Meine Herren, Ihre ersten Derby-Erfahrungen im Stadion?
Schwiewagner: Da habe ich tatsächlich schon bei der Spielvereinigung gearbeitet. Es war in Nürnberg und es war ein relativ bitteres Derby, aus Fürther Sicht zumindest, 2008/2009. Da hat der ehemalige Fürther Christian Eigler kurz vor Schluss noch einmal zugeschlagen. Mit einem zugegebenermaßen schönen Tor. Der Moment, als sich der Ball hinter Stephan Loboue in den Knick senkt, den habe ich noch im Hinterkopf.

Rossow: Das habe ich mit Holger Schwiewagner gemein. Mein erstes Derby-Erlebnis war auch kein angenehmes. 1997, Regionalliga Süd, Heimspiel für Fürth in unserem Stadion. Ein gewisser Frank Türr hat damals drei Tore geschossen, der davor lange für uns gespielt hatte. Ich war deshalb sehr froh über Marc Oechlers 1:0 im Rückspiel.

Wie fühlt man sich jetzt als Edel-Fan auf der Haupttribüne, wenn die Gegengerade und die Kurven leer bleiben?
Rossow: Es ist natürlich anders. Man erregt ja auch eine gewisse Aufmerksamkeit, wenn man seinen Emotionen freien Lauf lässt, das ist in einem vollen Stadion nicht so der Fall. Da fehlt etwas, ganz klar. Wir haben ja schon ein Geister-Derby gegeneinander gespielt. Da sitzen die Delegationen der Vereine und mehr nicht. Die Stimmung, die man sonst erfährt, die Elektrisierung, die findet einfach nicht statt.


Schwiewagner: Ich finde es befremdlich. Allein der Weg ins Stadion. Als ob man zum Einkaufen fährt, wohl gemerkt nicht zu Berufsverkehrzeiten. Was Niels Rossow sagt: Seine Emotionen im Griff zu behalten, die man ja eigentlich gerne auslebt, trotz verantwortlicher Position sind wir ja auch alle Fans: Das ist schwierig. Bei unserem ersten Geisterspiel gegen den HSV habe ich Mitte der zweiten Halbzeit eine Nachricht von meiner Frau bekommen, die mich darauf hingewiesen hat, dass man alles hört, was ich auf der Tribüne so von mir gebe.


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Provokante Frage: Ist das überhaupt ein richtiges Derby?
Rossow: Die Atmosphäre spielt eine extreme Rolle, aber ich muss gestehen: Es kribbelt schon wieder. Und es ist auch so ein ganz besonderes Spiel. Auch wenn jetzt keine Zuschauer im Stadion anwesend sind. Die Rivalität besteht trotzdem.

Schwiewagner: Ich freue mich auch auf Sonntag. Aber es geht ja schon auch ein bisschen darum, was zwischen den Derbys passiert. Wer sportlich die Vormachtstellung in Franken hat.


Ist der Fußball aus Ihrer Sicht gerade überhaupt gesellschaftlich relevant?
Schwiewagner: Ich habe da eine klare Grundhaltung, was die Ausübung des Berufs angeht. Da sollte man auch in der öffentlichen Diskussion aufhören, den Berufsfußballer auf eine andere Stufe zu stellen als Arbeitnehmer aus anderen Branchen, die auch ihrer Arbeit nachgehen müssen und dürfen. Das andere Thema ist natürlich unser privilegiertes Umfeld, dass im Fußball viel Geld im Umlauf ist. Aber ich finde, da sollte man bei aller berechtigter Kritik schon auch immer ein Stück weit differenzieren. Niels, Du korrigierst mich, aber ich gehe davon aus, dass auch bei euch keine Millionäre in kurzen Hosen rumlaufen.


Rossow: Ich stimme dem, was Holger gesagt hat, vollumfänglich zu. Der Fußball tut aber auch gut daran, sich seinem gesellschaftlichen Auftrag bewusst zu sein und sich auch neu zu erfinden. Man merkt schon auch, dass uns der Spiegel vorgehalten wird und wir nicht allen gesellschaftlichen Notwendigkeiten mit der entsprechenden Substanz begegnen können. Mir ist gerade in Zeiten wie diesen wichtig, dass man auch über den Tellerrand hinausschaut. Wir sind das Nummer eins-Gesellschaftsphänomen in unserem Land und haben als Fußballvereine, als Liga-Verband eine wahnsinnig große Reichweite.


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Ist die Nummer eins in Franken aus Ihrer Sicht ein zeitlich begrenzter Titel?
Rossow: Ich sag’s mal so: Wir treffen uns jedes halbe Jahr, um es neu auszufechten. Die Nürnberg-Fans sagen: Wir sind die Nummer eins, die Fürth-Fans ebenso. Hoffentlich werden wir am Sonntag wieder ein packendes Spiel sehen.


Schwiewagner: Wir reden ja im Fußball oft darüber, dass keine Spannung mehr da ist. Wer Meister wird oder die Champions-League-Plätze erreicht, ist häufig schon vorher klar. Umso schöner ist es doch, dass wir in der zweiten Liga zwischen Nachbarn quasi einen eigenen Wettbewerb kreiert haben: Den um die fränkische Meisterschaft.


Sie sollten die Würzburger Kickers nicht vergessen, sonst sind die sauer.
Schwiewagner: Okay, die mittelfränkische Meisterschaft.

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