"Die Burschen sind uns hinterhergelaufen"

26.6.2011, 17:57 Uhr

© privat/Repro: Roland Fengler

„Das war die glücklichste Zeit meines Lebens“, sagt Helga Faul. „Dass dieses Buch einmal auf so viel Interesse stoßen wird, hätte ich niemals gedacht.“ Aber es handelt nun einmal von einem Thema, das gerade das Land in Atem hält: vom Frauenfußball. Und Helga Faul, Jahrgang 1936, ist eine Pionierin auf dem Gebiet. Sie hat 1957 mit zwei Gleichgesinnten in einer Gaststätte in Zabo den „Damen-Fußball-Verein Nürnberg“ gegründet. In einer Zeit, da dieser Sport gänzlich den Männern vorbehalten bleiben sollte.

Die Sache mit dem Verbot sieht Helga Faul allerdings etwas anders, als sie gemeinhin dargestellt wird: „Der Deutsche Fußballbund hat Frauenfußball nicht gestattet. Aber ein offizielles Verbot gab es nicht.“ Also haben sie gespielt. Unerschrocken waren sie und leidenschaftlich. Sie hatten ihre Freude am Fußball und wurden dafür bewundert. „Die Burschen sind uns hinterhergelaufen und wollten Autogramme.“ Hohn und Spott wie andere Fußballfrauen erlebten sie nicht. Keine Pöbeleien.

Mit Hilfe von Handzetteln suchten Nürnbergs erste Kickerinnen nach Mitstreiterinnen. Auch Helga Fauls kleine Schwester Erika war mit von der Partie, damals 13 Jahre alt. Die Mannschaft war froh um jede Spielerin. „Wir waren etwa 15. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen.“ Die Mutter unterstützte ihre Mädchen, stellte ihr Schlafzimmer in der Ziegelsteiner Wohnung als Umkleidekabine zur Verfügung. Schwarz-Gelb waren die Trikot-Farben. Trainiert wurde auf einer Wiese an der Herrnhüttestraße. Sie gehörte der Firma Hering und deren Direktor hatte nichts dagegen. Auf dem Gelände des FC Bayern Kickers, für den die Schwestern gleichzeitig Handball spielten, waren Fußballerinnen zu der Zeit nicht gerne gesehen.

Es ist Samstagmittag, ein Tag vor dem Anpfiff der WM. Wir treffen Helga und Erika Faul in ihrem Stammlokal in der Nähe des Leipziger Platzes. Es duftet nach fränkischem Essen, eine freundliche Bedienung bringt alkoholfreies Bier. Auf dem Tisch liegt das schwarze Buch. Hier hat Helga Faul mit ordentlicher Handschrift eingetragen, welche Partien die Nürnberger Fußballerinnen wann und wo bestritten haben. 14 Spiele waren es insgesamt. Nationale und internationale. Da findet sich etwa die Aufzeichnung über das erste Länderspiel. Frauen aus Nürnberg und München traten in Augsburg gegen Österreich an – und gewannen. Helga Faul spielte auf verschiedenen Positionen, meist im Mittelfeld. „Heute ist Philip Lahm im Sturm, früher war Helga Faul in der Verteidigung“, sagt die 75-Jährige und lacht.

Maßgeblich unterstützt wurden die Nürnberger Fußball-Frauen von einem Mann. Der hieß Josef Floritz, lebte in München und war einst Trainer von Borussia Neunkirchen im Saarland. „Er war ein Idealist und hat den Frauenfußball unheimlich unterstützt“, sagt Erika Faul. Floritz kümmerte sich um die Gegnerinnen, um die Stadien, kam für die Zugkosten auf und organisierte die Partien – die erste am 9. November 1957 in Ulm. Es traten an: Fortuna Dortmund gegen München-Nürnberg. Das Spiel endete mit einem 7:0 für die Westdeutschen. Auch Länderspiele gegen Holland oder Österreich beraumte Floritz an. In ihrer Heimatstadt selbst haben die Nürnbergerinnen nie gespielt. Sie waren in Augsburg zu Gast, in Stuttgart, Zagreb und eben auch in Sarajevo. Und das kam so: „Wir waren im Urlaub auf der Insel Krk und spielten gegen einheimische Männer Fußball. Nur so aus Spaß. Die waren überrascht, wie gut wir waren, und luden uns zu einem Freundschaftsspiel ein.“ Die jungen Frauen nahmen dankend an, Josef Floritz kümmerte sich um das Organisatorische. Am 12. September traten die Nürnbergerinnen gegen die Frauen von „Roter Stern Belgrad“ in Zagreb an. Die Partie endete 11:2 für die einheimische Mannschaft. Am nächsten Tag wurde in Sarajewo gespielt. Endstand: 13:3. Der Schmerz über die Niederlage hielt sich in Grenzen. „Bei uns ging es vor allem um die Freude am Spielen.“ Und dieses Spiel im heutigen Bosnien war leider das letzte.

Als Floritz sein Engagement für den Frauenfußball aufgeben musste, war auch die Ära der Nürnberger Fußball-Pionierinnen vorbei. Ohne seine Energie und finanzielle Unterstützung konnten sie nicht bestehen. Die Faul-Schwestern spielten weiter Handball, später auch Tischtennis. „Aber Fußball“, sagt Helga Faul. „war meine Leidenschaft.“ Gerne hätte sie sich ein WM-Spiel live angesehen, aber eine solche Tour würde sie zu sehr anstrengen. Sie wird das Turnier im Fernsehen verfolgen.

Die Schwestern sind sich einig, dass das Team von Trainerin Silvia Neid gewinnen wird. „Auf jeden Fall“, sagt Erika Faul. „Die Moral stimmt.“ Helga Faul nickt. „Die Mannschaft ist gut aufgestellt. Sie wird wieder Weltmeister!“

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