Die Dressur sitzt: Müllert's bei Olympia?

15.1.2020, 16:31 Uhr
Die Dressur sitzt: Müllert's bei Olympia?

© Sebastian Gollnow/dpa

Die sogenannte Spielerfrau gehörte jahrzehntelang zum Inventar des Betriebs, sie verdankte ihren mit großen Sonnenbrillen und kostspieligen Handtäschchen zur Schau gestellten Status dem Umstand, mit einem Profifußballer verheiratet zu sein. Eine frühe Berühmtheit unter ihnen war Frau Gabi, wie sie der Boulevard nannte, als Managerin ihres Gatten Bernd Schuster avancierte Gabi Schuster zum Schrecken der Trainer und Vereinsvorstände.

Inzwischen hat sich die Spezies emanzipiert, längst gibt es Spielerfrauenmänner, der erste war David Beckham, dessen Spielerfrau Victoria Adams heißt, sich als Spice Girl zu Weltruhm sang und diesen als Model mehrte, ehe sie Parfums und Jeans (mit Krönchen auf dem Po) kreierte. Als Davids Stern zu sinken begann, strahlte der von Posh Spice Victoria umso heller.

Abwarten, sagt Thomas Müller

Bei den Müllers aus München könnte es jetzt ähnlich und doch ganz anders kommen. Thomas Müller, von Bundestrainer Joachim Löw ausgemusterter Fußball-Weltmeister, wird möglicherweise schon bald wieder für Deutschland spielen – nicht als Spielerfrauenmann, aber als, wenn man so will, Gatte von Lisa Müller, die zwar ebenfalls schon modelte (für zwei bekannte Pferdesportmarken), aber nicht singt, sondern reitet, und zwar so gut, dass sie olympische Weihen im Blickfeld hat.

Zum Perspektivkader 2020 zählt sie bereits; Lisa und Thomas Müller könnten im Sommer in Tokio zum deutschen Olympiateam gehören. Das ist jedenfalls der Plan, den Stefan Kuntz jetzt dem kicker anvertraute, noch etwas verklausuliert. Kuntz trainiert die deutsche U 21-Nationalmannschaft, die in Tokio als Olympia-Auswahl antritt und sich dafür mit drei etablierten älteren Profis verstärken darf.

"Im Hinterkopf", sagte Kuntz dem Fachmagazin, habe er dabei den 100-maligen Nationalspieler aus Pähl in Oberbayern – und noch ein bisschen weiter im Hinterkopf vielleicht die Idee, dass ein Familienausflug nach Tokio ein ganz gutes Argument beim Werben um prominente Verstärkung wäre. Damit könnte er richtig liegen. "Eine coole Spinnerei" nannte der 30 Jahre alte Thomas Müller das Gedankenspiel spontan gegenüber Sport1, "wenn man ganz viel träumen mag, wäre das natürlich schon eine coole Sache." Ansonsten? Abwarten, sagte Müller.

Mentorin Isabell Werth

Dass Lisa Müller reitet, wissen Fußballfreunde schon lange – allerdings wegen Thomas Müller, der auch wegen seiner gern von bayerisch-valentineskem Humor geprägten Thomas-Müller-Sätze zu den beliebtesten Fußballern im Land gehört. Man konnte es für ein kostspieliges Spielerfrauen-Hobby halten; seit dem vergangenen Herbst ist das anders, da schaffte die Dressurreiterin Lisa Müller den Wechsel von den Klatschspalten in die Sportteile. Seither weiß man auch, dass ihre Lehrmeisterin und Mentorin zu den erfolgreichsten Sportlerinnen der Welt gehört. "Lisa arbeitet sehr hart", sagte diese Isabell Werth, olympisch sechsmal vergoldete Dressurreiterin, als die Gelobte "völlig geplättet" war – ein bisschen überrumpelt vom eigenen Glück, dem Überraschungssieg beim Grand Prix im November in Stuttgart. Auf "Stand by me", einem gemeinsam mit Isabell Werth ausgebildeten zwölfjährigen Wallach, hatte Lisa Müller ihren ersten Erfolg auf internationaler Bühne gefeiert (und dabei die große Werth besiegt). Sie dürfe, sagte Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu, jetzt größere Ziele anvisieren.

Emanzipation über den Reitsport

"Es müllert im Dressur-Viereck", notierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung in Anlehnung an den Fußball. Denn eine schöne Geschichte weit über die Branche hinaus war es natürlich trotzdem auch wegen Thomas, der kaum ein Turnier seiner Gattin auslässt, aber die über Nacht ein bisschen berühmt gewordene Reiterin Lisa Müller nannte es – auch – eine Emanzipation. Zum ersten Mal war Thomas nur Staffage auf den Siegerfotos; dass Turnierveranstalter sie nicht ausschließlich wegen ihres Talents hofierten, wusste Frau Müller ja. Der Reiter-Revue hat sie einmal vom gängigen Klischee der Spielerfrau erzählt: "Man ist das dumme Frauchen, das faul ist und nur aufs Pferd gehoben wird."

Lisa Müller, 30 Jahre alt, geboren in München, entdeckte ihre Liebe zu den Pferden als Kleinkind auf dem Bauernhof der Großeltern, mit 16 Jahren ritt sie ihr erstes eigenes Pferd, ein Jahr später lernte sie den damaligen FC-Bayern-Nachwuchsspieler Thomas Müller kennen und heiratete ihn 2009; seitdem verbindet beide die Liebe – und die Liebe zu Pferden.

Gatte reitet "passabel"

Zwölf schöne Tiere gehören den Müllers, und obwohl es ihm vom Arbeitgeber Bayern München offiziell verboten ist, reitet auch Thomas sehr passabel, das jedenfalls hat Lisa Müller schon berichtet, als sie noch Spielerfrau war – aber trotzdem beim WM-Triumph in Rio 2014 fehlte, da hatte die eigene Karriere längst Fahrt aufgenommen.

Zum Fußball hat Lisa Müller schon länger nichts mehr gesagt, ihre Spielerfrauen-Karriere endete vor gut einem Jahr mit einer schlagzeilenträchtigen, via Instagram verbreiteten Stichelei gegen den damaligen Bayern-Trainer Niko Kovac, der ihren Mann nicht mehr aufstellte. Der Gatte musste sich damals öffentlich entschuldigen und tat es mit einem schönen Thomas-Müller-Satz. Der lautete: "Sie liebt mich halt, was soll ich machen?" Es könnte eine ganz besondere olympische Geschichte werden.

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