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Disc-Golf in Gößweinstein: Faszination des Golfspiels mit der Scheibe

4.6.2021, 12:28 Uhr
Da fliegt der Goldball, Verzeihung: die Golfscheibe. Bastian Reger hat sie gerade auf den Weg geschickt.

© Berny Meyer, NN Da fliegt der Goldball, Verzeihung: die Golfscheibe. Bastian Reger hat sie gerade auf den Weg geschickt.

"Disc Golf" heißt die Sportart, die schon in den 1970ern in den USA entwickelt wurde, ein paar Jahre später über den Ozean schwappte und in Ländern wie Finnland äußerst beliebt wurde. In Deutschland ist die Zahl der Aktiven noch überschaubar, vor allem Bayern ist nach wie vor ein weißer Fleck. Doch das soll sich jetzt ändern.

Und es gibt erste positive Anzeichen. Schon seit 2012 existierte eine Neun-Loch-Anlage (die Sportler sagen wirklich "Hole", obwohl es sich eigentlich um einen Korb handelt) neben dem Höhen-Freibad in Gößweinstein. "Die lief ganz ordentlich, weil Firmen, Vereine und Familien den Parcours gerne buchten", berichtet Betreiber Thomas Mehl. Aber seit vergangenem Jahr boomt es. "Wir hatten in einer Saison mehr Besucher als zuvor in fast einem Jahrzehnt."

Aus zwei Gründen: Erstens hatte Mehl den Parcours auf Anraten von Insidern - anfangs ohne große Überzeugung - auf 18 Bahnen erweitert, was viele "Profis" anlockte, die wegen nur neun Bahnen die weite Anreise nicht in Kauf genommen hätten. Und zweitens kam dann Corona.

Naturerlebnis und Geschicklichkeit

Disc Golf gilt als Einzelsportart und kombiniert zwei Dinge, die Menschen in diesen Zeiten besonders suchen: Bewegung in freier und schöner Natur auf der rund fünf Kilometer langen Runde durch Feld und Flur und einen gewissen Kick durch den Wettkampf, bei dem es auf Geschick und kluge Taktik ankommt.

Dabei ist die Hemmschwelle für den Einstieg niedrig. Während die Asse bis zu zwei Dutzend verschiedene Flugscheiben in ihrem Rucksack mit sich führen, tut es für die Anfänger ein Stoffbeutel mit drei Frisbees, wie Bastian Reger erklärt. Der 39-Jährige ist gemeinsam mit seinem Kumpel und Nachbarn Julian Heinl (29) knapp 60 Kilometer aus dem oberpfälzischen Immenreuth angereist.

Und sie geben gerne die "Erklärbären" für den Laien. Wobei die Regeln in vielen Punkten identisch mit dem Golfsport sind: Gezählt wird die Zahl der Versuche, bis das Spielgerät im Loch versenkt ist. Auch die Begriffe Eagle, Birdie, Par oder Bogey wurden übernommen. Und wie beim Golf wird immer da weiter gespielt, wo die Scheibe gelandet ist.

Herausforderung im Wald

Auf freier Fläche kein Problem, im Wald bei Gößweinstein, wo Felsen und Bäume en masse im Weg stehen, eine echte Herausforderung. Laut Heinl möglicherweise einer der schwierigsten Parcours überhaupt. Und der schon länger aktive Reger rät dazu, "schlau" zu spielen - vor allem Anfänger: "Lieber mit einem sicheren Wurf halbwegs auf dem Weg bleiben als mitten aus dem Gestrüpp heraus und ohne Blick aufs Ziel weitermachen müssen."

Die Wurftechniken sind vielfältig: Rückhand, Vorhand, Überkopfwürfe mit jeweils verschiedenen Kurvenoptionen. Drei grundsätzlich verschiedene Scheibenarten gibt es. Den Driver, um große Distanzen - der Weltrekord liegt bei 338 Meter - zu überwinden, den Midrange für mittlere Entfernungen und den Putter zum Einlochen in den Metallkorb, bei dem Ketten dafür sorgen, dass die Scheibe in aller Regel abgebremst wird und innen liegen bleibt. Was bei den Scheiben auffällt: Sie sind grundsätzlich schwerer und härter als die Frisbees, die man gemeinhin kennt.

Der perfekte Umgang mit ihnen ist eine Lebensaufgabe, kann sich aber lohnen, wie Bastian Reger erzählt. So hat ein US-Profi unlängst einen Vertrag über zehn Millionen Dollar jährlich bekommen - Scheiben mit seinem Namen verkaufen sich bestens. Davon ist man in Deutschland weit entfernt, es gibt mit Simon Lizotte nur einen Profi, der auch in die USA gezogen ist.

Bayern fast ein weißer Fleck

Und Disc Golf in Bayern? Das ist fast ein trauriges Kapitel, wie Enzo Pedaci zu berichten weiß: Er ist der Fachwart im Frisbee-Landesverband Bayern FLBY, den er "Flybee" ausspricht. Ganze neun Vereine mit 191 registrierten Spieler hat er unter sich, mit seinem Nürnberger Verein Hyzer Crew ist er schon lange auf der Suche nach einem geeigneten Gelände, derzeit zieht man mit mobilen Körben durch die Gegend. "Andere Bundesländer sind uns weit voraus", betont er. Im gesamten Freistaat sind nur zehn Plätze registriert, fast alle im Süden. Schönwald im Fichtelgebirge und eben Gößweinstein sind die einzigen in Nordbayern. Pedaci: "Die Anlage in Gößweinstein ist sehr schön, aber fürs regelmäßige Training schon weit weg."

Bastian Reger und Julian Heinl schert die fast einstündige Anfahrt wenig. Sie sind Stammgäste, absolvieren in der Regel zwei bis drei Runden, bis sie sich ihr "Radler danach" verdient haben. "Absolut abwechslungsreich" sei der Parcours sagen die beiden, die gerade in der Corona-Zeit geschätzt fünf mal die Woche trainiert haben (auch daheim). Und sie freuen sich darauf, dass bald "hoffentlich" wieder mehr Wettkämpfe stattfinden dürfen. Auch in Gößweinstein, wo 2020 die "Südstaaten-Tour" mit mehreren Stopps in Bayern und Österreich Halt machte.

Thomas Mehl ist übrigens durch die stets neue Herausforderungen suchende Kundschaft seines Boots- und Kanuverleihs und eine Fernsehreportage auf die Disc-Golf-Idee gekommen: "Da gab es Betriebe, die nach mehreren Kanutouren für ihre Belegschaft auf mich zugekommen sind mit der Frage: Was habt Ihr denn noch? Und dann habe ich zunächst mit Bogen-Parcours begonnen, Disc Golf kam hinzu und Stand-Up-Paddling. Man muss immer die Augen offen halten nach neuen Trends."

Vertrauen in die Kunden

Seine Firmen "Leinen los" und "Sehnensucht" (Bogenschießen) sind zwar kommerzielle Unternehmen, aber großteils setzt man auf Vertrauen. Weil das Kassenhäuschen nicht immer besetzt ist, gibt es einen Briefkasten, in denen die Gäste ihren Obolus (der gilt übrigens für den ganzen Tag) einwerfen sollen. Und Wurfscheiben kann man sich in diesem Fall in der örtlichen Tankstelle ausleihen.

Mehr Infos unter: www.leinen-los.de/disc-golf

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