Doch nicht bundesligareif? Der Club kämpft mit sich selbst

27.11.2018, 10:00 Uhr
Immer eine Qualitätsfrage: Trainer Michael Köllner und seine Führungsspieler Hanno Behrens und Tim Leibold, rechts Robert Bauer.

© Sportfoto Zink / DaMa Immer eine Qualitätsfrage: Trainer Michael Köllner und seine Führungsspieler Hanno Behrens und Tim Leibold, rechts Robert Bauer.

Michael Köllner liest gerne und auch viel, selbst hat er auch schon drei Bücher verfasst. "Dein Weg zum Fußballprofi" zum Beispiel richtet sich auch an Trainer, "die Ihre Schützlinge (...) begleiten und fördern möchten".

"Dein Weg zum Bundesliga-Profi" wäre ebenfalls ein spannender Titel, geplant ist zurzeit offiziell nichts. Möglicherweise wartet Köllner auch erst den von ihm angeleiteten Feldversuch mit dem 1. FC Nürnberg ab, bevor er seine Erfahrungen in die Tastatur klopft.

Begleitendes Informationsmaterial sammelt er fortwährend. Erst kürzlich sei irgendwo gestanden, welchen Marktwert sein Aufgebot gerade habe, womit sich eigentlich fast jede noch so große Packung rechtfertigen ließe. Demnach kostet das komplette Club-Personal "so viel wie ein Ersatzspieler des FC Bayern", sagte der Trainer des Aufsteigers, das klingt nach einem gehörigen Wettbewerbsnachteil und ist wahrscheinlich auch einer. Deshalb: doch nicht bundesligareif?

Ob es besonders schlau ist, ständig darauf zu verweisen, steht auf einem anderen Blatt. Begabtere Spieler hat Köllner nicht, also gilt es eben, von Woche zu Woche besser zu werden. Auch das hat man in den vergangenen Wochen bereits ein paar Mal gehört, zumindest seiner Offensive bescheinigte er nach dem 2:5 in Gelsenkirchen-Buer ansteigende Form. Ansonsten wirkte er im Medienraum der Arena auf Schalke ungewohnt kleinlaut.

Löcher in der Defensive

Selbstverständlich hatten auch wieder die anderen Schuld, am Samstagabend zuvorderst der Schiedsrichter und der Platzwart. Einige seiner Fußballer bekamen aber ebenfalls ihr Fett weg. "Natürlich war es ein Torwartfehler", räumte Köllner ein, vor dem 0:2, 1:3, 2:4 und 2:5 leisteten zudem Georg Margreitter, Simon Rhein, Lukas Mühl oder Tim Leibold viel zu wenig Widerstand. Gerade den linken Verteidiger schienen die Schalker als Schwachpunkt auserkoren zu haben; nach den 90 Minuten konnte ihnen niemand widersprechen, selbst Köllner schüttelte ob der Passivität seiner Führungskraft den Kopf.

Doch nicht bundesligareif? Besonders im hinteren Mannschaftsteil liegen immer öfter die Nerven blank; den meisten da hinten mangelt es in entscheidenden Momenten am nötigen Tempo und Behauptungswillen, wohl auch an einem Plan, zudem sind die Schnittstellen zu durchlässig. Guido Burgstaller genügte vor seinem Treffer ein kurzer Antritt in den unbewachten Raum zwischen Abwehrreihe und Schlussmann, um sich entscheidend abzusetzen.

Das ging auch Samstagabend mitunter viel zu einfach, obwohl der Trainer nach Ballverlusten mit Ondrej Petrak einen zusätzlichen Sicherheitsbeauftragten als eine Art Libero auf gleicher Höhe einbaute. Darunter litt wiederum die Kompaktheit im defensiven Mittelfeld, wo eigentlich Hanno Behrens und Simon Rhein größeren Schaden abwenden sollten.

Aufsteiger 2017 und 2018 in Not

Grundsätzlich kein schlechter Ansatz, wie Michael Köllner fand, seiner Elf habe es sogar "gutgetan", mal was anderes auszuprobieren. Bloß sind die schönsten Pläne nicht viel wert, wenn es an der Umsetzung hapert. "Trotzdem", sagt der Trainer, "hat man immer das Gefühl, da geht noch was." Besonders vorn hat ihm der Auftritt in Gelsenkirchen besser gefallen als in Augsburg oder gegen Stuttgart. "Aber es ist müßig, darüber zu diskutieren, wenn man gerade fünf Stück kassiert hat".

 

Egal in welcher Zusammenstellung, irgendwo bremst sich dieser Club in letzter Zeit in unschöner Regelmäßigkeit ständig selbst aus. Links hinten, rechts vorn, zwischen den Pfosten. Und schon ist man wieder beim Talent. "Es ist", sagt Köllner, "ein Stück weit immer eine Qualitätsfrage." Dass die vier Aufsteiger aus 2017 und 2018 aktuell ganz unten stehen, ist vielleicht doch kein Zufall. Der 1. FC Nürnberg, Hannover 96, Fortuna Düsseldorf und der VfB Stuttgart müssen im Vergleich zur Konkurrenz erst finanziell wieder aufholen, wobei es beim Überraschungsletzten aus Bad Cannstatt nach der Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Kapitalgesellschaft am Geld nicht liegen kann.

Fehler werden konsequent bestraft

Nicht bundesligareif? Vielleicht sind andere, überwiegend weiche Faktoren doch fast genauso wichtig für den Erfolg wie Ablösesummen oder Gehälter. Beim Club wollen sie ihre Defizite "mit Kompaktheit und Teamspirit kompensieren", sagt Köllner. Auch ihm sei von vorneherein klar gewesen, "dass immer wieder mal ein Fehler passiert, schade ist halt, dass die Fehler relativ konsequent bestraft werden".

Insofern kommt der täglichen Arbeit noch mehr Bedeutung zu als an anderen Bundesliga-Standorten. Das Programm bis zum Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am Montagabend (20.30 Uhr) lautet unter anderem: Tim Leibold in Form bringen, einen rechten Verteidiger finden, Geschenke vermeiden.

In der Szene vor dem 2:4 "muss er nur rausattackieren, dann ist das Thema erledigt", sagte Köllner noch über seinen linken Verteidiger, ehe er womöglich die eine oder andere Zeitung studierte. Es stand letztlich überall das Gleiche nach dem 2:5 auf Schalke: Selber schuld, 1. FC Nürnberg.

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