Doku über Toni Kroos: Bayern war zu "schickimicki"

23.6.2019, 18:10 Uhr
Doku über Toni Kroos: Bayern war zu

Toni Kroos eilt über einen Hotelflur. Treppe hoch. Treppe runter. In einem kleinen Raum ein Foto-Shooting. Auf Kommando erst lächeln, dann ernst. In einem anderen Raum ein TV-Interview. Ruhe kehrt erst in einem zum Wartesaal umfunktionierten Speiseraum ein. Am Nebentisch sitzen gelangweilt Lionel Messi und Neymar. Zeit muss überbrückt werden bis zum Start der Weltfußballer-Gala der FIFA. Ruhe.

Ruhe - eine seiner größten Charaktereigenschaften

Dieses Wort durchzieht die Dokumentation "KROOS", den Kino-Film über das Leben des Fußball-Profis von den frühen Kindheitstagen in Greifswald bis zum Königsklassen-Hattrick mit Real Madrid. Ruhe, die innere, attestieren ihm praktisch alle Weggefährten und Bewunderer. Trainer von Joachim Löw über Jupp Heynckes bis Zinedine Zidane, Kollegen wie Gareth Bale, Journalisten wie Marcel Reif ("Toni Kroos spielt keine Fehlpässe.") und Paul Ingendaay. In 113 Film-Minuten werden viele Komplimente ausgeschüttet. Die Kroossche Ruhe ist die Richtschnur des Films, der am 30. Juni in Köln Premiere feiert und am 4. Juli für die Fans in die Kinos kommt.

Doku über Toni Kroos: Bayern war zu

© dpa

Familie und Freunde kommen zu Wort

Kroos, das ist der Unnahbare, Antipode in einem auf Spektakel ausgelegten Milliardengeschäft. Auch Oma und Opa rätseln im Film auf der Terrasse ihrer Datsche, vorher diese Ruhe beim Toni bloß kommt. "Dat hat er von seine Großmudder", sagt der Opa im Dialekt. "Von mir?", erwidert diese überrascht und widerspricht: „Das muss aus Vaters Richtung kommen.“ Vater Roland ist die prägende Figur in den frühen Fußballer-Jahren von Kroos. Er trainiert ihn in Greifswald und auch noch in Rostock. Es ist eine innige und auch typische vom Fußball dominierte Vater-Sohn-Beziehung.

Erst als zunächst in München – dem bis heute ungeliebten Ort – und dann in Leverkusen die Karriere richtig Fahrt aufnimmt, wird nach der sportlichen Abnabelung auch das Management anderen überlassen. Dieses Loslassen fiel Kroos senior deutlich schwerer als dem Filius. Gut sei es gewesen, auch mal wieder über andere Themen als Fußball reden zu können, erzählt Toni Kroos. Diese Gefühle kommen stark rüber im Film von Regisseur Manfred Oldenburg. Regen beim Training der Oberliga-Fußballer in Greifswald, die Tonis Vater wieder betreut. Schnitt. Regen beim Training der Super-Profis bei Real Madrid, wo Kroos junior ein fixer Bestandteil ist und doch irgendwie anders wirkt als seine Kollegen.

Eine Schutzhülle, die ihn umgibt

Gefühle wurden nicht gezeigt im Hause Kroos, erzählt Felix, der jüngere Bruder, der mit Union Berlin gerade in die Bundesliga aufgestiegen ist. Er selbst habe das lernen müssen. Dem Toni fällt das weiter schwer, berichtet Felix Kroos von dieser Schutzhülle, die seinen großen Bruder umgibt und ihn auch in diesem so persönlichen Film oft unnahbar wirken lässt. Die Fans können Toni aber auch weinen sehen. Bei einer Familienfeier. Sie können ihn als liebevollen Vater sehen, beim Spielen im Pool mit den Kindern umgeben von einem riesigen aufblasbaren Plastikeinhorn.

München als Wunderpunkt

Mit 16 Jahren verließ Toni Kroos sein Elternhaus, lebte als Teenager weit weg von der Ostseeküste in München. Hoeneß war da noch sein Schutzpatron. Doch München ist der wunde Punkt. "Mir wurde ganz oft gesagt, wie toll ich bin und wie richtig ich alles mache. Ich habe aber nicht gespielt", sagte der vierfache Champions-League-Sieger über seine erste Zeit im Bundesliga-Team beim deutschen Rekordmeister von 2007 bis 2009. "Mir war wirklich klar, dass ich mehr verdient hätte." Auch nach seiner Rückkehr nach München von Bayer Leverkusen, wohin er von 2009 bis 2010 ausgeliehen worden war, habe er sich nie richtig wertgeschätzt gefühlt.

"Das war alles ihm zu schickimicki", berichtet Mutter Birgit Kroos. Zehn Minuten nach einer Vertragsverlängerung habe er diese schon wieder bereut, erzählt er von seinen Gefühlen im Büro von Karl-Heinz Rummenigge. 2014 folgte der Bruch und nach dem WM-Triumph in Rio der Wechsel nach Madrid – paradoxerweise einem der unruhigsten Orte der Fußball-Welt.

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