Erlanger Sportpsychologe erklärt Elfmeter-Misere beim Club

1.5.2019, 06:00 Uhr
Eigentlich war der Elfmeter von Tim Leibold gegen den FC Bayern gar nicht so schlecht geschossen. Doch Am Ende scheiterte der linke Verteidiger am Innenpfosten.

© Sportfoto Zink / DaMa Eigentlich war der Elfmeter von Tim Leibold gegen den FC Bayern gar nicht so schlecht geschossen. Doch Am Ende scheiterte der linke Verteidiger am Innenpfosten.

Erlanger Sportpsychologe erklärt Elfmeter-Misere beim Club

Herr Dr. Ziemainz, gibt es den perfekten Elfmeter?

Heiko Ziemainz: So pauschal ist das nicht zu beantworten, sonst wäre es ja maximal unspannend für die Zuschauer. Grundsätzlich hat der Schütze am meisten zu verlieren, das sieht man immer ganz gut, wenn ein Elfmeter gegeben wird. Auch am Sonntag haben einige Spieler schon die Faust geballt, bevor der Elfmeter überhaupt geschossen wurde – weil es eben eine sehr große Chance ist, ein Tor zu erzielen.

Laut Studien liegt die Wahrscheinlichkeit bei etwa 75 Prozent.

Ziemainz: Genau. Deshalb ist es für den Schützen eine ganz besondere Drucksituation. Der Torhüter ist in einer ziemlich komfortablen Rolle, wenn er den Ball hält, ist er der King. Den perfekten Elfmeter gibt es also nicht, jeder Schütze ist anders, jeder Torhüter reagiert anders, jeder bereitet sich anders vor.

Was sagt der Sportwissenschaftler zum Elfmeter von Tim Leibold?

Ziemainz: Der Elfmeter war nicht schlecht geschossen, der Torwart war ja nicht dran. Ich vermute, dass der Ball drin gewesen wäre, wenn er einen Zentimeter weiter links getroffen hätte.

Für Nürnbergs Trainer Boris Schommers war es auch kein psychologisches Problem, sondern einfach nur Pech.

Ziemainz: Wir befinden uns im Hochleistungsbereich, wo Millimeter entscheiden können. Viel schlimmer fand ich die Eins-gegen-Eins-Situation von Coman gegen Mathenia. Eigentlich hätte man davon ausgehen können, dass ein Spieler dieser Klasse das Ding reinmacht. Tim Leibold war gut vorbereitet, er konnte dem Druck standhalten, denn der Elfmeter war präzise geschossen. Selbst Lionel Messi hat in Drucksituationen schon Elfmeter verschossen. Oder Uli Hoeneß bei der EM 1976.

Spieler betonen gerne, dass man Elfmeter natürlich trainieren kann, aber niemals diese ganz spezielle Situation, diesen Druck, womöglich vor 50.000 Leuten zu versagen.

Ziemainz: Sie können schon bestimmte Dinge im Training schulen, es gibt mehrere Varianten, um im Ansatz eine solche Drucksituation zu simulieren.

Hilft es, generell die Stressresistenz zu trainieren?

Ziemainz: Wenn die Stressresistenz höher ist, steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit, in solchen Momenten bestehen zu können. Es gibt aber immer wieder Drucksituationen, die für einen Menschen neu sind. Nicht jeder Schuss ist identisch, das ist ja auch das Schöne am Fußball. Wenn man alles exakt vorausberechnen könnte, wären Sie annähernd arbeitslos.

Was würden Sie einem Fußballer raten, wenn er Sie um Hilfe bäte?

Ziemainz: Was helfen kann ist, dass man sich auf eine ganz bestimmte Situation konzentriert. Zum Beispiel, wie man mit dem Fuß den Ball trifft oder wo man genau hinschießen möchte, um wirklich alles um einen herum ausblenden zu können.

Der 1. FCN hat in dieser Saison allerdings vier von sechs Strafstößen verschossen.

Ziemainz: Das waren aber auch drei oder vier unterschiedliche Schützen.

Drei. Hanno Behrens, Mikael Ishak und Tim Leibold . . .

Ziemainz: Man kann natürlich unterstellen, dass das mit Unerfahrenheit zu tun hat, in der ersten Liga ist vieles neu, vieles anders, als sie es aus der zweiten Liga kennen. Es ist aber schwierig, die Gründe zu finden, warum sie treffen oder nicht. Gegen Bayern kann man der Mannschaft nichts vorwerfen. Der Club hat aus seinen Möglichkeiten das Beste gemacht und in der Situation Pech gehabt.

Eigentlich war ja alles perfekt. Ihre Kollegen haben herausgefunden, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Tor steigt, wenn der Elfmeterschütze ein rotes Trikot trägt.

Ziemainz: Man kann lange philosophieren, ob die Farbe des Trikots eine Rolle spielt. Letztlich kommt es nur auf den Schützen, seine Vorbereitung und Ausführung an – und natürlich darauf, ob der Torhüter eine Ecke anbietet. Es gibt so viele Variablen, wenn man nur an einer Stelle minimal etwas verändert, geht der Ball eben an den Pfosten. Die Trikotfarbe spielt da nur eine ganz untergeordnete Rolle.

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