Ex-Nürnberger Young: "Und das nur, weil ich schwarz bin"

7.6.2020, 13:26 Uhr
Ex-Nürnberger Young:

© Foto: Hans-Martin Issler/Zink

Am College brach Josh Young (32) diverse Rekorde, ein NBA-Klub wollte ihn dennoch nicht verpflichten. Seine Profi-Karriere begann der in Lawton, Olakoma, geborene Basketballspieler deshalb 2010 in Deutschland bei Bayer Leverkusen. Nach drei Jahren in Tübingen wechselte er 2014 zu rent4office Nürnberg und spielte dort eine sehr erfolgreiche Saison, die erst im Playoff-Halbfinale endete. Nach einer Knieverletzung kämpfte er sich 2016/17 im Trikot der Falcons wieder zurück, anschließend etablierte er sich mit Rasta Vechta in der Bundesliga.

NN: Herr Young, eigentlich wollte ich mit Ihnen vor allem über das Final-Turnier der Basketball-Bundesliga und ihre Entwicklung seit dem Wechsel aus Nürnberg sprechen, aber nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd kommen wir nicht daran vorbei, über das zu sprechen, was gerade in Ihrer Heimat passiert. Können Sie sich noch an den Tag erinnern, als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde?

Josh Young: Das war ein emotionaler Tag. Ich war nicht besonders optimistisch, was seine Führungsqualitäten angeht. Er hatte bis dahin nicht bewiesen, dass er Menschen zusammenbringen kann. Eigentlich bin ich ein sehr optimistischer Mensch, was alle Lebensbereiche angeht, und ich hatte gehofft, dass er meine Meinung ändern kann.

NN: Das dürfte sich spätestens seit vergangener Woche erledigt haben.

Young: Ja, er kann definitiv nicht verschiedene Menschen vereinen. Ich bin in meiner Karriere oft ein Anführer gewesen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Menschen Fragen und Ängste haben. Das wichtigste ist dann voranzugehen, den Leuten ihre Sorgen zu nehmen und sich gegen das Böse in der Welt auszusprechen. Er tut nichts davon.

NN: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Bilder aus Ihrer Heimat sehen?

Young: Ich spüre eine große Verbundenheit. Wäre ich zu Hause, wäre ich bei den Protesten dabei. Es passieren Dinge, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Grund zu tun haben, warum die Menschen auf die Straße gegangen sind, aber ich kann den Schmerz verstehen.

NN: Wie schwer ist es, gerade so viele Tausende Kilometer entfernt zu sein?

Young: Ich wünschte, ich wäre dabei. Man liest in Geschichtsbüchern viel über die Momente, die so wichtig für Länder, für die ganze Welt waren. Ich glaube, das ist so ein Moment, der in die Geschichte eingehen wird. Und wenn man später darüber redet, wenn mich meine Kinder fragen: Wo warst du damals? Was hast du gemacht? Dann würde man gerne sagen, dass man für die richtige Sache eingestanden ist.

NN: Und dann müssen Sie sagen: Ich war in Vechta. Und jeder würde fragen: Wo ist das?

Young: Exakt. Ich würde dann sagen, dass ich in the middle of nowhere in Deutschland war. (lacht)

NN: Vor allem schwarze Männer sind in den USA von Polizeigewalt betroffen. Haben Sie so etwas selbst erlebt?

Young: Zum Glück keine körperliche Gewalt, aber Diskriminierung habe ich immer wieder erlebt. Ich wurde ohne ersichtlichen Grund angehalten, ich bin gefragt worden, ob ich ein Dieb bin, ich wurde aus dem Auto gezogen, ich saß auf dem Rücksitz von Polizeiautos. Nicht, weil ich irgendetwas verbrochen habe, sondern einfach nur, weil ich ein schwarzer Mann in Amerika bin. Es gibt einen Unterschied zwischen die gleichen Rechte zu haben und auch wirklich als gleichwertig betrachtet zu werden. Und genau das muss sich ändern, nicht nur in den USA.

NN: Waren Sie sich dieser Tatsachen schon immer bewusst? Hat schwarz zu sein eine Rolle gespielt, als Sie aufgewachsen sind?

Young: Je älter ich geworden bin, desto mehr habe ich gemerkt, wie wichtig die Farbe meiner Haut ist. Nicht für mich, aber offenbar für die Welt. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, die sehr divers ist. Ich hatte viel Kontakt zu Weißen, auch weil ich auf eine Privatschule gegangen bin. Ich kannte also beide Welten, aber je öfter ich solche Kontakte mit der Polizei hatte, wurde mir klar, dass in mir viele nicht den Menschen Josh Young sehen, sondern vor allem einen Schwarzen.

"Basketball ist ein Geschenk"

NN: Sie haben den möglicherweise historischen Augenblick erwähnt. Beschäftigen Sie sich mit "schwarzer" Geschichte?

Young: Absolut. Schon bevor das alles begonnen hat, habe ich angefangen, mich mehr mit schwarzer Geschichte auseinandersetzen. Ich lese viel über die Bürgerrechtsbewegung, über Theorien, über Menschen, die für den Status gekämpft haben, den wir heute besitzen, und wie wir diesen verbessern können, auch völlig unabhängig von Hautfarben.

NN: Ist Sport manchmal eine Blase? Als Profi muss man sich über viele Sachen normalerweise keine Gedanken machen.

Young: Ja, es ist eine Blase. Sport ist so wundervoll, weil man mit Menschen zusammenarbeitet, die unterschiedliche Hintergründe haben, die aus verschiedenen Ländern kommen, unterschiedliche Religionen haben. Basketball ist ein Geschenk für mich, weil man all das kennenlernen darf. Gleichzeitig sind wir das alle gewöhnt und können die Realität oft ausblenden.

NN: Haben Sie Rassismus erlebt, seitdem Sie in Deutschland spielen?

Young: Ja, aber sehr selten. In den USA wurde ich manchmal auf dem Feld rassistisch beleidigt.

NN: Viele Weiße wollen sich solidarisch zeigen, wissen oft aber nicht genau wie, weil es natürlich auch schnell etwas Anmaßendes hat, mit seinen Privilegien die Positionen anderer zu vertreten.

Young: Ich kann nicht für weiße Menschen sprechen, denn ich bin ja keiner. Es geht einfach darum, dass man die Dinge beim Namen nennt, wenn man sie erlebt. Dass man den Mund aufmacht, wenn ein Freund etwas Rassistisches sagt. Und: Man kann sich mit der Geschichte von schwarzen Menschen beschäftigen und welche Rolle die Weißen in dieser Geschichte hatten, um gemeinsam die Probleme zu überwinden.

"Umstände sind nicht ideal"

NN: Was machen Sie mit all der Wut, oder sagen wir Energie, die Sie gerade haben? Können Sie die im Training loswerden?

Young: Basketball war immer eine gute Ablenkung in meinem Leben. Man spielt das Spiel, das man liebt, schaltet den Kopf aus, trifft seine Mitspieler, arbeitet hart. Aber am Ende des Tages drehen sich meine Gedanken natürlich trotzdem um die aktuelle Situation. Aber: Ich bin optimistisch, was die Zukunft angeht.

NN: Lassen wir etwas Ablenkung zu und reden über Basketball. Was erwarten Sie sich vom Final-Turnier?

Young: Einfach nur, dass man sich wieder beweisen darf. Basketball auf dem bestmöglichen Niveau zu spielen und hoffentlich ein paar Spiele gewinnen. Ich glaube, für die Fans ist es schön, dass sie wieder etwas Sport sehen können.

NN: Es gab viele Diskussionen im Vorfeld. Drei Wochen Quarantäne im Hotel, wenig Vorbereitungszeit, die höhere Verletzungsgefahr.

Young: Die Umstände sind nicht ideal. Drei Wochen in einem Hotel zu verbringen, ohne Kontakt zu anderen Menschen, und nur mit den Menschen, gegen die man antritt. Aber man musste eben Voraussetzungen schaffen, damit das Turnier genehmigt wird.

"Sehe mich wieder in den USA"

NN: Wie wollen Sie sich die Zeit vertreiben?

Young: Ich möchte sehr viel lesen. Ich nehme fünf Bücher mit und ich möchte alle schaffen, bevor das Turnier zu Ende ist. Und natürlich werde ich viel mit meiner Familie zu Hause kommunizieren.

NN: Fünf Bücher? Sie planen offenbar einen Aufenthalt bis zum Finale.

Young: Naja, ich werde ein immer schnellerer Leser. (lacht)

NN: Sie haben früh den Sprung in die Bundesliga geschafft, mussten dann aber immer wieder in der 2. Liga Anlauf nehmen. Inzwischen sind Sie ein Schlüsselspieler.

Young: Es war definitiv eine Achterbahnfahrt. Knieverletzungen haben mich immer wieder ausgebremst. In der ersten Liga zu spielen und in der Champions League, ist toll.

NN: Sie spielen nun seit zehn Jahren in Deutschland. Könnten Sie sich – auch wegen der aktuellen Umstände – vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben?

Young: Dauerhaft? Puh. Vor kurzem habe ich mir das tatsächlich vorstellen können. Aber gerade wegen der aktuellen Situation und weil ich glaube, dass ich einen guten Einfluss auf junge Menschen haben kann, sehe ich mich wieder in den USA.

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