Ex-Präsident Roth: Lebenswerk, Teppiche und der Club

10.8.2020, 10:24 Uhr
Zweimal und insgesamt knapp 20 Jahre war Teppichmogul Michael A. Roth FCN-Präsident.

© Daniel Karmann, dpa Zweimal und insgesamt knapp 20 Jahre war Teppichmogul Michael A. Roth FCN-Präsident.

Michael A. Roth scheute als Präsident des 1. FC Nürnberg keinen Konflikt. Als "Alleinherrscher" oder "Napoleon vom Valznerweiher" wurde der frühere Teppich- und Textilunternehmer schon mal bezeichnet. "Mir haben solche Schlagzeilen nicht geschadet", sagte Roth vor seinem 85. Geburtstag am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur im Interview. "Man muss abgebrüht sein und ich habe auch ein breites Kreuz, aber gestört hat es mich doch ein bisschen."

Wie geht es Ihnen?

Michael A. Roth: Mir geht's sehr gut. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, aber mir fehlt praktisch nichts. In den Jahren zwischen 60, 70 und 80 steht schon mal eine größere Untersuchung an, weil einem etwas weh tut und man sich durchleuchten lassen muss, aber im Moment hab ich gar nix. Ich bin pumperlgsund.

Sehen Sie sich selber im Ruhestand oder Un-Ruhestand?

Roth: Im Ruhestand nur, was das Geschäft belangt, da bin ich nicht mehr so aktiv. Unsere Tochter und unser Sohn sind da tätig. Wir haben schon vor vielen Jahren Immobilien als unsere zweite Firma aufgebaut. Mit ARO hatten wir damals 130 Filialen, das Geschäft ist dann aber gekippt, es hat sich nicht mehr so gelohnt, als Hartbeläge wieder in Mode gekommen sind. Diese Bodenbeläge haben auch die Baumärkte und da hat sich ein ziemlicher Preiskampf entwickelt. Unser Geschäft haben wir damals vor allem mit Orientteppichen gemacht. Beim Einkauf in den Ursprungsländern Persien, China, Indien und Nepal standen mir meine Brüder Reinhold und Heinz sowie gutes Fachpersonal zur Seite. Die Teppiche wurden vor Ort genau geprüft und plombiert. Durch den Direktimport haben wir günstiger verkaufen können als die Konkurrenz und trotzdem sehr gutes Geld verdient. 50 Prozent unseres Umsatzes haben wir zu Glanzzeiten mit Orientteppichen gemacht.


Michael A. Roth: "Ich wollte aussteigen"


Schaut man als ehemaliger Teppich- und Textilunternehmer jemandem, bei dem man zum ersten Mal zuhause eingeladen ist, erstmal auf den Fußboden und nicht zum Beispiel zuerst in die Augen?

Roth: Unbewusst ja (lacht), ein Fachmann schaut auf so was. Nehmen Sie den Teppich hier (deutet auf den Boden im Wohnzimmer). Der Schah von Persien hatte eine Lieblingsmoschee und diese ist auf diesem Teppich abgebildet. Das ist reine Seide, fast zehn Jahre lang haben sieben Knüpfer daran gearbeitet. Seide lässt sich am Schwersten knüpfen, sie rutscht nicht so wie Wolle. Durch Zufall bin ich dazu gekommen und auch noch rechtzeitig, bevor wir unser Haus geplant haben, denn der Teppich musste in die Halle passen (lacht).

Wie sind Sie zu den Hühnern in Ihrem Garten gekommen?

Roth: Es hat mich immer begeistert, wie mein Großvater mit seinen Hühnern umgegangen ist. Dann habe ich mir gedacht: Ich habe Zeit und im Garten auch Platz. Einen Zwinger hatten wir schon und jetzt haben wir zwölf Hühner, die fleißig Eier legen. Anfangs wollten wir den Zwinger abends noch verschließen, aber es kommt kein Tier rein und kann auf die Hühner losgehen. Wir lassen sie daher draußen, da haben sie auch großen Auslauf. Abends um neun oder zehn Uhr, in der Dunkelheit, gehen sie rein und in der Früh, um sechs Uhr oder halb sieben, kommen die ersten Hühner schon wieder raus.

Sie sind früher Rennen mit Geländemotorrädern gefahren, hatten am 7. Mai 1980 im Steigerwald aber einen schweren Unfall. Was für Erinnerungen haben Sie daran?

Roth: Das ist wie ein zweiter Geburtstag für mich, ich habe den Tag in meinem Kalender angestrichen. Ich hatte damals eine Egli-Kawasaki, aber mit der Maschine bin ich nicht glücklich geworden. Die Bremsen haben zu scharf angepackt, beim Anfahren auf die Kurve hat vorne und hinten das Rad voll blockiert, das war ich nicht gewohnt. Ich bin gerade so unter einer Leitplanke durchgerutscht und habe mir dabei einige Knochen gebrochen, den Arm, das Becken, aber glücklicherweise keine inneren Verletzungen erlitten. Ich wundere mich noch heute, wie ich damals unter der Leitplanke durchgepasst habe.

2015 wurde Ihr Textilunternehmen ARO zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren insolvent. Empfinden Sie die Insolvenz als Scheitern?

Roth: Um ARO hat es mir leid getan, ich habe an der Firma gehangen, ich habe sie ja selber aufgebaut. Wenn du selber aber nicht mehr das Sagen hast und sich der Betriebsrat gegen dich stellt, ist es am Ende wie eine Genugtuung. So ist mein Naturell, deswegen bin ich beim Club mit den Leuten - oder sie mit mir - auch nicht mehr glücklich geworden. Wenn es gut läuft, meinen die Leute: Das können wir auch, den brauchen wir nicht mehr. Da täuschen sie sich aber.

Man hat Sie als Präsident des 1. FC Nürnberg gerne mal als "Alleinherrscher", "Patriarch" oder "Napoleon vom Valznerweiher" bezeichnet. Haben Sie solche Beschreibungen gestört?

Roth: Mir haben solche Schlagzeilen nicht geschadet. Man kann dagegen ja nichts machen. Wenn dich einer auf dem Kieker hat, dann tust du dich schwer. Man muss abgebrüht sein und ich habe auch ein breites Kreuz, aber gestört hat es mich doch ein bisschen.

Sie wurden auch als Trainer-"Killer" bezeichnet, weil sie so viele von ihnen verschlissen haben.

Roth: Das ist doch heute schlimmer als zu meinen Zeiten. Ich übertreibe jetzt mal: Bayern München hat einen Sack voll Geld, die suchen sich einen Trainer aus einer Liga, in der ich gar nicht anklopfen muss. Dann kommt eine mittlere Liga, da wären vielleicht ein paar interessante Trainer dabei, aber die sind auch schon gestolpert und verlangen auch ein ganz schönes Gehalt. Und dann hast du die Trainer aus der unteren Liga, die zum Club kommen würden. Das ist aber von vornherein nur die dritte Klasse, obwohl ich einen guten Trainer aus der Mittelklasse bräuchte. Ich hatte nie ein persönliches Problem mit einem Trainer, wenn dann war es rein sachlich.


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Sie haben auch selber Schlagzeilen produziert. 2003 wurden Sie nach dem 1:2 des 1. FC Nürnberg in der 2. Bundesliga gegen den VfB Lübeck mit folgenden Worten zitiert: "Nach dieser Vorstellung muss ich sagen, ich habe eine Pistole samt Waffenschein und würde einigen am liebsten das Hirn durchpusten." Bereuen Sie diese Aussage?

Roth: Ich war damals im VIP-Raum und wütend. Ich wollte in Ruhe gelassen werden und mich zu dem Spiel nicht äußern, ein Reporter der "Abendzeitung" hat aber immer wieder gebohrt. Auf dem Weg zu meinem Auto habe ich das dann in Rage gesagt, wusste aber nicht, dass der Reporter sein Diktiergerät mitlaufen ließ. Ich hätte natürlich sagen sollen: Den Spielern gehört der Kopf gewaschen. Damit muss man dann aber leben.

Sie haben den 1. FC Nürnberg mit persönlichen Darlehen vor der Pleite gerettet. Zum Ende Ihrer zweiten Amtszeit begann der Verein aber, sich strukturell neu aufzustellen. Fühlen Sie ihre Präsidentschaft zu wenig wertgeschätzt?

Roth: Ich habe den Club immer schuldenfrei und in der ersten Liga hinterlassen, das ist ja eine Basis. Mir ist am Ende aber vieles zu dumm geworden. Wo wird es einem schon gedankt, wenn man sich so einsetzt wie ich? Ich habe meine Zeit und mein Können geopfert. Der 1. FC Nürnberg könnte ganz andere Ziele anstreben. Ich leide aber schon noch mit.

Mit Dieter Hecking hat der 1. FC Nürnberg einen neuen Sportvorstand. Was trauen Sie ihm zu?

Roth: Dieter Hecking ist kein schlechter Mann. Aber kann er sich durchsetzen? In ihm steckt ja selber noch ein Trainer. Ich stelle deshalb infrage, ob er mit dem neuen Trainer auskommt. Wenn er die Verantwortung ganz alleine übernimmt, ist das auch problematisch, weil man eines Tages sowieso der Buhmann ist, wenn es nicht funktioniert. Dann stehst du zum Abschuss frei. Ich sage nicht, dass es nicht geht, aber es wird sehr schwierig.


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ZUR PERSON: Michael Adolf Roth war zweimal Präsident des 1. FC Nürnberg (1979-1983 und 1994-2009). In diese Zeit fällt der Abstieg in die 3. Liga 1996, aber auch der DFB-Pokal-Triumph 2007. Der frühere Teppich-Unternehmer lebt in Rückersdorf.

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