Famoser FCN: Mit Riesenherzen dem Aufstieg entgegen

25.4.2018, 17:39 Uhr
FCN-Trainer Michael Köllner jubelt nach dem Sieg in Kiel.

© Sportfoto Zink / DaMa FCN-Trainer Michael Köllner jubelt nach dem Sieg in Kiel.

Als Kapitän Hanno Behrens mit dem Megafon vor dem Gästeblock ein Lied anstimmte und hinter ihm die Mannschaft des 1. FC Nürnberg ausgelassen über die Tartanbahn tanzte, wehte bereits ein Hauch von Aufstiegseuphorie durch das luftige Kieler Holstein-Stadion. Selbst Trainer Michael Köllner ließ sich von der kollektiven Hochstimmung anstecken und wünschte dem mit 1:3 (1:2) unterlegenen Gegner in der Pressekonferenz sinngemäß schon mal alles Gute für die Relegation, "vielleicht geht da ja noch was".

Nun waren diese aufmunternden Worte, verbunden mit einer generellen Lobeshymne auf die Saisonleistung des kessen Aufsteigers, gewiss nett gemeint, mit nun fünf Punkten Vorsprung auf Tabellenplatz drei bei noch neun zu vergebenen aber halt auch etwas verfrüht. Kiels Trainer Markus Anfang nahm das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Kollegen jedenfalls irritiert zur Kenntnis und wünschte dem Club süffisant "viel Spaß in der Bundesliga".

So weit ist es natürlich noch nicht, das räumte auch Köllner wenig später ein, während Sportvorstand Andreas Bornemann an alter Wirkungsstätte alle Gratulanten höflich, aber bestimmt abwehrte: "Diese Liga ist unglaublich. Es ist jetzt sicher noch kein Zeitpunkt, um irgendwelche Glückwünsche entgegenzunehmen."

Bewährte Tugenden auf den Platz gebracht

Wirklich daran glauben, dass es nun noch schiefgehen könnte, mag aber niemand. Schließlich hat die Mannschaft mit dem Sieg beim ärgsten Verfolger auch ein imponierendes Zeichen gesetzt. Nach zuletzt eher durchwachsenen Leistungen brachte Köllners Elf just in diesem kleinen Endspiel wieder ihre bewährten Tugenden auf den Platz: Leidenschaft, Kampfgeist, defensive Kompaktheit und eine gnadenlose Effizienz vor dem gegnerischen Tor.

Dass das 1:0 und 2:1 aus Freistößen resultierten, war indes kein Zufall, sondern der Lohn für eine akribische Analyse des im Luftkampf anfälligen Gegners und fleißige Trainingsarbeit. "Wir wussten, dass wir Standardsituationen als Dosenöffner brauchen, weil es sonst schwer wird, gegen Kiel Tore zu schießen", verriet Rechtsverteidiger Enrico Valentini, der mit präzisen Hereingaben auf Georg Margreitter und Behrens die ersten beiden Treffer vorbereitete: "Das hat perfekt geklappt."

Beim 3:1 schließlich bewies der überragende Behrens seinen Torriecher, als er die Schockstarre der Kieler Abwehr inklusive Torwart ausnutzte und einen zur Bogenlampe abgefälschten Schuss von Tobias Werner aus kurzer Distanz unbedrängt einnickte. "Es ist eben eine Qualität von mir, dass ich keinen Ball aufgebe", freute sich der aus dem nahen Elmshorn stammende und von Freunden und Familie angefeuerte Blondschopf nach einem "sehr besonderen Abend, den ich auf jeden Fall lange in Erinnerung behalten werde".

Nackenschläge cool verdaut

Noch entscheidender als des Kapitäns Näschen und Köllners taktische Kniffe war diesmal aber wohl die Einstellung. "Wir waren die ganze Woche heiß auf dieses Spiel, das war im Vergleich zu Ingolstadt ein Unterschied wie Tag und Nacht", sprudelte es aus Valentini heraus: "Und wir wussten, wenn wir heute alles raushauen, gewinnen wir." Auch Abwehrchef Margreitter wollte schon in der Kabine und beim Aufwärmen bemerkt haben, "dass bei uns eine ganz giftige Stimmung herrscht wie lange nicht".

Zudem bewies der Club erstaunliche Coolness im Verdauen von Nackenschlägen. Erst musste nach den Ausfällen von Ewerton (Wadenprobleme) und Tim Leibold (Gelbsperre) die halbe Viererkette neu besetzt werden, dann meldete sich auch noch Keeper Fabian Bredlow wegen einer Fingerverletzung ab. Doch Thorsten Kirschbaum erledigte seinen Job ebenso verlässlich wie vor ihm der junge Lukas Mühl und der eigentlich schon abgeschriebene Edelreservist Laszlo Sepsi.

"Meinen höchsten Respekt! Wahnsinn, wie die drei in so einer Situation einspringen", schwärmte Valentini. Auch der schnelle Ausgleich durch einen von Margreitter verursachten Foulelfmeter schien nicht weiter zu stören. "Ich bin jetzt fast 30 Jahre alt und kann mit so etwas schon umgehen", versicherte der ansonsten souveräne Österreicher schmunzelnd.

"Da kann man nur den Hut ziehen"

Selbst von der erneuten Verletzung von Patrick Erras ließ sich die Mannschaft nicht aus der Spur bringen. Noch während der Pechvogel an der Seitenlinie in Richtung Kabine humpelte, traf Behrens zum 2:1. "Erst bricht dir die halbe Viererkette weg, dann der Torwart und schließlich geht auch noch der Sechser von Bord. Das ist das defensive Herz der Mannschaft", haderte Köllner. Dass so ein Spiel dann trotzdem 3:1 endet, "da kann man nur den Hut ziehen. Das zeigt den Charakter unserer Mannschaft, sie hat ein Riesenherz gezeigt".

Am Erfolg gezweifelt hatte Köllner eh nie: "Immer wenn viel von uns verlangt wird, sind wir in der Lage, viel zu leisten." Zumindest die größten Sorgen um Erras konnten dann gleich noch gelindert werden: Das Kreuzband im ja schon einmal komplett ramponierten rechten Knie blieb unversehrt, gerissen ist nur das Innenband. Damit ist die Saison für den 23-Jährigen zwar wieder mal gelaufen, die Karriere aber nicht in Gefahr. Und läuft alles nach Plan, dürfte Erras sein nächstes Comeback sogar in der Bundesliga geben.

Sollte Kiel am Sonntag in Ingolstadt nicht gewinnen, könnte der Club tags darauf mit einem Sieg im vorletzten Heimspiel gegen Braunschweig alles klarmachen - und der Kapitän wieder zum Megafon greifen.

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