FCN-Versammlung: Sprechstunde oder Strafgericht?

23.6.2014, 11:08 Uhr
Fordern Antworten: Die Wut der Clubfans nach dem Abstieg mündet nun in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.

© Sportfoto Zink / DaMa Fordern Antworten: Die Wut der Clubfans nach dem Abstieg mündet nun in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung.

Am Sonntag um 15 Uhr hat mit dem ersten Training am Valznerweiher die Saison begonnen, wie sie ausgeht, lässt sich natürlich noch nicht einmal annähernd erahnen. Es könnte sich allerdings schon am Montag ein wenig vorentscheiden – nicht auf dem Platz, sondern in der Meistersingerhalle, wo eine außerordentliche Mitgliederversammlung des 1. FC Nürnberg ansteht, von der wir live berichten.

Fünfhundert Unterschriften hatte es dafür gebraucht, das war keine hohe Hürde, und initiiert wurde das Treffen als eine Art Aussprache über Ursachen und Folgen des achten Abstiegs aus der Bundesliga. Korrigieren lässt sich der natürlich nicht mehr, emotional besser verarbeiten vielleicht schon, wenn man noch einmal darüber redet. Aber ein ziemlich offensichtliches Bestreben von Teilen der Versammlung geht in eine ganz andere Richtung und lässt sich kurz fassen, es genügen zwei Worte dafür, man hat sie wiederholt gehört, die Worte lauten: Bader raus.

Martin Bader ist der Nürnberger Sportvorstand, er hat den Club in über zehnjähriger Amtszeit befriedet, geordnet und gefestigt, aber jener Teil des Anhangs, der – teils aus ehrlicher Sorge, teils getragen von Abrechnungsgelüsten – Schuldige sucht für diesen Abstieg und diese Schuldigen bestrafen will, hat sich Bader als Buhmann ausgesucht.

Es wird zwar weder gewählt noch abgewählt auf außerordentlichen Versammlungen, aber mindestens zwei Anträge kommen einem Votum gleich, das, käme eine Mehrheit dafür zustande, sehr weitreichende Folgen hätte. Denn über die Satzung kann die Versammlung auf Anträge hin abstimmen. Und zum einen liegt ein Antrag vor, nach dem die Mitgliederversammlung künftig nicht nur über Satzungsfragen, sondern auch über „andere Organe“ des Vereins mit Zweidrittel-Mehrheit entscheiden darf, mithin auch über: die Besetzung des Vorstands.

Ein anderer Antrag geht in eine ähnliche Richtung, es wird darüber abgestimmt werden, ob die in der Satzung vorgesehene Möglichkeit, ein drittes Vorstandsmitglied zu berufen, bindend umgesetzt werden soll. Je ein Vorstand soll demnach dann zuständig sein für die das Ressort Finanzen und Verwaltung, das Ressort Öffentlichkeitsarbeit und Marketing sowie das Ressort Sport; Letzterer soll laut Antrag „nach Möglichkeit eine Vita im Profisport vorweisen können“ – jene Vita, die Martin Bader fehlt respektive fehlte, als er sein Amt antrat.

Charme des Volksvereins

Ob über zehn Jahre überwiegend erfolgreiche Arbeit in Nürnberg einer Vita im Profisport gleichkommen, wäre eine andere, nicht ganz uninteressante Frage – vielleicht auch an die Mitglieder, die satzungsgemäß ohnehin das, will man es so sagen, höchste Gremium im Club darstellen. Sie wählen in ordentlichen Versammlungen turnusmäßig die neun Aufsichtsräte, die über die Berufung (oder Abberufung) der Vorstände – derzeit Martin Bader für Sport und Öffentlichkeitsarbeit sowie Ralf Woy für Finanzen – entscheiden.

Der 1. FC Nürnberg gehört zu den wenigen Profiklubs, die eingetragene Vereine geblieben sind und den Profifußball nicht in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert haben; das birgt den Charme des alten Volksvereins, der Club-Familie, aber auch Gefahren. Denn es entscheiden nicht wirkliche Mehrheiten, der Club hat über 15.000 Mitglieder, mehr als zehn Prozent kommen nicht zu Versammlungen, meistens sind es deutlich weniger. Mit etwas Geschick lassen sich Mehrheiten da schon organisieren – abgesehen davon, dass jede Versammlung für kurzfristige Stimmungen empfänglich ist. Formal auszusetzen ist daran: nichts, wer kommt, entscheidet, so sieht es die Satzung vor.

Welche Turbulenzen weitreichende Satzungsänderungen nach sich zögen, ist Spekulation, es gehört allerdings nicht viel Phantasie dazu, sich die Folgen auszumalen. Ein Verein, der sich in Organisation und Struktur von kurzfristigen Stimmungen abhängig macht, dürfte schwer zu führen sein. Langfristige Projekte, gestoppt durch jederzeit wiederholbare außerordentliche Versammlungen mit permanenten Satzungsänderungen? Immer in grundsätzlicher Opposition zu Teilen einer organisierten Anhängerschaft? Transfers per Publikums-Voting? Das wird den Club nicht attraktiver machen für potenzielle Vorstände und Aufsichtsräte, und wie nahe man damit nah am Chaos steht, hat gerade der bisher wie der 1. FC Nürnberg organisierte Hamburger SV erfahren – ein in dreistelliger Millionenhöhe verschuldeter Klub, der durch rasante stimmungsbedingte Vorstandswechsel zielstrebig in Richtung Havarie schlitterte, ehe die Mitgliederversammlung gerade erst mit riesiger Mehrheit beschloss, ihren eigenen Einfluss zu beschränken und den Fußballbetrieb aus dem eingetragenen Verein auszugliedern.

"Der Verein steht über allem"

In Nürnberg ist das nicht geplant, der Club setzt – bisher nicht ganz ohne Erfolg – auf ein Miteinander. Wie es nach dem Montag weitergeht, hängt trotzdem auch vom Verlauf des Abends ab. Er „schätze die Mitgliederversammlung als höchstes Gremium im Verein“, sagt Martin Bader, „für alle Emotionalität und für die Möglichkeit, Vertrauen ineinander zu schaffen“. Aber: „Wenn ich das Gefühl habe, lästig zu sein, bin ich nicht der Mann, der an seinem Stuhl klebt“, sagt der Sportvorstand auch: „Ich arbeite sehr gerne hier, ich stelle mich jeder Diskussion, aber der Verein steht über allem.“ Das könnte natürlich auch ein ganz sinnstiftendes Motto für den Montagabend sein.

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