Palikuca zu seinem FCN-Jubiläum: "Gibt nichts zu feiern"

18.4.2020, 06:00 Uhr
Ein Jahr mit vielen Turbulenzen: Robert Palikuca (mit Mannschaftskapitän Hanno Behrens, rechts).

Ein Jahr mit vielen Turbulenzen: Robert Palikuca (mit Mannschaftskapitän Hanno Behrens, rechts).

Herr Palikuca, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Einjährigen. Ein großes Fest war es wahrscheinlich nicht.

Robert Palikuca: Es gibt nichts zu feiern. Ich bin ein Jahr hier. Ein Jubiläum bedeutet mir aber nicht so viel. Ich habe für die wenigen Mitarbeiter, die gerade auf der Geschäftsstelle arbeiten, ein bisschen was zu essen mitgebracht, aber das hätte ich auch ohne Jubiläum gemacht. Wir versorgen uns hier gegenseitig, jeder bringt mal etwas mit.

Solidarität ist eine Waffe, habe ich mal gelernt. Sie haben gesagt, es gibt nichts zu feiern. Das ist ein Eindruck, der sich auch mit Blick auf die sportlichen Belange aufdrängt nach diesem Jahr. Es war kompliziert oder?

Palikuca: Ich weiß nicht, ob man Arbeitsjubiläen feiern sollte.

Im Fußball ist das sehr wichtig, manche schaffen nicht mal ein Jahr.

Palikuca: Ja?

Ja.

Palikuca: Von der Seite habe ich das noch nie betrachtet.

Deshalb war das auch ein ehrlicher Glückwunsch.

Palikuca: Gut, danke. Es war ein sehr ereignisreiches Jahr.

Wir können es ja mal durchgehen. Den Abstieg lassen wir weg, weil Sie an dem keine Schuld trifft. Der erste Aufreger war die Sache mit Bakery Jatta, in der der Verein nicht immer souverän gewirkt hat.

Palikuca: Unsere Kommunikation war nicht erfolgreich. Wir haben eine Entscheidung im Sinne des Vereins getroffen und haben Einspruch eingelegt. Anschließend ging es in den sozialen Medien nur in eine Richtung. Wir haben die Beweggründe nicht deutlich genug kommuniziert – den Shitstorm hätte es aber vielleicht trotzdem gegeben.


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Zu Beginn war es aber schon so, dass die Sache durchaus differenziert betrachtet wurde. Gedreht hat es sich, als alle dachten, jetzt ist es mal gut. Hätte man früher aussteigen sollen aus der Geschichte.

Palikuca: Wenn man über persönliche Beweggründe redet, dann hätte man das machen können. Das nimmt einen ja schon mit, wenn man plötzlich mit Rassismusvorwürfen konfrontiert wird. Rein professionell betrachtet, mussten wir den Sachverhalt komplett prüfen lassen und das brauchte Zeit. Als die Behörden den Fall abgeschlossen hatten, haben wir unmittelbar unseren Einspruch zurückgezogen.

Es ging dann weiter mit dem Trainer, den Sie nach Nürnberg geholt haben: Damir Canadi. Da gab es früh Zweifel, ob das funktioniert, und Sie mussten ihn entlassen. War es ein Fehler, Canadi einzustellen?

Ich habe ihn nicht freigestellt wegen der Skeptiker im Umfeld. Ich habe ihn freigestellt, weil die Probleme immer mehr wurden. Wir sind in einen Negativstrudel geraten. Daraufhin hat er selbst gesagt, dass man sich von Vereinsseite mit dieser Variante beschäftigen muss. Aber warum soll das ein Fehler gewesen sein? Er hatte im Ausland viel Erfolg. Er hat unser Anforderungsprofil erfüllt. Am Ende hat es nicht funktioniert, man darf sich nicht so lange mit den Gründen aufhalten.

Also Fehler oder nicht?

Palikuca: Ob es ein Fehler war? Sie wollen jetzt unbedingt ein Ja oder Nein hören?

Gerne.

Palikuca: Als die Entscheidung getroffen wurde, war es kein Fehler. In dem Moment, in dem man einen Trainer freistellen muss, heißt das aber auch, dass im weiterführenden Prozess Fehler passiert sind. Ob ich die Verantwortung dafür trage? Ja.

Sie haben gesagt, es gab Gründe, warum es nicht funktioniert hat. Der maßgebliche Grund im Fußball ist immer die Mannschaft. Sie haben vor der Saison die Scouting-Abteilung umgebaut. Sie haben sich aber trotzdem offensichtlich keine Mannschaft zusammenbauen können, die zu Zweitliga-Spitzenfußball in der Lage ist. Was ist da schiefgelaufen?

Palikuca: Warum offensichtlich?

Weil das die Tabelle so sagt.

Palikuca: Wir genügen den Ansprüchen der drei Aufstiegskandidaten nicht, aber gegen die anderen Teams in oberen Tabellenregionen haben wir gute Spiele gemacht. In der Nachbetrachtung muss man sagen, wir haben uns durch individuelle Fehler im ersten Saisondrittel selbst in Probleme gebracht. Dann sind wir in einen Negativstrudel geraten und mit dem kämpfen wir immer noch. Wir versuchen jetzt, uns mit defensiver Stabilität da raus zu arbeiten.


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War es leichtfertig, mit dieser Defensive in die Saison zu gehen. Mit zwei jungen Linksverteidigern, mit zwei älteren Rechtsverteidigern und mit einem defensiven Mittelfeld, wo man lange auf der Suche war?

Palikuca: Im defensiven Mittelfeld hat Patrick Erras immer seine Zeit gebraucht. Fast egal bei welchem Trainer. Bei den Linksverteidigern – ja, das hat uns im Winter beschäftigt. Da hat uns Tim Leibold spät in der Saisonvorbereitung verlassen. Wir dachten aber, dass neben der erfahrenen Innenverteidigung wir einen der jungen Spieler schneller durchbringen. Sie haben eben Zeit gebraucht. Man muss mit jungen Spielern Geduld haben. Das Ergebnis sieht man an der Entwicklung von Tim Handwerker.

Bei Robin Hack hat die Sache schneller funktioniert. Er ist die wohl positive Überraschung der Saison. Iuri Medeiros ist die negative? Funktioniert bisher gar nicht, oder?

Palikuca: Nein. Er war auf einem guten Weg, hat sich dann verletzt. Als er zurückkam, hatte er Schwierigkeiten in die Mannschaft zu finden. Das erste Jahr läuft unglücklich.

Es muss in der neuen Saison besser werden. Wie planen Sie in Corona-Zeiten?

Palikuca: Erst einmal bereiten wir uns auf den Tag X vor, an dem diese Saison fortgesetzt wird. Mit Blick auf die neue Saison müssen wir schauen, wo man sich verändern muss. Dreiviertel einer Saison müssen für die Analyse reichen, um zu wissen, wie man den Kader zusammenstellt, damit er eine gute Rolle im oberen Tabellendrittel spielt.

Es gab lange finanzielle Unklarheiten. Bild und Spiegel berichten jetzt, dass sich Sky und die DFL über die letzte Ratenzahlung geeinigt haben. Ein Mutmacher?

Palikuca: Es ist eine Idee, die es gibt. Ich denke, dass wir auf der nächsten DFL-Versammlung mit Fakten versorgt werden.

Es gab etwas vorher eine andere Veröffentlichung, an der auch die Ultras Nürnberg mitgearbeitet haben. Fanszenen Deutschlands haben sich da vehement gegen eine Fortsetzung der Saison ausgesprochen haben. Beeindruckt Sie so etwas?

Palikuca: Fußball hat viele Interessensgruppen. Und dass dieses Bündnis eine Meinungen vertritt, ist nachvollziehbar. Es gibt kein alles richtig oder alles falsch. Man muss diskutieren, einen machbaren Weg finden und Entscheidungen treffen. Ich finde es absolut in Ordnung, dass sich das Fanbündnis geäußert hat, Wir müssen jetzt die Probleme der Gegenwart bewältigen und gleichzeitig nicht die Zukunft aus dem Blick verlieren.

Mir sind falsche Dinge nicht aufgefallen.

Palikuca: Ich finde es persönlich gut, dass sich ein Bündnis der aktiven Fanszenen geäußert haben. Man darf es nicht ignorieren.

Aber Sie wollen nicht ihr Unterstützer werden und als Erster sagen: Die haben recht.

Palikuca: Ich bin kein Fußball-Romantiker. Im Fußball werden Emotionen gelebt, jedoch sollten keine rein emotionalen Entscheidungen getroffen werden, da es ein großer Wirtschaftszweig ist, an dem viele Jobs hängen. Das ist die Realität.

Die der Sportvorstände.

Palikuca: Nein, das meine ich nicht. Ich meine zig normale Berufe. Dass der Fußball versucht, die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten, das ist doch naheliegend. Wir versuchen Jobs zu retten. Niemand verlangt eine Sonderrolle.


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Wenn weitergespielt werden würde, wäre das aber eine Sonderrolle.

Palikuca: Wenn der Fußball ein Modell erarbeitet und das der Politik präsentiert und diese sagt, das ist so in Ordnung – dann hat der Fußball einen praktikablen Weg gefunden, seiner Arbeit nachzugehen. Alle Branchen und Institutionen suchen diese Lösungen für sich.

Sie haben gesagt, es geht darum, Jobs zu retten. Die zu erhalten wäre einfacher, wenn die, die in diesem System sehr viel Geld verdienen, solidarischer auftreten würden.

Palikuca: Es gibt durchaus Großverdiener, die sehr gute Sachen machen. Es gibt durchaus Großverdiener, die sich sehr intensiv einbringen. Wir haben für uns einen Weg gefunden, wie wir das regeln können. Jeder im Verein leistet seinen Beitrag, dass wir die Jobs für die nächsten Monate erhalten. Wir haben Zeit gewonnen.


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Was muss in der Zeit bis zu ihrem zweijährigen Jubiläum passieren, dass wir dann ein fröhlicheres Gespräch führen können?

Palikuca: Es muss einen Corona-Impfstoff geben. Und auf den Fußball bezogen: Alle wünschen sich, dass die Stadien wieder geöffnet werden, man dort Bier trinken und Bratwürste essen kann.

Und dass der Club Zweitliga-Spitzenfußball spielt.

Palikuca: Und dass der Club Zweitliga-Spitzenfußball spielt.

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