Feinfüße beim FCN: Von Darmstadt, Dovedan und Diamanten

11.2.2021, 06:00 Uhr
Nikola Dovedan präsentierte sich am vergangen Sonntag recht energisch in den Zweikämpfen.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Nikola Dovedan präsentierte sich am vergangen Sonntag recht energisch in den Zweikämpfen.

Aus der Ich-Perspektive eines Diamanten erzählt die Rap-Crew Genetikk von dem Leben eines Edelsteins: Als einer von Millionen Steinen verweilt er unbedeutend im Herzen eines Berges, ehe er ausgegraben und zum Ring gemacht wird. Doch gerade als Inbegriff des Schönen und Perfekten, der er in dieser neuen Welt werden sollte, erlebte er viel Leid und Drama.


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Der Narrativ des Liedes lässt sich gewisser Weise auf Neuzugänge des 1. FC Nürnberg, insbesondere jene der Spezies der sensiblen Feinfüße, übertragen. Im profisportlichen Niemandsland entdeckt, für einen hohen Preis importiert in der Hoffnung, der tatsächliche Wert könne jenen Betrag eines Tages (sportlich oder finanziell) übersteigen. Unter Druck gesetzt, um den Feinschliff zu verpassen und die mit dem hohen Kaufpreis einhergehenden Ansprüche zu rechtfertigen. Dann der dramaturgische Wendepunkt: an den Erwartungen als heilsbringender Edeling gescheitert, die Abgründe dieser fremden Welt erlebt.

In der jüngeren Vergangenheit ereilte Iuri Medeiros, Adam Gnezda Cerin und Nikola Dovedan, allesamt vom damals verantwortlichen Robert Palikuca für über fünf Millionen Euro verpflichtet, jenes Schicksal: Als verheißungsvolle Königstransfers kamen die drei Ballkünstler aus Warschau, Domzale und Heidenheim, um den fränkischen Altmeister zu neuem Ruhm zu verhelfen. Es gelang ihnen nicht: Die Spieler bleiben alle weit hinter den Erwartungen (allesamt maximal mit einem 4er-Notenschnitt) zurück, dem Club drohte der Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Zwei der drei Akteure verließen daraufhin leihweise den FCN - und blühen im Ausland nun förmlich auf.


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Woran liegt also die scheinbar verringerte Leistungsfähigkeit von technisch versierten, filigranen und spielintelligenten Akteuren, sobald sie das rot-schwarze Trikot überstreifen? "Wir haben Spieler, die Stabilität benötigen, um ihre Leistungsfähigkeit abzurufen. Deshalb ist es wichtig, dass wir als Mannschaft immer sehr stabil sind", erklärte Robert Klauß im Interview. Beides bedingt sich gegenseitig. Und beides war in den vergangen Wochen, Monaten, vielleicht gar Jahren nicht der Fall. Entsprechend verstärkt auch der vorzeitliche Abgang von Sarpreet Singh die Vermutung, der Valznerweiher sei schlicht und ergreifend kein Ort für Diamanten. Zu viel Drama, zu viel Trauma, zu viele Achterbahnfahrten – emotional und sportlich.

Dieses Markencharakteristikum des Liebes- und Leidensklubs zeigte sich unlängst am Böllenfalltor. In einem Spiel, das lange von Unvermögen und letztlich von Slapstick geprägt war, rangen naive Nürnberger den dilettantischen Darmstädtern den ersten Sieg im neuen Jahr 2021 ab. Beteiligt war die menschgewordene Dramatik Fabian Schleusener, aber maßgeblich auch Nikola Dovedan, der dem Relegationshelden wenn auch glücklich den zwischenzeitlichen Führungstreffer auflegte und seine wohl beste Leistung seit Langem bot.


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Als in der 76. Minute Tim Handwerker das Leder erhält, überzeugt "der Dove", wie sein Trainer Robert Klauß zu sagen pflegt, "mit dem guten Einlaufverhalten": Der Österreicher zieht kurz in den Rücken des zum Ball gewandten Innenverteidiger Palsson, um sich dessen Nebenmann, Lars Lukas Mai, zu entziehen. Während Dovedan zwischen den beiden Innenverteidigern gen ersten Pfosten läuft, peilt Schleusener zwischen Innenverteidiger und Linksverteidiger den zweiten an. Mai, in dieser nahezu aussichtslosen Situation, entscheidet sich für keinen der beiden Angreifer. Die Flanke findet zunächst Dovedan, der mit seiner Direktabnahme noch an Torhüter Marcel Schuhen scheitert. "Der Schleuse" staubt letztlich ab. Erstes Zweitliga-Tor für den Stürmer, der in Nürnberg bisher nicht als Knipser bekannt war. Erster Saison-Assist für den Österreicher, dessen Qualitäten eigentlich eher in den Situationen zur Geltung kommen, in denen er den Ball am Fuß hat.

Wozu er dann in der Lage ist, zeigte er in seinen nur anderthalb Jahren am Valznerweiher nur selten. Viele dieser wenigen Momente datieren zurück auf den fünften September 2020: Im freundschaftlichen Gastspiel an der Alten Försterei brillierte der wendige, vor Spielfreude sprühende Feinfuß. Galt der euphorisierende Auftritt bei den Eisernen zunächst als vermeintlicher Wendepunkt für das bis dato enttäuschende Engagement des 26-Jährigen am Neuen Zabo (kicker-Notendurchschnitt in der vergangenen Saison 4,17), entpuppte sich der Lichtblick spätestens einen Monat später als nichts als einem kurzen Hoffnungsschimmer. Zu Beginn der Saison verfiel er wieder in alte Muster, seine Aktionen waren derart unvollendet, dass sie meist nur als guter Ansatz bezeichnet werden konnten: Einmal clever durchgesetzt, dann aber der Fehlpass. Einmal gut den Ball mitgenommen, dann aber ein lascher Abschluss.


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Ein zweiter Lichtblick liegt nur wenige Tage zurück: In Darmstadt avancierte Nikola Dovedan nicht nur ob seiner Torbeteiligung zu einem der besten Nürnberger an diesem Nachmittag. Ihm gelang das, was zuvor gerne an ihm bemängelt wurde: Er setzte sich durch. Exemplarisch dafür steht eine Szene in der 49. Minute: Dovedan erhält den Ball auf der linken Seite, nachdem sein Darmstädter Gegenspieler beim Versuch, den Pass abzufangen, am Spielgerät vorbeigerutscht war. Der Österreicher hat also Platz, zieht kurz das Tempo an, ehe er von Nicolai Rapp gestellt wird. Er bremst ab, steht nahezu frontal dem späteren Pechvogel gegenüber, legt den Ball etwas nach rechts, was den Gegner zu einem Schritt in selbige Richtung veranlasst. Diese Bewegung nutzt "Dove" schließlich, dreht sich blitzschnell um die eigene Achse, sodass er seinen Körper zwischen Rapp und das Leder bringt, und zieht den Ball mit.

Dass Nikola Dovedan zu den technisch versiertesten Spielern des 1. FC Nürnberg zählt, zeigt sich in dieser Situation und ist ohnehin unbestritten, nicht aber er selbst. Das weiß auch sein Trainer Robert Klauß: "Er erhitzt ja immer die Gemüter: Mal spielt er zu wenig, mal spielt er zu viel. Heute hat er, glaube ich, genau richtig gespielt." Viele energisch geführte Zweikämpfe, einige gute Offensivaktionen und – vielleicht am wichtigsten – Spielfreude. Zwar überragte der Filigrantechniker am Böllenfalltor nicht, trotz mitunter zu viel Eigensinn und zu wenig Konsequenz reichte es aber für eine nordbayern.de-Note 3 – seiner besten Bewertung in der laufenden Spielzeit.

Damit rechtfertigte er zumindest im Ansatz das Vertrauen, das er nach Einschätzung seines Trainers "über einen längeren Zeitpunkt bekommen" muss und auch bekommt: In 18 Partien kam der frühere Heidenheimer zum Einsatz. Besonders in den Übungseinheiten gelang es ihm scheinbar, sich zu empfehlen: "Dove ist in den letzten Wochen fleißig, das gefällt mir gut, er trainiert gut", lobte Robert Klauß bei der Pressekonferenz, ehe er anfügte: "Auch bei ihm hoffe ich, dass der Knoten platzt, dass er sich mit einem Tor belohnt."


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Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am frühen Sonntagnachmittag, wenn der 1. FC Nürnberg im heimischen Max-Morlock-Stadion den FC St. Pauli empfängt. Gegen den Kiezklub hat Dovedan ohnehin noch etwas gut zu machen: In der vergangenen Saison vergab er aus wenigen Metern freistehend vor dem leeren Tor die aussichtsreiche Chance auf den Führungstreffer. Gegen die Mannschaft vom Millerntor gilt es für Dovedan – anders als nach der Leistung gegen Union Berlin – auf der gebotenen Leistung aufzubauen. Und sich somit vielleicht doch noch zu einem der wenigen Diamanten zu entwickeln, die auch in Nürnberg brillierten.

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